Unklarheiten

790 49 10
                                    

Mit langsam Schritten betrat ich den mir so vertrauten Eingangsbereich und ich spürte direkt, wie sich etwas in mir veränderte. Ich war Zuhause. Nach all den schrecklichen Wochen, vielleicht sogar Monaten, war ich endlich wieder Zuhause und dieses ganze Chaos war nun vorbei. Mein Weg führte mich aus dem Eingangsbereich heraus in das Wohnzimmer. Es sah alles noch genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Es hatte sich nichts verändert. Nicht mal ein bisschen. Nur das helle weiß außerhalb der Fenstern, ließ ein seltsames Licht in die Zimmer fallen.

Die Last, die ich in all der Zeit mit mir herum getragen hatte, schien nun langsam von mir ab zu fallen. Es war vorbei. Dass es dafür keine verständliche Erklärung gab, ignorierte ich in diesem Moment so gut wie nur irgend möglich. Ich hoffte nicht nur, dass all das nun ein Ende hatte. Ich glaubte es auch. Welcher Grund auch immer Lucifer zu dieser Entscheidung bewegt hatte, ich hatte mein altes Leben zurück. Alles andere konnte mir jetzt egal sein. Ich verließ das Wohnzimmer und betrat die Küche, in der auch alles genau so aussah, wie an dem Tag, an dem Lucifer mich mitgenommen hatte. Als hätte es die Zeit dazwischen nicht gegeben. Als hätte Lucifer.. nie existiert.

„Du solltest dich ausruhen, Elodie. Soll ich dir einen Tee machen?" Diese raue Stimme, die ich eigentlich erwartet hatte, nie wieder hören zu müssen, kam nun von einer Stelle direkt hinter mir. Ich hätte denken können, dass ich mir das nur einbildete. Doch ich hatte mich mal wieder getäuscht. Wie konnte ich so leichtgläubig denken, dass Lucifer mich nicht einfach so in Ruhe ließ? Doch jede seiner Handlungen war anders, als ich sie in Erinnerung hatte. Irgendetwas stimmte gewaltig nicht mit ihm.

„Du kannst dir den Tee sonst wo hinstecken, Lucifer. Was soll das alles?" meine Stimme klang gereizt und ich drehte mich mit einem eisigen Blick zu ihm um. Mit diesen ganzen Unklarheiten, entstand nur noch mehr Chaos in meinem Kopf. „Ich weiß nicht was du meinst, Elli." Ohne meine Aussage zu beachten, trat er näher zu mir, nur um in dem Regal neben mir, eine Tasse sowie Tee herauszuholen. Kurz darauf füllte er den Wasserkocher und stellte diesen an. Als wäre er die Ruhe selbst. Nichts erinnerte an den Lucifer, der mich vor der Hinfahrt so seltsam behandelt hatte. Dennoch war auch sein jetziges Verhalten nicht gerade das, was ich von ihm kannte.

„Nenn mich nicht Elli und du weißt ganz genau was ich meine. Warum bin ich hier?" Es musste einen Grund geben, warum ich hier war. Ganz sicher nicht einfach so, weil Lucifer das für eine richtige Entscheidung hielt. Das war nicht typisch für ihn. Luc drehte sich schließlich zu mir um und musterte mich einen Moment, begann dann aber leicht zu schmunzeln. „Du wolltest nach Hause und hier bist du. Kannst du nicht einfach froh darüber sein?" Ich wollte etwas darauf antworten, doch das Schmunzeln auf seinen Lippen, ließ die altbekannte Wut langsam wieder in mir hochkochen. Machte er sich etwa lustig über mich?

„Du solltest dich wirklich ausruhen. So viel Anstrengung ist nicht gut für dich." Obwohl mir diese Aussage beinahe den letzten Nerv raubte, musste ich zugeben, dass er Recht hatte. Selbst diese kurze Autofahrt hatte sich angefühlt, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Es machte mich nur noch wütender, zu wissen, dass er Recht hatte. „Geh ins Wohnzimmer und leg dich hin. Ich komme gleich nach." Ich schüttelte allerdings nur fassungslos den Kopf. „Lucifer, jetzt mal im Ernst. Was soll das Ganze? Wo ist Raphael?"

Das Schmunzeln auf Lucifers Lippen verschwand genauso schnell wie es aufgetaucht war, ehe er sich wieder dem Wasserkocher zu wandte, in dem das Wasser bereits zu kochen begann. „Alles zu seiner Zeit, Elodie. Du bist im Augenblick nicht in der Verfassung, um das zu verstehen." Daraufhin schwieg ich erstmal und versuchte, diese Wort einfach an mir vorbeiziehen zu lassen. Was dachte er eigentlich wer er war? Er verhielt sich wirklich wie ein Arschloch. Sogar dieser bösartige Lucifer wäre mir in diesem Augenblick lieber, als diese Person vor mir, die ich einfach nicht verstand. Ich wollte doch nur eine Antwort. So schwer konnte das doch nicht sein.

Ich wandte mich allerdings von ihm ab und schlug nun doch den Weg Richtung Wohnzimmer ein. Niemals würde ich ihm gestehen, dass er damit Recht hatte, doch meine anfängliche Kraft verließ mich schneller als mir lieb war. Es würde nur nicht so sehr auffallen, wenn ich auf dem Sofa saß. Da musste ich mich eindeutig weniger anstrengen. Lucifer ließ mich gehen und blieb einfach in der Küche zurück. Von meinem Platz auf dem Sofa, hatte ich ihn allerdings gut im Auge.

Nur wenige Minuten später, folgte er meinem Weg und betrat mit der Tasse in seinen Händen das Wohnzimmer. Ich beobachtete ihn allerdings nur skeptisch und nahm die Tasse mit einer gewissen Vorsicht entgegen. Er sollte mir bloß nicht zu nahe kommen. Sonst konnte ich nicht dafür garantieren, dass dieser Tee nicht in seinem Gesicht landete. Er selbst ließ sich anschließend auf einem der anderen Sofas nieder. Als hätte er gewusst, dass er mir lieber aus dem Weg gehen sollte. „Ist das hier wirklich die Erde oder irgendein bescheuertes Paralleluniversum?" fragte ich leise, doch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit in der Stimme.

Wieder trat dieses leichte Schmunzeln auf Lucifers Lippen, als ich diese Worte von mir gab. „Natürlich ist das hier die Erde, Elodie. Wie kommst du auf diese schwachsinnige Idee?" stellte er als Gegenfrage und ich schwieg für einen kurzen Augenblick. Wie erklärte man einem Verrückten, dass er verrückt sei. Eine eher schwierige Aufgabe, der ich mich aber nun selbst würde stellen müssen. „Du verhältst dich seltsam, Lucifer. Warum bist du so nett zu mir?"

„Ich denke nett ist etwas übertrieben, findest du nicht?" stellte er jedoch wieder als Gegenfrage und deutete dann auf den Tee. „Du solltest ihn trinken, solange er noch warm ist." Ich begutachtete den Tee in meinen Händen jedoch nur misstrauisch. Man konnte ja schließlich nie wissen, was Lucifer alles dort hinein gemischt haben könnte. „Erst, wenn du mir erklärst, was das alles soll? Warum bin ich hier und wo ist Raphael, geschweige denn die anderen Engel? Sie können doch nicht einfach so verschwunden sein." Lucifer lehnte sich auf dem Sofa etwas zurück und ich sah in seinem Gesichtsausdruck, dass er über etwas nachdachte.

Es war seltsam, solche Gedankengänge in seinem Gesicht ablesen zu können. Normalerweise verbarg er das ganz gut unter seinem feurigen Blick. „Es wäre mir lieber, wenn wir Raphael nicht in dieses Gespräch mit einbeziehen. Das hat sich erledigt." Gab er schließlich als Antwort von sich. Eine Antwort, die ich nicht hören wollte. „Warum? Wo ist er hin?" Lucifer wandte den Blick wieder von mir ab und ich konnte sehen, wie sein nachdenklicher Gesichtsausdruck einen Hauch von Gereiztheit annahm. „Hast du mir eben nicht zugehört, Elodie? Es gibt keinen Grund, über ihn zu sprechen."

„Dann hast du mich wohl nicht richtig verstanden, Lucifer. Du bist mir völlig egal aber dass Raphael nicht mehr hier ist, dass.." ich schüttelte langsam den Kopf, unfähig die vielen Gedanken in meinem Kopf richtig zu deuten. „er würde nicht einfach so verschwinden. Nicht ohne es mir zu erklären." Die Gereiztheit in Lucifers Blick nahm zu, doch das war mir gleichgültig. Ich wollte endlich eine Erklärung für all das und wenn ich ihn dafür bis zu Weißglut bringen musste.

„Elodie, lass.." „Nein, Lucifer. Seit heute Morgen versteh ich gar nichts mehr. Alle sind weg außer dir und dafür hätte ich verdammt nochmal gerne eine Erklärung!" meine Stimme wurde um Einiges lauter, doch auch dies war mir egal. Lucifer, der wohl nicht mehr ganz die Ruhe selbst war, erhob sich von seinem Platz und trat bis auf ein paar wenige Schritte zu mir heran. „Ich hatte bereits erwähnt, dass du mich nicht anschreien sollst. Warum tust du es dennoch?" seine Stimme war zwar ruhig, doch ich konnte das Feuer in seinen Augen wahrlich Funken spüren sehen.

„Weiles mir egal ist, was du tust. Ich möchte nur diese eine Erklärung, alles andereist mir völlig egal! Warum verstehst du das nicht?" fauchte ich ihmregelrecht entgegen, wobei ich wusste, dass ich damit alles nur noch schlimmer machte.„Weißt du Lucifer, er war das, was du niemals sein wirst. Er war meinbester Freund, er hat auf mich aufgepasst und nach diesem Brief dachte ich.."Wieder schüttelte ich den Kopf „Er hätte mich nicht einfach so alleinegelassen. Du weißt warum er weg ist, warum erklärst du es mir nicht einfach?"Die sich steigernde Wut in Lucifers Augen, löste sich urplötzlich in Luft auf.Ich sah in seinen Augen, wie die Flammen darin verschwanden und ein stilles Rotdarin zurückließen. Dann wandte sich Lucifer plötzlich von mir ab undvergrößerte wieder die Distanz zwischen uns. „Der Brief war nicht von Raphael,Elodie. Er war von mir."

Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now