34. Lars zieht Teenager ab

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Ungläubig saß ich auf dem Tresen, einen Milchshake in den Händen, während Lars seinen bereits ein weiteres Mal auffüllte. Ich hatte noch nicht verarbeitet, dass wir wirklich ins Diner eingebrochen waren, in dem Lars mal gearbeitet hatte.

>> Ich werde jetzt immer verlangen, dass du mir meine Milchshakes machst. << Bei Milchshakes war das Mischen so schwierig wie bei Apfelschorle. Ich hatte entweder immer zu viel Sprudelwasser oder Apfelsaft. Noch nie hatte ich die perfekte Apfelschorle selbst gemacht. Wie schafften sie das in den Apfelsaftfabriken.

>> Gibt es Apfelsaftfabriken? <<, fragte ich und erzeugte ein lautes Schlürfgeräusch, als ich den Rest des Shakes durch den Strohhalm einsaugte.

>> Ich bin mir nicht sicher. Aber wenn, dann würde ich dort arbeiten wollen. Da gibt es bestimmt die perfekte Apfelschorlemischung. << Ich sah auf, als er meine Gedanken von zuvor aussprach. Das mochte ich an Lars. Er war unkompliziert und es war so einfach ihn zu mögen.

Und mehr als das.
>> Mehr als was? <<, fragte Lars verwirrt und ich merkte, dass ich den letzten Teil laut gedacht hatte.

>> Ich brauche mehr Shake, als das <<, erfand ich mehr schlecht als recht und reichte ihm meinen Becher, damit er ihn noch einmal füllte.

>> Einen für to go. << Mit den Worten überreichte er ihn mir wieder.

Einen für to go, dachte ich und sprang von der Ablage, um ihm zu folgen. In dem Moment klopfte es an der Tür und panisch fuhr ich herum. Draußen stand eine Gruppe von vier Teenagern. Bevor ich reagieren konnte, hatte Lars die Tür bereits schwungvoll geöffnet. >> Kommt rein, was kann ich euch bringen? Auch einen Shake nach dem Feiern? Nachts schmecken die wirklich am besten. <<

Verblüfft sah ich dabei zu, wie er sich hinter den Tresen stellte und die Mädchen bediente. Und abkassierte. Als er ihnen zum Abschied wank und die Tür wieder schloss, zählte er das Geld in seiner Hand. >> Sechsunddreißig Euro. <<

>> Du hast denen neun Euro pro Person für jeweils einen Milchshake abgezogen? <<, fragte ich lachend und sah ihm dabei zu, wie er das Geld in seiner Jacke verstaute. Als er mich ansah, kroch die Hitze in mir hoch und ich brach den Blickkontakt zuerst. Als er zur Tür ging und sie mir auf hielt, reichte er mir noch meine Jacke, die ich beim Tresen ausgezogen hatte.

>> Genau. Und mit dem Geld führe ich dich die Tage zum Essen aus. << Bei den Worten vergaß ich, dass vor der Eingangstür zwei Stufen waren und hätte Lars mich nicht am Oberarm gefasst, wäre ich sie definitiv heruntergefallen.

>> Ich- <<, stotterte ich. Was war bitte  passiert? Was hatte sich seit dem Treffen geändert, als Lars mich in der Stadt gesehen und stehengelassen hatte?

>> Hab ich dir die Sprache verschlagen? <<, fragte er, als er sich wieder in Bewegung setzte und grinste zu mir runter.

>> Tust du das nicht immer? << Und das war keineswegs gelogen. Und das wusste er genauso gut wie ich.

-

Es wurde langsam hell, als wir in irgendeine Bahn stiegen, ohne drüber nachzudenken in welche Richtung sie fuhr. Doch als ich auf die Anzeigetafel schaute, stellte ich zu meinem Glück fest, dass wir in meine Richtung fuhren. Die Bahn war zwar nicht so voll wie tagsüber, wo man dicht aneinander gedrängt stand, aber wir bekamen erst keinen Sitzplatz.

Also standen wir an der Tür, Lars mit dem Rücken gegen das kühle Glas, während ich vor ihm stand und ihn anschaute. Es war, als hätte uns beide auf einmal die Energie verlassen und müde blickte ich seinen Augen entgegen. Er brach den Blickkontakt nicht ab und weil ich dafür zu müde war, schauten wir uns einfach weiter an.

Als die Straßenbahn eine Kurve fuhr, verlor ich mein Gleichgewicht, doch bevor ich mich irgendwo festhalten konnte, schlang Lars einen Arm um meine Taille und hielt mich so fest. >> Danke <<, presste ich hervor. Meine Jacke war geöffnet und er hatte seinen Arm daruntergelegt, sodass er auf meinem Shirt lag, das hinten allerdings ein Stück hochgerutscht war. Ein Teil seiner Hand lag auf meiner nackten Haut.

Mir war klar, dass er wusste, dass ich eine Gänsehaut bekam und vielleicht war das der Grund, wieso er seine Hand nicht zurückzog, sondern mich weiter so hielt. Meine Zunge fuhr über meine Unterlippe und ich schaute über seine Schulter nach draußen, damit er nicht bemerkte, wie nervös ich war.

Das sein Daumen jetzt leicht über meine empfindliche Haut strich, machte es keineswegs einfacher für mich klar zu denken.

Er erinnerte mich schmerzhaft an den Lars, den ich vor Jahren kennengelernt hatte. Bevor ich es mit meiner psychischen Erkrankung kaputt gemacht hatte. Und bevor wir uns dann gegenseitig weiter kaputtgemacht hatten, bis das WIR letzten Endes kaputt gewesen war.

Es fühlte sich alles an wie davor. Und ein Teil in meinem Kopf versuchte mir zu sagen, dass es mir ja gar nicht mehr so schlecht ging. Fragte mich, was jetzt noch dagegensprechen würde. Ich ignorierte den Teil.

 -

Außer Atem blieben wir vor dem Reihenhaus stehen, in dem ich wohnte, als mir vor Lachen schon die Tränen über die Wangen liefen. Als wir aus der Bahn gestiegen waren, hatte ich genörgelt, dass er viel zu schnell ging.

Da hatte er nach meiner Hand gegriffen und mich hinter sich hergezogen. Ich hatte gar nicht auf das Gefühl von seiner Hand in meiner achten können, weil er so schnell lief, dass ich mich darauf konzentrieren musste, nicht zu fallen. Seine Hand löste sich jetzt von meiner und ich lachte noch immer.

Lars grinste, während seine Augen über mein Gesicht fuhren, als würde er es sich ins Gedächtnis brennen wollen. Sein Blick war so intensiv, dass ich verstummte und schluckte, während meine Brust sich schwer hob und senkte, um meine Atmung nach dem Sprint wieder in den Griff zu bekommen.

Als Lars sich schließlich nach vorne lehnte, machte mein Herz einen Satz, doch er drückte mir nur einen schnellen Kuss auf die Wange, bevor er zu mir runterlächelte. >> Wir sehen uns Emma. Bei dem Essen, zu dem ich dich ausführe <<, sagte er und bevor ich etwas erwidern konnte, machte er auf dem Absatz kehrt und ließ mich vor meiner Tür stehen.

Perplex schaute ich ihm dabei zu, wie er über den Gehweg ging und wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich fühlte mich seltsam, benebelt. Und ich erstarrte, als ich merkte, was es war, dass ich fühlte.

Ich war dabei mich nochmal ganz neu in Lars zu verlieben. Und das machte mir jetzt schon Angst.

Emma und Lars ✔️Where stories live. Discover now