Stille Gedanken

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Raphael verschwand schließlich auch. Allerdings wie jeder andere Mensch, laufend durch die Tür. Doch nicht ohne zu erwähnen, dass er bereits meinen Rückflug organisiert hatte und auch mit den anderen Leuten vom Shooting-Team alles abgeklärt war. Komischerweise hatten sich  weder sie, noch Chloe oder Haley bei mir gemeldet. Generell war ich im Augenblick einfach viel zu überfordert mit allem. Das, was ich gesehen hatte, war so übernatürlich, dass ich es einfach nicht glauben konnte. Doch es musste real gewesen sein. So etwas halluzinierte man doch nicht!

Ich verbrachte den restlichen Tag überwiegend schlafend, da mein Körper sich nach diesem Zusammenbruch einfach nicht wieder erholen wollte. Vermutlich hatte ich solch einen Moment gebraucht, um zu merken, was ich mir jeden Tag antat. Ich lebte für meine Arbeit. Genau aus dem Grund verfluchte ich Raphael dafür, mich einfach nach Hause zu schicken. Ich war schließlich kein Kind mehr und konnte selbst entscheiden was ich tat. Doch im Inneren wusste ich, dass es das Richtige war.

Gegen 8 Uhr am nächsten Morgen packte ich also wieder meine Sachen in den Koffer und suchte alle meine Habseligkeiten zusammen, damit ich auch ja nichts hier vergaß. Besonders nicht mein Handy. Meine Gedanken rasten noch immer wie in einem Tornado in meinem Kopf, doch ich versuchte mich durch das ordentliche Einpacken und Aufräumen von den Gedanken an Luc, Raphael und all die anderen, abzulenken. Dafür hatte ich in diesem Moment einfach keinen Nerv. Auch das Croissant welches am Morgen auf dem Nachttisch gelegen hatte, hatte ich ohne groß Nachzudenken hinunter geschlungen. Ich wollte doch einfach nur mein normales Leben zurück!

Die nächsten Stunden durchlebte ich schon fast wie in Trance. Ich schottete mich von meinen Gedanken ab, so wie ich es schon früher immer getan hatte und landete schließlich nach vielen Stunden des Fliegens auf meinem Heimatflughafen. Ich schnappte mir direkt mein Gepäck und verließ auf schnellstem Wege den Flughafen. Ich war ganz froh darüber, dass weder Luc noch Raphael oder sonst jemand von diesen seltsamen Menschen plötzlich auftauchte. Das konnte ich jetzt absolut nicht gebrauchen.

Amanda wartete bereits mit meinem Wagen vor dem Eingang und beschwerte sich auch nicht, als ich wortlos einstieg. Ich hatte ihr zuvor bereits geschrieben, dass ich nicht gerade in Erzähl-Laune war. Dass ich früher zurückkam als geplant, hatte ihr bereits einen Hinweis darauf gegeben, dass nicht alles so gelaufen sein musste, wie ich es mir vorgestellt hatte. Sie fragte netterweise auch nicht weiter nach, sondern fuhr schweigend mit mir auf dem Beifahrersitz zurück zur Villa.

Erst als wir an der Villa anhielten wandte sich Amanda mir zu, ihr Blick war fragend. Verständlich. Es musste verwirrend sein, dass ich so plötzlich zurückkam. Ich konnte ihr nicht einmal erklären, was da alles vorgefallen war. Sie würde mich bestimmt für verrückt halten. „Elodie.. Ms. .. was ist dort passiert? Sie müssen mit mir darüber sprechen. Von mir aus auch mit jemand anderem aber reden sie endlich mit jemandem. Sie sehen doch selbst, dass ihnen das zu viel wird."

Ich gab ihr nur ein Nicken als Antwort, als Zeichen, dass ich ihre Worte verstanden hatte. Dann stieg ich aus und nahm meinen Koffer aus dem Kofferraum. Auch Amanda stieg aus, schien mich dann aber nur besorgt zu beobachten. Mein Leben hatte so perfekt funktioniert. Alles hatte seinen genauen Ablauf gehabt und ich hatte endlich eine Routine darin aufbauen können. Aber nein .. dann kommt da so ein Mister Luc daher und bringt alles durcheinander. Er allein ist schuld, dass mir hier buchstäblich der Kopf platzt.

Wir betraten die Villa und ich war unglaublich erleichtert darüber, wieder in meiner gewohnten Umgebung zu sein. Auch wenn ich Bali wirklich schön fand und mir die Arbeit dort wirklich wichtig war, freute ich mich unheimlich über dieses Haus, in dem ich mich (wenn nötig) einfach einschließen konnte. Hier war ich sicher vor allem und jedem. Es war eben mein Zuhause. Der einzige Ort an dem ich, ich selbst sein konnte und wo mich niemand ungehindert stören konnte.

Mein fast schon festgefrorener starrer Gesichtsausdruck erhellte sich etwas, als ich ein bekanntes Geräusch näher kommen hörte. Das leise Tapsen kleiner Hundepfoten. Im nächsten Moment kam auch schon Tiago aus der Richtung meines Zimmers gerannt und kam erst kurz vor mir zum Stehen. So ein Hund war schon etwas Tolles. Wer brauchte denn schon einen Mann, wenn man einen Hund haben konnte? Beziehungen wurden überbewertet. „Ich mache das schon Ms. Ruhen sie sich aus." Meinte Amanda, nahm mir den Koffer ab und verschwand damit im Flur Richtung Schlafzimmer. Ich nickte nur leicht und widmete meine Aufmerksamkeit Tiago, um ihn erstmal ordentlich zu kraulen.

Es verging knapp eine Stunde, die ich daraufhin auf dem Sofa verbrachte, Tiago neben mir liegend, den ich nebenbei an den Ohren kraulte. Es war einer der Momente, in denen ich meine Gedanken nicht einfach wieder verdrängen konnte. Nicht bei solch einer Ruhe und ohne Ablenkung. Amanda wusste zwar, dass ich während dem Shooting zusammengebrochen war, doch die weiteren Details von Luc und Raphael wusste sie nicht. Darüber war ich auch ganz froh. Ich wusste ja selbst nicht mal genau, ob ich das was da passiert war, wirklich glauben konnte.

Luc's rot glühende Augen hatten mir einen riesen Schrecken eingejagt. Mit einem Mal kam er mir so gefährlich vor. So .. unberechenbar. Ich hatte diese roten Augen schon einmal bei ihm gesehen. Damals, als ich hier in genau diesem Raum, meinem Wohnzimmer, mit ihm über Chamuel gesprochen hatte. Langsam konnte ich verstehen, weshalb Chamuel, Raphael und auch Jophiel Luc nicht leiden konnten. Umso länger ich ihn kannte, desto seltsamer wurde er.

Sie hatten davon erzählt, dass Luc der Sohn des Teufels sei .. oder etwas in der Art. Ich hielt es anfangs für einen Scherz, was auch eigentlich nicht verwunderlich war. Doch dass selbst Raphael das glaubte und dann auch noch Luc's rote Augen .. vielleicht stimmte es ja wirklich.  Nur brachte das meine ganze Weltanschauung durcheinander. So etwas wie einen Teufel konnte es nicht geben. Zumal es komplett verrückt wäre, wenn sich der Teufel direkt unter den Menschen aufhalten würde. Ich meine .. in was für einer Welt leben wir denn hier? Wenn so etwas wirklich existieren sollte, dann gehört der Teufel in die Hölle und die Engel in den Himmel. Punkt.

„Tiago hilf mir .. ich drehe hier noch durch." Murmelte ich in die Richtung des Huskys, der mich jedoch nur mit dem gleichen scheinbar lächelnden Gesichtsausdruck anblickte, wie zuvor. Natürlich verstand er meine Worte nicht. So ein Hundeleben musste perfekt sein. Es gibt immer genug Essen, Bewegung und Spielspaß wenn man gerade Lust darauf hat. Kein Gerede von Teufeln, Engeln, der Hölle und so einem Schwachsinn. Ein Hund musste sich mit sowas nicht abgeben.

„Ich werde dann jetzt auch mal nach Hause gehen." Meinte Amanda, die ins Wohnzimmer trat und ich nickte ihr zu „Kein Problem, geh schon. Ich komme alleine zurecht." Amanda hatte sich diese letzten freien Tage auch noch verdient. Zumal es für sie ja auch so etwas wie ein Urlaub sein sollte. Sie bedankte sich noch schnell, verließ das Wohnzimmer und ich hörte kurz darauf auch schon das Öffnen und Schließen der Eingangstür. Jetzt war ich alleine. Alleine und vollkommen ausgeliefert an meine Gedanken. Ich hasste es.

Ich hasste solche Momente so sehr, dass ich irgendwann vom Sofa aufstand, in die Küche lief und den Kühlschrank öffnete. In der Hoffnung dort etwas zu finden, dass meine Gedanken vielleicht stilllegen konnte. Mein Blick fiel auf die angefangene Weinflasche und ich seufzte erleichtert auf. Betrinken wollte ich mich nicht. Ich würde nur so viel trinken, dass meine Gedanken nicht mehr so laut waren.

Wieder im Wohnzimmer angekommen, befüllte ich ein Weinglas und trank dieses schon fast in einem Zug leer. Das Brennen in meinem Hals ignorierte ich gekonnt. So verlief ungefähr eine halbe Stunde, als mich plötzlich das Klingeln der Haustür aus meiner, vor mich her starrenden, Trance riss. Meine Gedanken waren leiser geworden und ich spürte endlich wieder so etwas wie Ruhe in meinem Körper. Wer also störte mich jetzt?

Miteinem genervten Seufzen erhob ich mich und gab Tiago ein Zeichen, dass erliegen bleiben sollte. Ich konnte das schließlich alleine klären. So lief ichdann zur Haustür und zögerte einen Moment, bevor ich sie öffnete. Es fühltesich an, als würde mein Herz stehen bleiben, als ich die Person erblickte, dievor mir stand. Eine Person mit hellen, blonden Haaren und so strahlend blauen Augen,wie das Meer. 

Des Teufels KöniginWhere stories live. Discover now