III

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Perplex starre ich mein Handy an. In meinem Kopf, beginnt es zu rattern. Ich versuche diese neue Information aufzunehmen und mit meinem bestehenden Wissen zu verbinden. Doch irgendetwas, macht bei dieser Sache keinen Sinn. Irgendetwas Bestimmtes, muss mir entfallen sein. Als hätte ich etwas wirklich Wichtiges vergessen.

Überlegend beiße ich mir auf die Unterlippe, lasse sie zwischen meinen Zähnen hin und her fahren. Ein Moment der Stille bildet sich, keiner sagt etwas und alles, was ich wahrnehme, ist Sophias ruhiger Atem auf der anderen Seite der Leitung. Bis es mir wie Schuppen von den Augen fällt. »Du bist aber schon noch mit Jake zusammen, oder? Seid ihr nicht sogar schon verheiratet?«

Kann es wirklich sein, dass ich so etwas wichtig wie eine Scheidung nicht mitbekomme habe? Hatte ich mich wirklich so weit von meiner Familie entfernt? Ein leichter Kloß bildet sich in meinem Hals und ein bedrücktes, flaues Gefühl macht sich in mir breit. Denn auch, wenn wir uns nicht ganz so nahestehen, wie es normale Geschwister eben tun, ist es irgendwie komisch zu wissen, dass ich beinahe nichts über das Leben der anderen beiden weiß. Das der einzige wirklich Austausch immer nur an Feiertagen oder Geburtstagen stattfindet. Auch, wenn sich das in den letzten Jahren nur noch auf einen kurzen Anruf beschränkt hat.

Als dann aber ein leises, helles Lachen ertönt, werde ich aus meinen Sorgen herausgerissen und wende mich wieder Sophia zu. »Doch, doch natürlich. Aber wir sind ja nur standesamtlich verheiratet.« Oh, stimmt. Erleichtert atme ich laut aus, spüre wie der Kloß langsam wieder zu schrumpfen beginnt und mein Kopf sich wieder beruhigt. Bis sich der nächste Gedanke breit macht und ich jetzt verwirrt die Augenbrauen zusammen ziehe.

»Aber das war doch genau der Punkt, oder? Ihr wolltet doch nie eine große Hochzeit?« Zumindest, haben sie das damals immer behauptet. Denn ich kann mich noch allzu gut daran erinnern, als die beiden auf einmal verheiratet aus dem Urlaub zurückgekommen sind. Ich war in der achten Klasse gewesen. Kam nichts ahnend nach Hause, nur um meine Mutter und die Beiden frisch vermählten streitend vorzufinden, weil sie nichts davon erwähnt hatten. Sie sich heimlich in einer kleinen, alten Kapelle in West Virginia trauen haben lassen. Ohne Zeugen, ohne Familie. Was ich damals natürlich für absolut romantisch gehalten habe.

»Ja das stimmt. Aber nach all dem, was wir in den letzten Jahren durchgemacht haben, wollen wir so etwas wie einen Neuanfang starten. Angefangen damit, dass wir uns noch einmal das Ja-Wort geben. Du weißt schon, so richtig. Mit euch allen zusammen.« Abwesend nicke ich. In meinen Gedanken gehe ich noch einmal Rückwärts die letzten Jahre durch. Weiß natürlich genau was sie meint, wenn sie diese als eine Art abgeschlossenes Kapitel betitelt.

Zu erfahren, dass Sophia unfruchtbar ist und keine Kinder bekommen kann, war für uns alle ein Schock gewesen. Doch für sie, als absoluter Familienmensch mit dem Traum von mindestens drei eigenen Kindern, war es das schlimmste gewesen, was hätte passieren können. Ihre persönliche Hölle war wahr geworden und es gab nur wenige Dinge, die sie dagegen hätte tun können. Angefangen von zahlreichen Operationen, bis hinüber zu künstlichen Befruchtungen, die nicht nur seelisch eine schreckliche Belastung dargestellt hätten, sondern auch finanziell nicht zu stemmen gewesen wären.

Und jedem von uns ist bewusst, dass diese Sache ihre Beziehung auf eine harte Probe gestellt hat. Weil Sophia es einfach nicht akzeptieren wollte. Bei hunderten Ärzten gewesen ist, nur um immer wieder die gleiche Nachricht übermittelt zu bekommen. Follikelreifungsstörung. Doch selbst nach einer Hormontherapie konnte diese Ursache nicht behoben werden. Die Störung war geblieben, die Wut und Trauer wurde im größer.

Wie jedes Mal, wenn ich über dieses Thema nachdenke, jagt mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Es ist das Beileid, dass jedes Mal einen bitteren Beigeschmack auf meiner Zunge hinterlässt. Denn klar, auf der einen Seite, empfinde ich nichts als Mitleid für sie. Weiß ich ganz genau, wie hart sie das ganze getroffen hat und habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie Monatelang wie ein Zombie durch die Gegend gelaufen war. Ihren Job auf Eis gelegt hat und in Selbstmitleid sowie Trauer versunken war. Doch auf der anderen Seite, bin ich doch diejenige, die selbst überhaupt keinen Kinderwunsch hegt. Die sich irgendwo genau deswegen schuldig fühlt. Weil sie unbedingt welche will, aber keine bekommen kann. Ich sie bekommen könnte, aber im Gegenzug einfach keine will.

Fool for youWhere stories live. Discover now