Vierzig 🍁

885 41 2
                                    

Der Wald war in dem Moment verstummt, als Cassian aufgetaucht war. Die Tiere hatten ihn bereits vor mir bemerkt und waren verschwunden, als sie gemerkt hatten, dass er die größere Bedrohung war. Aber dazu musste ich auch anmerken, dass Cassian nicht versucht hatte sich unbemerkt an mich anzuschleichen. Wenn Cassian sich unauffällig an jemanden würde anschleichen wollen, dann würde das niemand bemerken. Kein Tier der Welt würde ihn dann wittern können.

"Du hast meine Frage nicht beantwortet", erinnerte Cassian mich daran, dass ich seine Frage schlichtweg ignoriert und mit einer Gegenfrage beantwortet hatte.

"Ich wollte einfach nicht mehr in der Hütte rumsitzen."

"Das ist alles?"

"Das ist alles."

"Glaub ich dir nicht."

Dann lehnte er sich plötzlich leicht über meine Schulter und rümpfte geräuschvoll die Nase.

"Du stinkst nach Lüge", grunzte er lachend.

Genervt, aber trotzdem kichernd drehte ich ihn um und drückte ihn von mir weg. Egal wie sauer man war oder versuchte sauer zu sein, Cassian hatte so eine ansteckende Art an sich und wenn er lachte und Blödsinn machte, dann konnte man einfach nicht anders als darauf einzusteigen.

"Also gut. Ich hab vor eine Suriel zu fangen."

"Du weißt aber, dass das nicht so ganz ungefährlich ist, oder?"

Ich nickte nur.

"Hast du das schon mal gemacht?"

"Nein, aber ich hab gestern einiges darüber gelesen, also denke ich schon das ich mich ganz gut vorbereitet habe", ich schüttelte verneinend den Kopf.

"Wie süß, du hast darüber gelesen", wieder machte sich Cassian über mich lustig, woraufhin ich ihn böse anschaute.

Wieder stapfte ich voran durch den Wald, während ich ihm erklärte, dass er mich allein lassen sollte, da ich bezweifelte, dass der Suriel auftauchen würde, wenn ich in Begleitung eines illyrianischen Kriegers war.

"Wieso brauchst du eigentlich Antworten vom Suriel?", hackte Cassian irgendwann nach.

"Weil Azriel nach einer Möglichkeit sucht meine Lebensspanne zu verlängern und da wir noch nichts wirklich gefunden haben. Ich war gestern beim Lesen, dann über den Suriel gestolpert und wenn einer etwas weiß, dann doch wohl die Kreatur die antworten für alles hat, oder?"

"Weiß er, dass du das vorhast?"

Wieder schüttelte ich den Kopf. Auch wenn wir Seelengefährten waren, musste er nicht alles wissen und nicht bei allem dabei sein. Viele Menschen vergaßen oft, dass auch wenn sie in einer Beziehung lebten, sie trotzdem noch eine eigenständige Person waren. Ich wollte nie so eine Beziehung führen, in der es immer nur noch "wir" hieß und keiner mal 5 Minuten alleine verbringen konnte. Ich war Azriel für Dinge die ich machen wollte keine Rechenschaft schuldig, er hatte mir ja auch nur soviel gesagt, dass ich ihn nicht suchen würde.

"Hast du schon mal einen Suriel gefangen?"

"Nein. Ich hatte noch nie das Bedürfnis alles zu wissen. Mir reicht meine Unwissenheit. Es gibt Dinge die man nicht wissen sollte", er zuckte mit den Schultern und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ich konnte seine Ansichten schon nachvollziehen, aber andererseits siegte bei mir immer die Neugier. Einerseits wollte man wissen, wie man sterben würde, damit man sich seine Zeit besser einteilen konnte, andererseits hatte man Angst vor der Antwort, dass die Zeit zu kurz sei, dass man eventuell morgen sterben würde, die Liebe seines Lebens nicht treffen würde. Wollte man wissen, dass man eventuell keinen Seelenverwandten hatte? Wollte man wissen welches Trauma dir auf deiner Reise noch begegnen würde? Würde man wissen wollen, wie man verliert?

Cassian schaute mich von der Seite an, als wüsste er was in mir vorgehen würde, aber ich tat das hier nicht für mich. Ich machte das für Azriel, ich wollte es für ihn versuchen, mir war das Ergebnis ziemlich egal. War es das? Was wollte ich eigentlich?

Schattensänger 🌙Where stories live. Discover now