5. Können wir Freunde sein?

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Emmas Sicht:

Verstohlen wanderte mein Blick wieder zu Lars, der neben Phoenix auf einem Stuhl saß. Sie schnipsten sich gegenseitig gegen die Ohrläppchen und lachten. Meine Mundwinkel zogen sich gegen meinen Willen nach oben.

Lars sah ziemlich gut aus. Seine Locken fielen ihm vorne in die Stirn und wenn er lächelte, zeigten sich seine weißen geraden Zähne.

Ich seufzte frustriert und stand dann auf. Es war nach zwei und auch, wenn die anderen vermutlich noch bleiben würden, bis die Sonne aufging, war ich einfach kaputt. Ich verabschiedete mich von Lisa und Leonie am längsten, aber auch den anderen sagte ich ordentlich tschüss. Am Ende sah ich Lars an.

>> Man sieht sich <<, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Er hob eine Augenbraue. Ich konnte es verstehen. Man sieht sich? War ich dumm? Wir hatten uns Monate nicht gesehen, weil ich offensichtlich vermieden hatte, dass man sich sieht.

Trotzdem lächelte er zurück. >> Okay. <<

An der Tür griff ich nach meiner Jacke und den Schuhen, bevor ich das Haus verließ und die Stufen nach unten lief. Als ich gerade aus dem Wohnhaus trat, hörte ich jemanden hinter mir herrufen und drehte mich um.

Lars lief die wenigen Meter von der Eingangstür zu mir rüber. Er trug Jacke und Schuhe, also wollte er auch gehen. >> Ich… ich dachte ich begleite dich zurück. Wenn du das willst… <<

Er fuhr sich unsicher durch die Haare, schaute mich aber weiterhin an. Mein Herz begann von ganz allein einen seltsamen, schnellen Rhythmus anzunehmen und bevor ich darüber nachdenken konnte, nickte ich bereits.

>> Okay… ähm. Cool <<, machte er unsicher und lief jetzt neben mir her. Ich wohnte nicht sehr weit von Alexis entfernt. Vielleicht eine Viertelstunde zu Fuß gehen.

>> Du jobbst gerade? <<, fragte ich, weil es mich ehrlich interessierte und seine Augen trafen auf meine.

>> Ja. Das Studium war wirklich scheiße. Keine Ahnung, warum ich gedacht habe, dass mir das gefallen würde. <<

>> Dabei warst du so begeistert <<, erinnerte ich mich lachend.

>> Ja, echt traurig. << Er grinste ebenfalls.

>> Weist du schon, was du jetzt machen willst? <<, fragte ich weiter.

Er schüttelte den Kopf und kickte einen Stein über das Pflaster. >> Gefällt dir dein Studiengang? << Jetzt sah er wieder auf und mein Herz machte einen Sprung.

>> Bisher schon, aber es ist echt anstrengend. Anders als in der Schule muss ich lernen. <<

Seine Lache sorgte dafür, dass ich beinahe über einen Fahrradständer am Wegrand gestolpert wäre, weil er mich ablenkte. Er zog mich gerade noch rechtzeitig zur Seite und sah mich komisch an.

>> Huch <<, machte ich und entfernte mich einen Schritt von ihm, damit er mich nicht mehr berührte. Mir war klar, dass er wusste, dass ich seine Berührung abschüttelte, und er zog die Hand zurück.

>> Ähm… << Er sah mich irgendwie verletzt an. >> Wie läuft es sonst so? <<, fragte er dann. >> Wie läuft es mit Killian? <<

Killian war ein Junge, mit dem ich mich nach Lars getroffen hatte. Es war vorbei gewesen, direkt nachdem Lars sein Studium begonnen hatte. Wusste er das denn nicht? Ich hatte Killian allgemein vielleicht fünf Mal getroffen.

Hatte er nie mit Phoenix über mich gesprochen, fragte sich ein sehr egoistischer Teil von mir enttäuscht. Ich hatte ganz unauffällig so ziemlich alles über ihn aus Alexis ausgequetscht und hatte sofort erfahren, als er kein Kontakt mehr zu dem Mädchen hatte, das er nach mir gedatet hatte.

>> Ich habe ihn über ein Jahr schon nicht mehr gesehen. Wir haben keinen Kontakt mehr. << Lars antwortete nicht Wir waren jetzt bald bei meiner Wohnung angekommen, als Lars wieder sprach.

>> War er eigentlich der Grund, dass du plötzlich keine Lust mehr auf mich hattest? <<

Perplex blieb ich stehen und er tat es mir gleich. Er war einen gutes Stück größer, obwohl ich selbst nicht gerade klein war, weshalb ich zu ihm hochschauen musste. Dachte er, dass ich ihn wegen eines anderen Jungen so behandelt hatte? Oh Gott. >> Nein <<, sagte ich, unwissend, was ich noch sagen sollte.

>> Jemand anderes? <<

>> Nein <<, sagte ich wieder und verschränkte die Arme in einer abwehrenden Haltung vor meiner Brust. Du warst mir einfach zu wichtig, dachte ich. Ich habe dich zu sehr in mein Leben gelassen, mehr als jeden anderen Jungen zuvor und ich habe das bisschen Kontrolle verloren, was ich aufrechterhalten kann. Du hast zu viel gesehen, von meinem Leben, dachte ich.

Ich sagte nichts davon laut.

Er schien frustriert.

>> Es ist doch jetzt schon ewig her. Spielt es noch eine Rolle? <<, fragte ich schärfer als beabsichtigt und er rieb sich über die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen.

>> Nein, tut es nicht. << Er wand den Blick von mir ab und musterte die Wohnreihe auf der anderen Straßenseite. Das schlechte Gewissen, dass ich fühlte, war erdrückend, aber ich biss mir von innen auf die Wangen. Jetzt sah er mich wieder an.

>> Können wir nicht einfach… Freunde sein? <<, fragte er hilflos und hob die Arme. >> Wenn es keine Rolle mehr spielt, warum bist du mir dann Monatelang aus dem Weg gegangen? Ich will einfach- << Er brach ab und ließ die Arme wieder sinken. >> Ich will einfach, dass wir uns öfter sehen. Als Freunde. <<

Meine Lippen trennten sich voneinander, als ich ausatmete und meine verschränkten Arme löste. >> Das willst du? <<, fragte ich ehrlich überrascht. Dabei ignorierte ich die Wärme in meinem Bauch, die ich nur von Lars kannte. Er nickte. >> Okay. <<

Etwas überrascht zog er die Brauen nach oben. >> Ehrlich? <<, fragte er und sah kurz so aus, als wollte er einen Schritt auf mich zu machen, doch er ließ es bleiben. Jetzt nickte ich. Seine grünen Augen musterten mich und sein Blick verhakte sich in meinem.

Als ich merkte, dass wir uns anstarrten, lächelte ich und ging weiter. Er folgte mir und nach zwei großen Schritten war er wieder neben mir. >> Wohnst du noch weit? <<, fragte er.

Ich streckte die Hand aus. >> Nein. Da wohne ich. Vierte Etage. <<

>> Oh… <<

Vor der Eingangstür blieben wir stehen. Als ich ihn ziemlich auffällig musterte, verschränkte er nervös die Arme hinter dem Rücken. Gott, wie sollte ich mit jemandem befreundet bleiben, den ich andauernd geküsst hatte, mit dem ich mehrfach geschlafen hatte, für den ich immer noch Gefühle hatte? Ich wusste es nicht.

Als ich sah, dass Lars eine leichte Röte in die Wangen schien, weil ich ihn so intensiv musterte, blinzelte ich mehrmals. >> Danke fürs Nachhause bringen. <<

Jetzt zog er wieder seine Mundwinkel nach oben. >> Ja. Gerne. <<

Es war krank, dass ich ihn seit achtzehn Monaten nicht mehr gesehen hatte, aber immer noch den Drang hatte, ihn zu küssen. Stattdessen lehnte ich mich zu ihm hoch und drückte ihm meine Lippen auf die Wange, bevor ich mich zur Eingangstür wand und sie öffnete.

Lars schluckte einmal und schaute mich aus großen Augen an, als ich mich ein letztes Mal zu ihm umdrehte. Im Treppenhaus hielt ich mir die Hand auf das schnellschlagende Herz und atmete tief durch. Freunde bleiben… das würde interessant werden.

Emma und Lars ✔️Where stories live. Discover now