Wie der Vater, so der Sohn

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P.o.V. Lucifer

Sie war wirklich weg.

Nachdem Elodie regelrecht blindlinks aus dem Thronsaal gestürmt war, hatte ich beschlossen, ihr zu folgen. Sie konnte schließlich nicht einfach unbedacht eine Entscheidung treffen, die auch für uns und diesen gesamten Ort hier Auswirkungen haben könnte. Ich hatte in jedem Winkel dieses Schlosses nach ihr gesucht. Es gab nicht viele Orte, die sie hier kannte und dennoch konnte ich sie nicht finden. Doch auch Zane hatte ich seitdem nicht mehr gesehen. Allein das, war bereits ein Anzeichen dafür, dass er sie womöglich nach Hause gebracht hatte. Ohne mit mir darüber zu sprechen.

„Du verseuchtes Arschloch, wie konntest du nur?!" schallte plötzlich eine nicht gerade erfreut klingende Stimme durch den Thronsaal, in den ich mich wieder begeben hatte, nachdem meine Suche mit einer kläglichen Enttäuschung geendet hatte. „Ich weiß nicht wovon du sprichst, Bruder." Gab ich nur unbeeindruckt von mir, während ich ihm von meinem Platz auf dem Thron zusah, wie er mit großen Schritten näher kam. „Was hast du mit Vater gemacht??" Zane war nun direkt vor mir zum Stehen gekommen und starrte mir mit seinen glühend roten Augen hasserfüllt entgegen.

„Ich habe verhindert, dass Elodie weiterhin wegen ihm leiden muss. Sie hatte es hier schließlich schon schwer genug." Erklärte ich ihm völlig sachlich, während ich diesen Dolch in meinen Händen begutachtete. Es überraschte mich immer wieder, wie schnell man mit einem einzigen Gegenstand, das Leben von unzähligen Menschen zerstören konnte. „Das ist aber kein Grund, ihn umzubringen, Lucifer! Du bist doch vollkommen verrückt." Es war nur ein Hauch von Trauer, der in Zane's Blick zu sehen war. Die Wut auf mich, dies getan zu haben, war deutlich größer.

Mit einem kurzen Seufzen erhob ich mich von meinem Platz und befand mich somit auf gleicher Höhe wie er. Das Rot in meinen Augen musste nun aber noch dunkler sein, als es zuvor schon war. Bedrohlicher, selbst wenn ich hier meinem eigenen Bruder gegenüberstand. Ich war immer der jüngere Bruder gewesen und jetzt war ich das erste Mal in meinem Leben derjenige, der die größere Macht hatte. Zane wusste das, auch wenn er es mir gegenüber nicht zeigen wollte. „Ich lasse nicht zu, dass Elodie weiterhin wehgetan wird. Da ist es mir auch egal, wenn ich dafür Vater aus dem Weg schaffen musste. Er war ein Monster."

In Zanes Augen schien es für einen kurzen Moment zu flackern, als wäre er sich nicht sicher, ob er sich weiterhin auf diese Weise gegen mich stellen sollte. Dann trat er allerdings nach einem kurzen Nicken ein paar Schritte zurück. „Ich verstehe." Zane war auch immer derjenige gewesen, der von unserem Vater am besten behandelt wurde. Er würde nicht nachvollziehen können, warum ich nicht genauso traurig über seinen Tod war, wie er. Rückgängig machen, konnte man es schließlich auch nicht mehr.

„Sie ist Zuhause, oder?" Ich wechselte schlagartig das Thema, bevor Zane noch auf die Idee kommen konnte, sich weiterhin über meine Tat zu beklagen. „Hättest du sie gehen lassen?" stellte er mir jedoch als Gegenfrage und blickte mir dabei etwas ernster entgegen. Das war leider eine Frage, die ich mir selbst schon oft genug gestellt hatte, seitdem sie wieder in der Hölle gewesen war. „Ich habe ihr versprochen, sie gehen zu lassen." Gab ich von mir, was als Antwort eigentlich genügen müsste. Zane gab sich damit aber nicht zufrieden.

„Das ist keine Antwort auf diese Frage, Luc. Hättest du sie zurück nach Hause gebracht, wenn sie dich darum gebeten hätte?" Das Zögern meinerseits war für ihn dann wohl doch Antwort genug. „Dann bist du nicht besser, als Vater es damals war." Solch einen Satz zu hören, in Bezug auf Elodie, machte mich wütend. Ich war nicht wie Vater. Vielleicht wollte ich damals so sein wie er, doch diese Zeiten waren vorbei. Ich wusste, was meine Aufgabe war und auch, was ich wollte. Zane hatte es jedoch genau angesprochen: Ich hätte Elodie nicht nach Hause gebracht, selbst wenn sie mich auf Knien darum angefleht hätte.

„Ich gehe stark davon aus, dass sie dich nie wieder sehen möchte. Es wäre also klug, sie einfach zu vergessen. Sie sollte ihr Leben so weiterleben, wie sie es sich von Anfang an gewünscht hat." Fauchte Zane mir regelrecht entgegen, was meine Stimmung nicht gerade aufhellte. „Du solltest gehen, Zane. Andromalius braucht vermutlich deine Hilfe." Auf solch eine Diskussion würde ich mich nicht einlassen. Nicht hier und nicht heute. Selbst wenn ich Elodie nicht hätte gehen lassen, war ich nun doch ganz froh darüber, dass sie ihren Seelenfrieden wiederfinden würde. Sie hatte die Personen, die ihr am wichtigsten waren, wieder an ihrer Seite. Nur auf diese Weise, hätte ich ihr das geben können, was sie wirklich brauchte.

Zane verließ daraufhin mit einem durchaus gereiztem Schnauben den Thronsaal und ließ mich somit wieder alleine in dieser Stille zurück. Es kam mir seltsam vor, diesen Saal in vollkommener Stille zu erleben. Als hätte ich völlig andere Erinnerungen an diesen Raum. Ich ließ mich wieder zurück auf meinen Thron sinken und konnte dabei nicht verhindern, dass das Gesagte von eben noch einem in meinen Gedanken erschien. Dass Elodie ihr Leben weiterleben konnte, wie sie es wollte, war nicht die ganze Wahrheit. Nachdem sie nun die Königin der Hölle war, würde es kein 'normal' mehr für sie geben. Sie hatte sich auf eine Weise verändert, die es ihr nicht vollends möglich machen würde, ihr Leben so weiterzuführen, wie zuvor.

Es war ein seltsamer Wunsch, doch ich hätte gerne gesehen, wie Elodie zurück nach Hause kam. Wie sie reagieren würde. Wer vielleicht dort war, um sie zu empfangen. Doch das war mir nicht möglich. Nur dieses verdammte Himmelreich war in der Lage, direkten Blick auf die menschliche Welt zu erhalten. Die Hölle hingegen konnte dies nur, wenn jemand persönlich eine Reise dorthin anstrebte. Ansonsten blieb uns diese Welt verborgen. Elodies Exfreund war lediglich hier gelandet, weil ich in dieser kurzen Zeit, in der sie geschlafen hatte, nach ihm gesucht und ihn mit eigenen Händen in dieses Loch befördert hatte. Kurz darauf habe ich die Tat meines Vater erkannt und auch ihn, ohne groß Nachzudenken, beseitigt.

Es musste grauenhaft für Elodie gewesen sein, als sich mein Vater in ihren Kopf gepflanzt und sich durch ihre Gedanken gewühlt haben musste, wie ein Maulwurf. Im Hervorrufen von Albträumen war er wirklich grausam. Vermutlich war Elodie aus diesem Grund zu mir gekommen, unwissend, dass ich bereits von seiner Tat wusste. Sie war so unschuldig. Nichts was ihr geschehen war, war ihr eigenes Verschulden. Es war nur eine Reihe von Problemen und Ereignissen, die sich zu dem Menschen gemacht hatten, der sie nun war. Es hätte keine Rolle gespielt, auf welche Weise sie irgendwann gestorben wäre, ihr Platz wäre letztendlich im Himmel gewesen.

Mit diesen Gedanken verbrachte ich den gesamten restlichen Tag. Es gab zu diesem Augenblick nichts anderes, was mehr Aufmerksamkeit von mir bekam. Zane ließ sich ebenfalls nicht mehr blicken. Ich war ganz froh darüber, dass wir uns erstmal aus dem Weg gingen. Es würde schließlich noch genug Momente in diesem langen Leben geben, in denen wir uns begegnen würden. Besonders, da wir nun nur noch zu zwei hier lebten. Unsere Eltern waren tot und Levia hatte diese Welt aufgegeben. Aus Gründen, die ich mit einem wütenden, als auch mit einem verzeihenden Auge betrachten konnte. Wir waren wirklich eine schräge Familie.

Doch im Laufe dieser Stunden wurde mir immer mehr bewusst, wie still es eigentlich innerhalb dieser Mauern war. Eine seltsam bedrückende Stille, die mir in all den Jahren zuvor noch nie so stark aufgefallen war. Vielleicht hatte ich mich auch zu sehr an Elodies Anwesenheit gewöhnt, die immer etwas fand, worüber sie sich beklagen konnte. Selbst in ihrer Welt war dies der Fall. Jetzt war sie nicht mehr hier und es blieb nur noch diese Stille. Eine Stille, die mich vermutlich für die nächsten hundert Jahre begleiten würde.

DassElodie jemals zurückkommen würde, war ein vollkommen abstrakter Gedanke. Siewar ein wenig verrückt und gelegentlich auch mal verzweifelt. Aber ohne einenwirklichen Grund in die Hölle zurückzukehren, nach allem was hier passiertwar.. das würde sie nicht tun. In den Monaten die wir uns nun kannten, mehr oderweniger, hatte ich immerhin diese Sache von ihr gelernt. Wenn etwas passierte,das ihr emotional viel abverlangte, war sie ein Naturtalent darin, damitabzuschließen und im besten Fall nie wieder auch nur annähernd daran zu denken. 

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt