Henotic |7|

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Henotic
Adjective| Meaning:
promoting harmony or peace

Der süße Geruch von frischgebackenen Kekse hing in der Luft. Der Duft weckte Jisung aus einem unschönen Traum, den er froh war los zu sein. Während er mühsam versuchte zu verstehen, wo er war, hatten seine Füße sich schon verselbständigt und trieben ihn in die Küche.
"Sind das Enten auf deiner Hose?", war das Erste, was er von Felix zu hören bekam. Seine Hände waren kaum erkennbar durch das ganze Mehl. Es klebte überall. In seinem Gesicht, in seinen Haaren, sogar auf seinem Rücken. Jisung musste sich unweigerlich fragen, wie es dahin gekommen war.
"Ja", sagte er stolz.
"Ja, das sind Enten auf meiner Hose."
Er hatte sie vor einiger Zeit von einem Freund geschenkt bekommen. Den Einzigen, den er bisher hatte. Er schüttelte den Kopf, um seine Erinnerungen loszuwerden. Darüber konnte er nachdenken, wenn er allein war.
Jisung bestaunte währenddessen die verzierten Cupcakes, welche schön angerichtet auf einem Tablet standen. Sie sahen zum Anbeißen aus, was ihm das Wasser im Mund zusammenfließen ließ.
"Wenn du magst, kannst du dir gern ein paar nehmen, bevor sie alle weg sind. Das geht schneller, als du denkst.", lachte Felix, als er gerade den letzten Muffin mit einer Buttercremehaube versah.
Das glaubte er dem Vampir aufs Wort.
"Backst du immer so früh am Morgen?", entgegnete der Blonde und nahm sich eines der Köstlichkeiten vom Küchentisch.
"Oh, ich backe schon seit einiger Zeit immer Samstag. So früh, damit mich keiner stört, da niemand vor dem Mittagessen aufsteht. Glaub mir, es ist keine Freude, wenn jede Nase nach jemand hier hereinspaziert, dich unterbricht und am Ende sogar noch den Teig verputzt."
Jisung grinste. So würde er es auch tun, aber er wäre nicht Han Jisung, wenn er dies nicht besser tarnen würde.
"Ich helfe dir gern", bot er dem Vampir an. Da er jetzt sein Frühstück hatte, konnte er sich auch nützlich machen. Die strahlenden Augen des Blonden waren Antwort genug.
Dann mal los.
Jisung war zwar nicht sonderlich gut im Backen oder Kochen, dennoch würde er sich anstrengen, um Felix irgendwie stolz zu machen.
Nach einer Weile des stillen Arbeitens, fiel Jisung eine Frage ein, die ihm schon seit der Initiation in seinem Kopf rumspuckte.
"Wie viele Vampirfürsten sind eigentlich an dieser Schule?", fragte er den Vampir. Felix hielt in seiner Bewegung, den Teig auszurollen, inne und starrte ihn mit großen Augen an.

Jisung zog die Stirn kraus. Hatte er etwas falsches gesagt?
"Woher weißt du davon?", stellte ihn der Blonde zur Rede. Er zuckte die Achseln. War das nicht Allgemeinwissen? Wusste nicht jeder, dass es an dieser Schule Vampirfürsten gab?
"Ich habe bei der Initiation erkannt, dass Minho einer ist, also bin ich davon ausgegangen, dass noch mehr an dieser Schule sind", erklärte sich der ebenfalls Blonde und klaute sich ein Stück vom Teig, um die Stimmung irgendwie aufzulockern. Felix wirkte nicht überzeugt.
Insgesamt gab es in der Vampirgesellschaft eine Vampirkönigin und ihre sieben Fürsten. Sie regelten alles, was mit Bürokratie und der Menschenwelt zu tun hatte. Sie waren sozusagen die Regierung der Vampire, welche gleichermaßen mit der Regierung der Menschen zusammenarbeitete. Die Königin war die ausführende Gewalt und das mächtigste Wesen auf der Erde, doch ihre Fürsten waren es, die die Mehrheit beanspruchte. Demzufolge war Minho der Sohn eines solch hohen Tieres und würde irgendwann seinen Posten einnehmen.
"Du solltest das nicht wissen. Das schadet dir bloß."
Der Blonde starrte an die Decke. Es war ihm egal. Wenn man es so betrachtete, schadet einem alles. Entweder die Sonneneinstrahlung, Fast Food oder der Straßenverkehr, also war das nur ein weiterer unnützer Grund ihn von der Wahrheit abzuhalten.
"Na schön. Aber sag niemandem, dass du es von mir weißt", seufzte Felix ergeben, während er die Ausstechformen suchte. Jisung entdeckte sie am Ende des langen Küchentisches und reichte sie ihm, dabei fing er selbst an mitzuhelfen.
"Minho wechselte erst vor einem Jahr an das St.Orun. Es war wirklich schwierig mit ihm Kontakt aufzubauen. Man merkte ihm an, dass er hier nicht glücklich war, dass er hier nicht sein wollte. Bis heute weiß niemand, warum er so ist, wie er ist", begann Felix zu erzählen. Nebenbei holte der Blonde ein Blech aus dem Ofen und stellte den Timer ein. In der Zwischenzeit überlegte Jisung, was dem störrischen Vampiren widerfahren war, was er so erlebt hatte.
"Die einzige Person, die es wissen könnte, wäre Changbin", überlegte Felix laut und drückte die Hand an seine Stirn. Im nächsten Moment zierte ein schöner, weißer Handabdruck die Stelle über seinen Augen. Jisung konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Felix schaute ihn erst fragend und dann empört an, bevor er auf ihn losging. In der Hand ein Häufchen Mehl, welches er höchstwahrscheinlich auf ihn werfen wollte. Es entstand eine Hetzjagd durch die Küche. Als die Tür hinter Jisung aufging, warf Felix gerade und traf. Aber nicht ihn, sondern Minho, der schlaftrunken den Raum betrat. Sein perplexes Gesicht würde Jisung nie vergessen. Erst Recht nicht den schockierten Blick von Felix und wie er sich die Hand vor den offenen Mund schlug.
"Was wird das, wenn es fertig ist?", knurrte der Vampir, was dem Menschen eine Gänsehaut bescherte. Seine Stimme war um einige Oktaven tiefer geworden.
"Kekse", sagte Jisung grinsend und präsentierte dem Braunhaarigen ihre bisherigen Ergebnisse. Und für einen Moment konnte der Blonde etwas in den Augen des Vampirs erkennen. War das Freude? Oder Belustigung? Doch so kurz er es gesehen hatte, so schnell war es auch wieder fort. Die goldbraunen Leckerbissen rochen himmlisch, was Minho nicht zu schätzen schien, stattdessen drehte er sich mit einem genervten Gesichtsausdruck um und verschwand.
Und dann war es um Jisung geschehen.

Cordolium {Minsung}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt