Kapitel 19

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Emma

Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlug, konnte ich mein Glück immer noch kaum fassen. Ich lag neben Wincent, er schaute mich an und je länger ich ihn ansah, desto feuchter wurden seine Augen. Ich rutschte näher zu ihm und kuschelte mich an seine Brust. „Hey, was is denn?", flüsterte ich. Er atmete tief ein und aus. „Ach...ich bin nur so froh, dass ich offensichtlich nicht geträumt hab...dass du da bist...nichts wollte ich mehr die ganze Zeit...", murmelte er und küsste mich auf den Kopf. „Natürlich bin ich da...", antwortete ich und musste selbst meine Tränen runterschlucken. Ich stütze mich hoch, bis ich ihn besser ansehen konnte. „Ich geh nie mehr weg, das versprech ich dir", flüsterte ich, bevor ich ihn küsste. Trotzdem gab es noch Einiges zu reden und irgendwie taten wir das genau in diesem Moment. „Es tut mir leid, dass ich einfach gegangen bin und dich überall blockiert hab", fing ich an und redete mir alles, von der Seele, was mich die letzten Monate so belastete. Ich ließ auch die Sache mit Felix nicht aus- er wusste davon und ich musste zugeben, dass ich mich in der Hinsicht echt scheiße benommen hatte. Dass ich echt unfair gehandelt hatte, was eigentlich nie meine Art war. „Er hat mich einfach abgelenkt...und ich dachte ja ich könnte ihn lieben", verteidigte ich mich. Wincent hörte zu und nickte und als ich fertig war mit meinem Redeschwall, ließ ich auch ihn mal zu Wort kommen. 

„Es tut mir leid, dass ich dich so verletzt hab letztes Jahr...das war irgendwie der Anfang vom Ende...ich weiß nicht, was mich da geritten hat wieder zu Yvonne zurück zugehen. Ich dachte wohl ich könnte mein altes Leben wieder haben...dabei hattest du mich da schon völlig umgehauen. Aber ich dachte immer wieder an unseren Deal, wollte dich lieber so als gar nicht, und hab deswegen einfach so getan, als wär da nix. Blöd, oder?", versuchte er zu witzeln. Aber das Thema war zu ernst. „Ich wollte dir nach dem Abschlusskonzert endlich reinen Wein einschenken", murmelte er und ich starrte ihn an. 

„Du wolltest was?", fragte ich nach. Er nickte nur. „Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen, weil ich mir sicher war, dir endlich zu sagen, dass ich dich liebe, und dann warst du weg...", er wurde zum Ende immer leise und ich merkte, wie er mit seinen Emotionen kämpfte. Das wusste ich ja nicht, woher auch? Ich konnte nichts darauf sagen... Ich fühlte mich nur noch schlechter, dass ich ihn so hatte stehen lassen. „Scheiße....", sagte ich nur. Und ich war zu Felix gegangen. Ich schlug mir gedanklich die Hand gegen die Stirn. „Und Emma?", holte mich Wincent aus meinen Gedanken. „Wo wir schon bei Ehrlichkeit sind...ich muss dir noch was sagen...", redete er weiter. Was sollte jetzt noch kommen? „Ich hab gesoffen...viel...und ich hab kurzfristig mal Tabletten genommen, um einigermaßen in der Spur zu bleiben", gab er zu und sah mir dabei die ganze Zeit in die Augen. 

„Du hast was?", fragte ich entsetzt nach, obwohl ich ihn genau verstanden hatte. Ich setzte mich auf und wickelte die Decke um meinen Oberkörper. Er schaffte es, dass ich mich noch beschissener fühlte, als eh schon. Er hatte ernsthaft wegen mir getrunken und das so exzessiv, dass er offenbar keinen Tropfen mehr anrühren konnte. „Willst du mich verarschen?", schrie ich ihn an. „Warum sagst du mir sowas?" Mittlerweile heulte ich schon wieder. Ich war völlig überfordert. Ich war Schuld daran, dass er beinahe, oder komplett, abhängig wurde? Was bin ich nur für ein Mensch? „Hey...Emma...", hörte ich Wincents sanfte Stimme neben mir, bevor er mich fest in den Arm nahm. „Das ist vorbei, okay? Ich komm klar...", sagte er immer wieder und küsste mich auf den Kopf. Irgendwann sah ich ihn wieder an. „Wie kannst du mich lieben, nach dieser ganzen Scheiße?", fragte ich nach.

Wincent seufzte...und lächelte. „Weil ich das schon die ganze Zeit tue. Weil du die tollste Frau bist, die ich jemals kennengelernt hab, und ich mir niemand Besseren an meiner Seite vorstellen kann. Weil du mein Anker bist und weil ich mit dir alles schaffe, auch das. Weil du hinter mir stehst ohne etwas von mir zu erwarten. Das wurde mir zwar erst klar, als du weg warst, aber ich hab nie aufgehört an dich zu denken", sagte er sanft. „Und eigentlich hab ich auch nicht wegen dir gesoffen, sondern weil ich mit mir selbst nicht mehr klar kam. Ich bin in Selbstmitleid ertrunken und wusste nicht, wie ich mit all dem Schmerz umgehen sollte", gab er zu. Und, wow, ich hatte ihn noch nie so gehört. „Ganz schön viele ehrliche Worte...", murmelte ich. Und ich Idiot hatte mich in die Sache mit Felix gestürzt, um mich von Wincent abzulenken- grandios. „Ich muss zugeben, dass ich auch nie aufgehört hab an dich zu denken...", gestand ich ihm. Ich wusste er würde das scheiße finden, dass ich mich mit einem Anderen abgelenkt hatte. Mein schlechtes Gewissen frass mich fast auf. „Wir haben beide Fehler gemacht...", hörte ich Wincent sagen. „Wir müssen einfach nur miteinander reden und das abhaken...". Ich sah ihn an und er lächelte. Er war bereit, das hinter sich zu lassen. War ich das auch? „Ich liebe dich", sagte ich immer und immer wieder. Für all die Zeit, die ich es ihm nicht sagen konnte. Lächelnd schloss er mich in seine Arme. „Ganz schön viele Emotionen an diesem frühen Morgen", murmelte er. Sowas von. 

Wir lagen noch eine ganze Weile in der Stille, bis ich es nicht mehr aushalten konnte. Ich schoss hoch und sah ihn an. „Joggen?", fragte ich. Das hatte uns früher immer runtergebracht. Wincent schmunzelte. „Ich glaub ich bin konditionell ziemlich am Arsch, aber für dich reichts", witzelte er. Ich stand bereits vor dem Bett bereit mich anzuziehen. „Du bist ein Idiot, echt", erwiderte ich und bewarf ihn mit meinem Shirt, „ich hab ziemlich hart trainiert". Wincent kuschelte sich an meinen Rücken und legte seine Arme um mich. „Ich weiß...sieht man...und du bewegst dich ganz anders...", stellte er fest. Ich schlüpfte in meine Sportleggings und band meine Haare zusammen. „Ich hab außerdem mit Yoga angefangen", erzählte ich und ich war mir sicher, er würde das total bescheuert finden- und so war es auch. „Yoga? Und, hast du dich jetzt selbst gefunden?", witzelte er. Seufzend zog ich mein Shirt über und öffnete die Zimmertür. „Ich wär sonst wahrscheinlich nicht hier, also solltest du dich gar nicht so lustig machen, mein Freund", entgegnete ich. Er blieb stumm und folgte mir nach unten. 

Die Crew saß bereits bei ihrem ersten Kaffee vor dem Bus und musterte uns. „Moin", sagten wir in die Runde. „Was habt ihr denn vor?", fragte Amelie, als würde man uns das nicht ansehen. „Joggen", erwiderte Wincent und hielt mir eine Flasche Wasser hin. „Habt ihr euch letzte Nacht nicht genug ausgepowert?", stichelte Manni und wenn alle lachten, musste ich das automatisch auch. „Leider tut es uns überhaupt nicht leid, wenn wir Ihre Nachtruhe gestört haben, alter Mann", konterte ich. Kopfschüttelnd nahm Wincent meine Hand und zog mich hinter sich her und von dem Gelände. „Wie machst du das nur? Dass dir immer ein blöder Spruch einfällt?", lachte er. Ich zuckte mit den Schulter, manchmal war mein Mund auch einfach schneller als mein Hirn. 

Wir liefen in gemäßigtem Tempo, weil er tatsächlich ziemlich unfit war, musste ich zugeben, aber das war mir egal. Hauptsache Kopf- frei- Kriegen, mit ihm. Aber langsam nervten mich seine ständigen Stopps wegen angeblich offener Schnürsenkel. „Komm schon, Wince, was is los mit dir?", jammerte ich und ging auf ihn zu. Als ich knapp vor ihm stand, richtete er sich urplötzlich auf und zog mich zu sich. „Zu lange her...", murmelte er und drückte mir seine Lippen auf meine. Wir würden ewig brauchen, wenn wir alle zehn Minuten in eine Knutscherei verfallen würde, aber ehrlich gestanden war mir das egal. Und mir war auch egal, dass uns jemand sehen könnte. Ich wollte am liebsten in die ganze Welt hinaus schreien, dass ich zu ihm gehöre. 

Nur mit DirWhere stories live. Discover now