𝔻𝕒𝕤 𝕋𝕦𝕣𝕟𝕚𝕖𝕣

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Heute stand der Wettkampf an und ich war ziemlich aufgeregt. Seit dem Stück Schokolade gestern hatte ich wie geplant nichts mehr gegessen. Stattdessen war ich abends noch joggen und ein bisschen Köln erkunden. Ich stand in dem kleinen Badezimmer von der Jugendherberge und machte mich gerade fertig, als mir schon wieder schwindelig wurde. Wird das wohl jemals aufhören? Keine Ahnung, aber wer schon sei will muss leiden, sagt man doch immer, also musste ich da wohl durch. Als ich in den Spiegel guckte erschrak ich ein bisschen. Meine Haare waren zerzaust und standen trotz mehrmaligem Haarekämmen immer noch in allen Richtungen ab. Außerdem sah ich wirklich ein bisschen blass aus und meine dunklen Augenringe traten deutlicher als sonst hervor. Die Nacht war ja auch nicht gerade erholsam, ist also völlig normal dachte ich mir. Obwohl der Schwindel nicht wegging versuchte ich zu retten, was zu retten war: meine Augenringe ließ ich unter Concealer verschwinden und mit Makeup kam auch meine Gesichtsfarbe etwas wieder. Meine Haare band ich zu einem Pferdeschwanz zusammen und fixierte alles so gut es ging mit Haarspray. Schön ist anders, aber was solls. An der besagten Halle angekommen wartete meine Trainerin Maja schon auf mich. Sie umarmte mich fest und schien sich ehrlich zu freuen mich wiederzusehen. Sie ist eigentlich auch echt nett, aber ich bin für sie auch nur eine ihrer guten Schülerinnen von vielen, also nichts besonderes. Ich war jedoch dieses Jahr die einzige, die es zu den Deutschen Meisterschaften geschafft hatte. Wir gingen in die Umkleide wo sie mir den neuen Turnier-Anzug gab. Wow. Der war schön. Er war auch wieder schwarz, aber diesmal mit verschiedenen Blautönen und Details aus silbernem Glitzer. Gespannt guckte Maja mich an. "Und? Gefällt er dir? Ich dachte blau würde deine rote Haare betonen", quieckte sie etwas aufgedreht. Rot und blau können ganz schnell doof zusammen aussehen, aber diese Kombination gefiel mir. "Der ist wunderschön", sagte ich und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Er passte zwar, aber so richtig wohl fühlte ich mich darin trotzdem nicht. Ich zog also meine Trainingsjacke und eine Jogginghose über. Beim Einlaufen kam das Schwindelgefühl wieder und ich konnte es dieses Mal nicht ignorieren. Ich ging also erstmal anstatt zu laufen. Das fiel Maja natürlich sofort auf und sie kam zu mir geteilt. "Ellie! Alles klar? Stimmt was nicht?"
"Nene, alles gut, ich brauche nur kurz ne Pause", sagte ich leise. Dass sie mich verwundert und fragend ansah konnte ich ihr nicht verübeln, denn beim Einlaufen eine Pause zu brauchen ist sonst sowas von unüblich für mich.  Dann ging es wieder und nach einem kleinen Lächeln für Maja lief ich weiter.
Danach saß ich mit ihr auf der Bank und wartete bis ich dran war.
Die Mädchen vor mir waren alle so gut, da könnte ich doch niemals mithalten. Ich bekam etwas Angst und wurde ziemlich nervös. Meine Hände zitterten total auffällig, ob das vor Aufregung war oder durch Unterzuckerung kam wusste ich nicht genau. Ich schob es aber auf die Aufregung um den Gedanken an das Malheur mit meinem Kreislauf gestern in der Bahn zu verdrängen. Heute darf es keiner merken. Schnell stopfte ich meinen Hände in die Taschen meiner Jacke und wippte aufgeregt mit den Beinen um das ungewollte Zittern zu vertuschen. Es waren insgesamt 23 vor mir, ich hatte also noch genug Zeit um alles im Kopf noch einmal durchzugehen. Ich beobachtete alle anderen ganz genau um mitzubekommen wofür sie Punkte abgezogen bekamen. Die eine hatte ziemlich zittrige Beine, wodurch sie Abzug wegen mangelnder Körperspannung bekam. Ohje, ich hoffe mein Zittern wird nicht bemerkt. "Willst du die langen Sachen schonmal ausziehen? Du bist gleich dran", riss Maja mich aus meinen Gedanken. langsam zog ich sie also aus, bis ich nur noch den Anzug anhatte. Maja strahlte mich stolz an, doch ich konnte ihr nur ein halbherziges Lächeln zurückgeben. Mir war arschkalt und schon wieder machte sich dieses ungute, komische Gefühl in mir breit. Aber dem konnte ich jetzt keine Beachtung schenken, ich musste mich auf das anstehende Turnen konzentrieren. Als mein Name dann aufgerufen wurde hatte ich das Gefühl mir würde jeden Moment das Herz stehen bleiben. Noch nie zuvor hatte ich mich vor einem Wettkampf so komisch und unwohl gefühlt wie ich es jetzt gerade tat. Aber ich war ja auch noch nie bei einer Deutschen Meisterschaft, das lag bestimmt an der Aufregung. Als ich im Rhönrad stand wurden meine Beine richtig weich und ich hatte Angst, dass sie mich nicht mehr lange tragen würden. Ich schaute zu Maja, doch die schien nichts zu bemerken, denn sie nickte mir stolz zu um mir zu sagen dass ich das hinkriegen würde und anfangen kann. Mein Blick ging durch die Halle. Es waren so viele Menschen zu sehen, die gespannt ihre Blicke auf mich richteten. Ich wusste, ich muss jetzt Leistungen erbringen, doch eigentlich wollte ich hier nur weg. Sonst war das nie so, aber dieses Mal was es anders. Ich hatte unglaubliche Angst zu versagen. Ich dachte, dass jemand meine wackeligen Knie bemerken oder vielleicht sogar meinen schnellen Herzschlag hören könnte. Wie absurd das doch eigentlich ist.
Ich schaute zu der Jury, die ab dem Moment, in dem ich starten würde, alle meine Bewegungen genaustens beobachten und bewerten würde. Ich lächelte ihnen bedrückt zu, nickte als Zeichen, dass ich anfangen würde und atmete einmal ganz tief ein und wieder aus. Dann fing ich an zu Turnen. Die Zeit verflog nur so dahin. Doch kurz bevor ich meine Kür beenden konnte passierte es: das schlimmste, was einem Turner während eines Wettkampfes passieren konnte.

ASDS - to know you is to love you 🦋Where stories live. Discover now