4. ich setze mich neben den Stuhl

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Lars Sicht:

Als ich am Freitag aufwachte, war ich viel zu müde, da ich nicht hatte schlafen können. In zwölf Stunden würde ich wieder zu Phoenix und Alexis gehen. Und Emma würde dort sein. Was, wenn sie mich ignorierte? Oder noch schlimmer, mich blöd anmachte?

Ich hatte in den letzten Monaten nur zwei Fotos von ihr gesehen. Einmal ihr Profilbild, als sie es vor acht Monaten geändert hatte und ein Bild, dass Alexis auf Instagramm gepostet hatte. Da hatte ich nur gesehen, dass ihre Haare länger waren und sich neue Ohrlöcher geschossen hatte. Das reichte mir nicht.

Da ich aktuell nicht studierte, jobbte ich aktuell ein wenig, um ein Jahr zu überbrücken. Der Studiengang hatte mir nicht gefallen, also hatte ich ihn abgebrochen. Das war nun schon Monate her und ich hatte vor mich im nächsten Sommer für ein anderen Studiengang zu bewerben, aber ich wusste noch nicht welchen. Vielleicht wollte ich ja auch eine Ausbildung machen, so wie Phoenix. Ich hatte einfach keine Ahnung.

Bis vier Uhr arbeitete ich in einem Supermarkt, wo ich im Lager half, bevor ich etwas verschwitzt nach Hause ging. Ich war vor kurzem in eine Vierer-WG gezogen. Neben der Tatsache, dass Paula und Benjamin andauernd miteinander rummachen mussten, war es dort ganz cool.

Ich mochte Liv ganz gerne, weil sie jede Woche einen Disneyfilmeabend machte und mich netterweise dazu einlud.

Doch als ich jetzt nach Hause kam, war noch niemand da, da sie Freitagnachmittag entweder noch Seminare von der Uni hatten und Paula freitags schon gegen Mittag aus Berlin rausfuhr, um ihre Familie zu besuchen.

Ich durchwühlte den Kühlschrank, nahm den Schokopudding heraus und schmiss den Zettel auf dem „Benjamins" stand in den Müll, bevor ich mich damit in meinem Zimmer verschanzte.

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Als ich aus der Dusche stieg, war es kurz vor sieben. Mit einem Handtuch trocknete ich weitgehend meine rotbraunen Locken und gähnte, obwohl ich gerade zwei stunden geschlafen hatte. Ich war selbst dann müde, wenn ich zehn Stunden und die Nachmittage geschlafen hatte. Ätzend.

Um halb neun stand ich mit schwitzenden Händen vor der Wohnung, aus der leise Musik drang. Ich trug einen schwarzen Hoodie mit oranger Schrift auf dem Rücken und eine weitere Jeans mit Taschen, Klamotten, in denen ich mich eigentlich wohlfühlte. Aber gerade zupfte ich unruhig daran herum.

Bevor ich weitere zehn Minuten vor der Tür stand, klingelte ich und Alexis machte die Tür auf. Auf der Stirn klebte ein Zettel auf dem „Hässlich" stand und sie grinste.

>> Nicht sagen was draufsteht. Wir machen Personenraten. Phoenix hat sich irgendjemanden für mich ausgedacht. Komm rein. Es sind schon alle anderen da. << Ich lächelte und kickte die Schuhe von den Füßen, bevor ich ihr ins Wohnzimmer folgte.

Ich sah sofort ihre langen roten Haare, aber ich schaute sie nicht an. Stattdessen grüßte ich zuerst Josh und dann Micci, die ich nur einmal im Monat zu Gesicht bekam. Lisa lag in Leonies Armen und beide lächelten freundlich, während sie mich begrüßten. Die beiden waren weiter weggezogen und ich wusste nicht, wann ich sie zuletzt gesehen hatte. Tosse saß neben Alexis auf dem Sofa und Phoenix lehnte in dem großen Sessel.

Erst dann sah ich im Kreis weiter zu Emma. Ich begegnete sofort dem Blick ihrer braunen Augen, die auf meine grünen trafen. Es war vermutlich eine Sekunde, in der wir uns einfach anstarrten, aber mir kam es vor, wie eine halbe Ewigkeit, bevor sie die Mundwinkel hochzog und mich anlächelte.

Irgendwie fühlte ich mich auf einmal leichter, als wäre mir wirklich ein Stein vom Herzen gefallen. Sie hatte mich nicht angezickt oder ignoriert. Automatisch lächelte ich zurück, als sie auch noch ein Hey flüsterte.

Als ich mich beinahe neben den Stuhl gesetzt hätte, weil ich ein wenig neben der Spur war, packte Phoenix mich am Oberarm und verhinderte so den Aufprall auf dem Holzboden. Zum Glück hat Emma das nicht gesehen, dachte ich peinlich berührt und setzte mich.

>> Warte, ich denk mir was für dich aus, damit du mitraten kannst <<, sagte Alexis und schrieb etwas für mich auf den Zettel.

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Nach einer halben Stunde hatte nur Alexis noch nicht erraten was sie war, was vielleicht daran lag, dass sie als einzige keine Person war, sondern einfach „hässlich".

Als sie sich irgendwann einfach den Zettel von der Stirn riss, schaute sie schweigend auf das Blatt. Dann sah sie Phoenix an, der frech grinste. >> Eine Woche keinen Sex <<, sagte sie einfach trocken und wand sich wieder ab.

>> Shit <<, murmelte Phoenix und ließ den Kopf in den Nacken fallen.

>> Das hält sie eh nicht durch <<, wollte ich ihn aufmuntern, doch er warf mir einen Dein-Ernst-Blick zu. Stimmt, sie würde das sehr wohl durchziehen.

Als Emma wegen Alexis lachte, wand ich meinen Blick von Phoenix ab. Emmas Haare waren wirklich ein ordentliches Stück länger und ihre Sommersprossen dunkler, als das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte. Ihre Haut hatte eine leichte Sonnenbräune und ihre Augen... schauten mich direkt ab.

Scheiße... war ich sehr auffällig?

Hastig wand ich den Blick ab, nur um direkt wieder zu ihr zu schauen. Noch immer schaute sie mich ernst an, bevor sie runter auf ihre Hände sah und Alexis etwas zu ihr sagte.

Schon als ich Emma vor zwei Jahren in Phoenix Küche das erste Mal gesehen hatte, hatte ich sofort gewusst, dass ich noch nie ein schöneres Mädchen gesehen hatte. Sie wirkte so selbstsicher, aufrecht und stark.

Doch je mehr Zeit ich mit ihr verbracht hatte, musste ich feststellen, dass dieses Bild der Emma, die immer einen Spruch nach dem anderen raushaute, in manchen Momenten zusammenbrach. Ich hatte sie manchmal dabei erwischt, wie sie einfach leer in der Gegend herumgestarrt hatte oder sich ihre Laune von einem Moment auf den anderen veränderte.

Einmal hatte ich nachgefragt, ob es ihr gutging, da hatte sie sofort das breite Lächeln wieder aufgesetzt und genickt. >> Klar geht's mir gut. Wie geht es dir? <<, hatte sie spielerisch gefragt.

Wir hatten gerade zusammen in ihrem Bett gelegen. Sie hatte Unterwäsche und mein Oberteil getragen, auf dem Bauch gelegen und zu mir hochgeschaut.

Phoenix schnipste vor meiner Nase herum. Dann nahm er eine Servierte und tat so, als würde er mir den Mund abtupfen. >> Du sabberst, ich dachte, ich helfe dir mal, bevor es noch peinlicher wird. <<

Ich schlug grinsend seine Hand weg und versuchte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Gespräche der anderen zu lenken.

Emma und Lars ✔️Where stories live. Discover now