Das Urteil

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„Was.. wie meinst du das?" fragte ich ihn leicht irritiert, doch er schüttelte nur kurz den Kopf. „Du wirst wieder besser schlafen können, das meine ich damit. Setz dich zu mir, Elodie." Er nickte in die Richtung des anderen Throns, der sich direkt neben dem Seinen befand. „Er gehört schließlich dir." Ich blieb erst skeptisch bei dieser Aufforderung. Es war ein seltsamer Gedanke, dass dieser Thron nun ein Teil meines Selbst war und mein neues Ich in einer Form widerspiegelte, die ich noch nicht vollkommen angenommen hatte. Doch ich überwand diesen Schatten der Skepsis, löste meine Hände aus Lucifers Griff und ließ mich nur einen Augenblick später auf diesem Thron nieder.

„Zane war der Meinung, dass ich nicht reinkommen soll.. warum?" fragte ich anschließend, um mich unter anderem von diesem verwirrenden Gefühl abzulenken. Lucifer konnte darauf nur mit einem Schmunzeln reagieren. „Ich wollte mich um die Aufgaben kümmern, die mir zugetragen wurden. Du solltest das nicht mitbekommen und im Normalfall hättest du jetzt seelenruhig in deinem Bett gelegen und geschlafen." Beantwortete er mir meine Frage. Doch wirklich schlau wurde ich daraus nicht. Die Aufgaben des Teufels waren mir schließlich nicht vollends bewusst. Es gab so viele Dinge, die ich über diesen Ort noch nicht wusste. Worum also ging es hier genau?

„Warum sollte ich das nicht mitbekommen?" fragte ich ihn aus genau diesem Grund und ich konnte in seinem Gesichtsausdruck erkennen, wie er mit sich rang. „Ich wollte dich davon fernhalten, Elodie. Das hier ist keine leichte Aufgabe. Selbst für mich." Fernhalten? Von was? Ich stand doch bereits mit einem Bein in meiner eigenen Welt. Lange würde es nicht dauern, bis Lucifer mich nach Hause bringen würde. Warum also versuchte er mich nun von dieser Aufgabe fernzuhalten, die ihn doch zu der Person machte, die er war? „Und dennoch bin ich hier." Gab ich zurück und er nickte nur langsam.

Er hatte keinen Versuch gewagt, mich von hier wegzuschicken. Aus diesem Raum, den ich laut Zane gar nicht erst betreten sollte. „Ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass du nicht gehen würdest, selbst wenn ich dich darum bitten würde." Eine Antwort, die mich kurz die Nase rümpfen ließ. Da hatte er sogar recht. Mit jedem Wort, welches er von sich gegeben hatte seitdem ich in diesem Raum war, hatte ich nur noch mehr Interesse an dieser Aufgabe entwickelt. Ich wollte wissen, was er hier tat. „Dann kratz mir bitte nicht die Augen aus, falls du mich danach doch dafür hasst, dich nicht weggeschickt zu haben."

Kurz nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, war das Geräusch der Flügeltür zu hören, als diese geöffnet wurde. In dieser Dunkelheit war es gar nicht so einfach etwas zu erkennen, weshalb ich erst nach dem Eintreten der Personen erkannte, wer sie waren. Die dunklen Wesen mit diesen vollkommen schwarzen Augen. Ich fand sie noch immer ziemlich gruselig, auch wenn sie mir nichts tun konnten. Ich blickte einmal zu Lucifer, der jedoch nur stumm und mit einem ausdruckslosen Blick auf dem Gesicht zu diesen Wesen sah. Als hätte es unser Gespräch von eben überhaupt nicht gegeben. Erst als ich ebenfalls wieder zu diesen sah, fiel mir auf, dass sie nicht alleine waren. Es befand sich noch eine weitere Person bei Ihnen, die regelrecht von diesen Wesen umgeben war. Da das Gesicht dieser Person jedoch aufgrund der Kapuze eines schwarzen Umhangs zum größten Teil verborgen wurde, konnte ich nicht sagen, wer oder was das war.

Lucifer drehte nun doch den Kopf in meine Richtung und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Ich verstand jedoch nicht ganz, wieso. Ohne ein Wort zu sagen, erhob sich Lucifer von seinem Platz und die Wesen blieben nur wenige Meter vor ihm stehen. „Madleen Davis." Schallte plötzlich Lucifers Stimme durch den Raum, deutlich dunkler, als ich es von ihm gewohnt war. Bei dem Klang seiner Stimme, fiel mir erst wieder ein, warum ich eigentlich auf der Suche nach ihm gewesen war. Doch dieser Augenblick schien nun eher unwichtig zu sein. Die Person, die diesen Namen wohl trug, hob nun langsam den Kopf und ich konnte unter dem leichten Schatten des Umhangs ein zartes weibliches Gesicht erkennen. Die Augen blieben mir allerdings vorerst verborgen.

„Ich gehe davon aus, dass du weißt, wer ich bin. Und auch, warum du hier bist." Lucifer trat näher an diese Person heran und ich konnte nur stumm dabei zusehen. Was genau passierte hier und wer war diese Person? Auf den Lippen dieses Mädchens, welches nur wenige Jahre jünger sein musste als ich, bildete sich ein schräges Grinsen. „Da musst du wohl etwas missverstanden haben." Lucifer schüttelte nur langsam den Kopf. „Lass mich dein Gedächtnis etwas auffrischen, Madleen .. ein paar simple Raumüberfälle, nichts Großes, nur wenige davon erfolgreich. Du wolltest mehr als das aber du wusstest, dass du versagt hast. Dann der Dreifachmord, darunter deine Eltern und deine kleine Schwester.."

Ich hielt für einen Augenblick den Atem an. Lucifer gab diese Worte mit solch einer Leichtigkeit von sich, als würde er von seinem nicht existenten Frühstück berichten. Auch wenn mein Bewusstsein noch nicht akzeptieren wollte, was hier vor sich ging, konnte ich mir dennoch ein sehr gutes Bild davon machen. Zwar wusste ich nicht, wer dieses Mädchen war, doch sie schien alles andere als ein netter Mensch gewesen zu sein. Der einzige Grund, weshalb sie wohl hier war. „Sie standen im Weg, was macht das schon für einen Unterschied. Du bist nur eine dämliche Halluzination." Gab dieses Mädchen in einem kurzzeitigen Lachen von sich. Nur einen Augenblick später, zog Lucifer ihr jedoch die Kapuze vom Kopf und die Augen dieses Mädchen kamen zum Vorschein. Anders als erwartet, blickte ich dabei auf ein grün-graues Augenpaar, welches regelrecht unschuldig aussah. Doch das Grinsen des Mädchens sagte etwas anderes.

„Hättest du das mit den Drogen bleiben lassen, wärst du jetzt vermutlich nicht hier. Du wirst dir noch wünschen, dass sie dein einziges Problem sein würden." Mehr brauchte Lucifer nicht zu sagen, um das Grinsen aus dem Gesicht dieses Mädchens verschwinden zu lassen. Vielleicht war sie 16, höchstens 18. So ganz genau konnte ich das nicht sagen. Doch angesichts der Tatsache, dass sie hier dem wahrhaftigen Teufel gegenüberstand, war sie eindeutig zu jung. Ich konnte eine kleine Bewegung von Lucifer feststellen, die mich auf eine böse Vorahnung schließen ließ. Nur einen winzigen Augenblick später durchbrach ein erschütternder Schrei diese Stille um uns herum und ich musste augenblicklich den Blick von ihnen abwenden.

Von welcher Aufgabe Lucifer gesprochen hatte, konnte ich mir nun selbst erklären. Als Teufel war es seine Pflicht, all die Menschen zu bestrafen, die sich über eine gewisse Grenze an Untaten, gewagt hatten. Ich hatte es mir jedoch anders vorgestellt und diese Situation nun mit eigenen Augen mitzuerleben, machte es nur noch schlimmer. Niemals würde ich in der Lage sein, solch eine Aufgabe selbst in die Tat umzusetzen. Lucifer wurde in solch eine Pflicht hineingeboren, doch ich würde niemals ein Teil davon sein. Das würde ich nicht aushalten. Als der Schrei verklungen war und ich meinen Kopf wieder zögernd in Lucifers Richtung drehte, musste ich feststellen, dass dieses Mädchen spurlos verschwunden war. Lediglich Lucifer stand noch dort, mit diesem seltsamen Dolch in seinen Händen. Diese schwarzäugigen Wesen hatten sich bereits abgewandt und bewegten sich auf direktem Weg zur Flügeltür.

„Lucifer?" fragte ich zögernd und der Genannte drehte sich automatisch in meine Richtung. Der zuvor noch ausdruckslose Blick in seinen Augen nahm nun wieder ein wenig Sanftheit an. „Verstehst du jetzt, warum ich nicht wollte, dass du das siehst?" fragte er mich, mit einer nun deutlich leiseren Stimme. „Ich wollte nicht riskieren, dass du wieder.." „Ist schon okay." Brachte ich nach einem kurzen Moment der Überlegung hervor und unterbrach ihn somit. Das hier war eine seiner Aufgaben, daran konnte ich nichts ändern. Ob ich das nun gut fand oder nicht, stand hierbei außer Frage. Es bestärkte allerdings meinen Wunsch, nach Hause zurückzukehren. Denn nur, weil Lucifer auf diese Weise leben musste, bedeutete das nicht, dass ich mir das auch antun musste.

„Und du willst sicher nicht gehen und draußen warten? Das hier kann noch einen Moment dauern." Meinte er und hielt den Dolch dabei mit Absicht weitestgehend aus meiner Sichtweite. Jedes Mal wenn ich ihn sah, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich verband nur grauenhafte Erinnerungen mit diesem seltsamen Gegenstand. Lucifer wusste das. „Ich komme schon klar." Gab ich ihm mit einem nicht ganz so zuversichtlichen Lächeln zu verstehen. Ganz konnte er mir das wohl nicht glauben, doch er wandte sich schließlich wieder von mir ab, als das Geräusch der Flügeltür erneut durch den Raum schallte.

Hätte ich gewusst, wer dienächste Person sein würde, die sich vor die Augen des Teufels begeben musste umsein Urteil entgegen zu nehmen, hätte ich schon vor einer ganzen Weile dieFlucht ergriffen. Sowohl für mich, als auch für Lucifer würde dies einebesondere Reaktion auslösen. Doch für jeden von uns ein wenig anders.

Des Teufels KöniginNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ