sechs

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Nachdenklich saß Jay in der Küche, seine Finger spielten mit seiner Teetasse, während sein Blick starr gegen die Wand ging. Er hatte in der Vergangenheit alles dafür getan, Jungkook zu beschützen, liebte seinen kleinen Bruder über alles. Sie waren für Jungkook weggezogen, und nun wurde er doch von seiner Vergangenheit verfolgt. Von der schlimmsten Erinnerung.

Vor einigen Monaten waren sie von zu Hause ausgezogen, in diese WG hier. Jay dachte, es wäre eine gute Idee, so konnte er unterschwellig ein bisschen auf seinen jüngeren Bruder aufpassen und für ihn da sein, wenn es ihm nicht so gut ging. Jungkooks psychische Gesundheit war noch nie glänzend gewesen. Damals lag es daran, dass er im falschem Körper gefangen war, und nun, wo er mehr nach Mann aussah als Jay, beschäftigten ihn seine Sorgen dennoch. Jungkook sprach normalerweise nicht mit Jay darüber, aber er bemerkte es trotzdem. Wie Jungkook sein Spiegelbild betrachtete, wie er den Blick in seine eigenen Augen vermied. Jungkooks Selbstbewusstsein war einfach quasi nicht vorhanden und Jay wusste so langsam nicht mehr, was er tun sollte, damit Jungkook sich besser fühlte.

Schon seit mehreren Tagen kam Jungkook jetzt schon nicht mehr aus seinem Zimmer raus. Manchmal brachte Jay ihm Snacks, aber er wollte nicht mit ihm reden. Er lag den ganzen Tag auf seinem Bett und starrte die Wand an, ließ sich von seinen Gedanken ertränken. Jay hatte keine Chance ihn herauszuziehen, Jungkook wollte nicht. Jay wusste, dass er Angst hatte Taehyung wieder zu begegnen.

Die Türklingel riss ihn aus seinen Gedanken. Irritiert legte Jay seinen Kopf schief, bevor er aufstand um die Haustür zu öffnen. Und sie am liebsten direkt wieder zugeworfen hätte.

"Was willst du?"

"Kann ich bitte mit Jungkook sprechen?"

Jay seufzte leise. "Was soll das bringen? Dir ist garnicht bewusst, wie sehr du ihm damals wehgetan hast." Prüfend musterte er Taehyungs Gesichtsausdruck.

"Jay, ich weiß, dass ich ein Arsch war...bin. Lass mich bitte mit ihm reden, lass es mich bitte wieder gutmachen."

Langsam öffnete Jay die Tür einen weiteren Spalt, ließ Taehyung zögernd rein. "Ich bring dich um, wenn du ihm nochmal weh tust."

~

Jungkook fühlte sich miserabel.

Kennst du dieses schreckliche Gefühl?
Du bist nicht traurig oder wütend. Du fühlst dich einfach nur unglaublich leer und dieses Gefühl frisst dich langsam aber sicher von innen auf, bis nichts mehr von dir übrig ist.

Bewegungslos starrte er an die Decke. Die Gedanken schwirrten wie ein Wirbelsturm in seinem Kopf herum, sie waren zu schnell, als dass er sie hätte greifen können.

Ein Klopfen an der Tür.

"Jay, lass mich in Ruhe."

"Lass mich bitte rein."

Jungkooks Blut gefror in seinen Adern. Geschockfrostet blieb er liegen, seine Augen weiteten sich.

"Jungkook."

Tränen traten in seine Augen, er musste sich die Hand vor den Mund pressen um nicht direkt laut los zu heulen.

Wie in Zeitlupe setzte er sich auf, stellte die Füße auf dem Boden ab und tat etappenweise einen Schritt nach dem anderen. Es fühlte sich an, als hätte er spontan verlernt, wie man läuft.

Mit einem klicken öffnete sich die Tür, mit großen Kulleraugen starrte er Taehyung an.

Taehyung sagte nichts, er lächelte nicht und guckte nicht hasserfüllt. Er betrat Jungkooks Zimmer und schloss die Tür langsam hinter sich. Er sagte immer noch nichts, Jungkook bewegte sich kein Stück, brachte somit weitaus weniger Abstand zwischen sich und Taehyung, wie ihm vielleicht lieb gewesen wäre. Vielleicht.

Er zuckte nicht zusammen, als Taehyung seine Hand an seine Wange legte, mit dem Daumen über die weiche Haut strich. Er starrte ihn einfach nur weiterhin an, seine Mundwinkel zitterten leicht. Unkontrolliert sammelten sich Tränen in seinen Augen, kämpften sich über seine Wasserlinie und flossen über seine Wangen. Behutsam wischte Taehyung sie ab, bevor er Jungkook fest in seine Arme schloss.

𝐏𝐄𝐑𝐅𝐄𝐂𝐓 𝐏𝐋𝐀𝐂𝐄𝐒 | jjk.kth ✓Where stories live. Discover now