𝔻𝕒𝕕

982 35 11
                                    

Das Erste, was ich wahrnahm, war ein regelmäßiges Piepen. Es war laut und gleichmäßig, schon nach kurzer Zeit nervte es mich. Meine Sinne klarten auf und nach einiger Zeit schaffte ich es auch meine Augen zu öffnen. Einen Augenblick lang musste ich fast durchgehend blinzeln, bis meine Augen sich schließlich wieder an die Helligkeit gewöhnt hatten. "Ellie, Schatz! Wie geht's dir?" Ich schaute noch etwas verschlafen in das besorgte Gesicht meines Vaters, welcher direkt neben meinem Bett auf einem Stuhl saß und sich nun nach vorne, weiter zu mir, beugte und meine Hand hielt. Ich freute mich irgendwie, dass er da war, dass er der Erste war, der jetzt bei mir war. "Papa", flüsterte ich mit kaum hörbarer Stimme, denn mein Hals fühlte sich ganz trocken an und schmerzte. Er drückte meine Hand etwas fester und setzte immer wieder zum Reden an, doch er fand anscheinend nicht die richtigen Worte. "Alles okay?", fragte er dann unsicher, um das unangenehme Schweigen zu brechen. Ich nickte nur, denn Reden wollte ich nicht weiter, dafür war ich noch zu müde. Schließlich schwiegen wir und er lächelte mir ein paar mal zu, doch es war kein ehrliches Lächeln, es wirkte gespielt. Er lehnte sich schließlich wieder in den Stuhl zurück und zog mit einer eleganten, schnellen Handbewegung sein Handy aus der Hosentasche seiner schwarzen Anzugshose, da dieses mehrere Benachrichtigungstöne von sich gab. Während er mit seinem Handy beschäftigt war nutze ich die Zeit um mich gründlich umzuschauen. Es standen einige Geräte neben meinem Bett, von denen Schläuche oder Kabel ausgingen, die dann unter meiner Bettdecke verschwanden. Dieses penetrante Piepen von dem einen Gerät trieb mich langsam in den Wahnsinn und bereitete mir Kopfschmerzen. Kann man das irgendwie ausstellen? Mein Vater lachte zwischendurch auf, war jedoch so fixiert auf das Gerät in seinen Händen, dass er mich nicht wirklich weiter beachtete. Perfekt! Vorsichtig schlug ich die Bettdecke ein Stück runter, um meinen Körper besser erkennen zu können. An meinem Handgelenk war nun nicht mehr die provisorisch angelegte Schiene zu finden. Stattdessen war meine Hand nun durch einen Gips ruhiggestellt. Ich hatte immer noch dasselbe kitschige Hemd an und in meiner anderen Hand befand sich immer noch der Zugang, durch den nun Flüssigkeit aus einer Infusion direkt in meinen Körper lief. Sofort suchte ich in dem Kabelchaos den Übeltäter und drückte ihn zusammen, sodass nichts weiter den Weg in meine Blutbahn fand. Die anderen Kabel verschwanden unter meinem Hemd und wahrscheinlich von einem EKG. Ich luscherte unter das Hemd und erkannte einige runde, weiße Klebeelektroden auf meinem Oberkörper, wodurch sich meine Vermutung mit dem EKG bestätigte. Ich wollte diese entfernen, doch meine Konzentration ließ schon jetzt nach und ich merkte wie die aufkommende Müdigkeit mich wieder überfiel. Ich war einfach noch zu müde und geschwächt um irgendwas sinnvolles unternehmen zu können, zu müde um klar denken zu können. So schlief ich wieder ein und versank in einem traumlosen Schlaf. Als ich das nächste mal wach wurde und durch den Raum schaute, musste ich feststellen, dass ich schon wieder in einem anderen Raum war. Von meinem Vater weit und breit keine Spur mehr zu sehen. Hatte ich nur geträumt, dass er da war? Neben meinem Bett stand ein weiteres, jedoch schien dies unbelegt. Ich war alleine und auch das penetrante Piepen, was mich einige Momente zuvor noch in den Wahnsinn getrieben hatte, war nicht mehr zu hören. Die Infusion war jedoch immernoch da und sofort unterbrach ich die Zufuhr der Flüssigkeit daraus wieder. Eigentlich wollte ich mir den Zugang ziehen, plante schon, dass ich diesen im nächsten Moment aus meiner Haut enfernen würde und meine andere Hand wanderte schon in dessen Richtung, doch dann öffnete sich nach einem leisen Klopfen, keine zwei Sekunden später, die Tür. Im Tührrahmen erkannte ich Tabea und sofort versuchte ich meine Hand samt zugedrücktem Infusionsschlauch schnell, aber so unauffällig wie möglich unter meiner Bettdecke verschwinden zu lassen. "Das hab ich gesehen. Du wolltest ihn doch nicht alleine ziehen, oder?", fragte sie und grinste etwas dabei, als würde sie sich freuen mich erwischt und noch im richtigen Moment aufgehalten zu haben. Ertappt seufzte ich, dachte jedoch nicht einmal daran die Flüssigkeit wieder laufen zu lassen. Sie schloss die Tür und kam näher, schien sich aber umzuschauen. "Wo ist denn dein Papa?" Ich zuckte nur mit den Schultern und meine Stimmung kippte augenblicklich wieder. "Hm okay. Vorhin war er noch da. Der kommt bestimmt gleich wieder", versuchte sie mich aufzumuntern. Ich warf ihr ein halbherziges Lächeln zu und schluckte meine aufkommende Wut runter. Immerhin war es nicht nur ein Traum, sondern der Beweis, dass er wirklich da war. Doch ich war sauer, dass er anscheinend schon wieder wichtigeres zu tun hatte. Tabea wollte gerade wieder ansetzen zum Reden, als sich die Tür wieder öffnete. Wenn man vom Teufel spricht. Mein Vater betrat das Zimmer und stopfte sein Telefon in seine Hosentasche. "Ah Sie sind auch wieder da! Super, dann können wir ja jetzt einmal alles kurz besprechen. Rohde mein Name, wir hatten schon einmal ganz kurz gesprochen", stellte Tabea sich vor und faltete ihre Hände vor ihrem Körper als würde sie beten. Mein Vater nickte und seine Hände verschwanden wie sein Handy zuvor ebenfalls in seinen Hosentaschen. Genauso lässig wie er dort stand, redete er auch: "Sorry, ich musste noch was klären. Viel zu tun momentan - die Arbeit schläft ja bekanntlich nie" Doch ich wusste, dass er längst nicht so entspannt war wie er wirkte. Er tat als wäre nichts passiert, als wären wir nicht in einem Krankenhaus. Er klang als würde er nem Kumpel erklären warum er so beschäftigt wäre und deshalb nicht mit in die Bar kommen könnte. "Ist ja kein Problem! Also ich hatte ja schon ganz kurz einmal erklärt was passiert ist. Die OP ist aber gut verlaufen und auch sonst gab es eigentlich keine Probleme oder Schwierigkeiten. Ihre Tochter wird noch einige Tage zur Überwachung hier bleiben müssen und - " Tabeas Rede wurde von dem Klingeln des Handys meines Vaters unterbrochen. "Sorry", sagte er und sofort hörte Tabea auf zu reden. Er zog es zügig aus der Tasche und starrte auf den Display. Er atmete laut aus, sah uns entschuldigend an und sagte schließlich: "Wieder die Arbeit. Wenn Sie mich kurz entschuldigen würden, das ist echt wichtig, da muss ich ran." Tabea schien genauso verwirrt zu sein wie ich und wusste nicht so ganz wie sie reagieren sollte, doch als sie dann die richtigen Worte gefunden zu haben schien, war mein Vater schon längst nicht mehr im Raum. Sie zeigte Richtung Tür und schaute mich nun an. Auf ihrer Stirn lag eine tiefe Denkfalte und an ihren hochgezogenen Augenbrauen und dem offenen Mund erkannte ich, dass sie etwas überrascht war. Ich war viel mehr gekränkt. Dass seine Arbeit wichtig war und mich schon oft hintenangestellt hatte, wusste ich, aber dass sie sogar in einer solchen Situation wichtiger war, verletzte mich doch. Es machte mich wütend und gleichzeitig sammelten sich Tränen in meinen Augen. Augenblick kam Tabea zu mir und setzte sich seitlich auf mein Bett. War ich meinem Vater wirklich so unwichtig?

ASDS - to know you is to love you 🦋Where stories live. Discover now