Kapitel 26 - Alkohol und Gipsfigur

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Mein Herz ist vermutlich kurz stehengeblieben, als Amelia diese Worte ausspricht.

>>Was soll das heißen? Umgebracht? <<

Die Hoffnung endlich ein paar Fragen beantwortet zu bekommen, hat sich eben in Luft aufgelöst.
Stattdessen muss ich selbst erstmal verarbeiten was Amelia, eben gesagt hat. Meinte sie das erst? Mord? Oder wie sollte ich das verstehen?

Amelia hat inzwischen meine Hand wieder losgelassen um stattdessen ihr Gesicht dran versteckt.

Voller Verzweiflung fährt sie sich durch die langen blonden Haare und ihre Tränen laufen ihr unkontrolliert über die Wange und landen schließlich auf ihrer königsblauen Bluse.

Sie so zu sehen, weckt in mir das tiefe Bedürfnis, sie in den Arm nehmen zu wollen. Es schmerzt sie so voller Trauer zu sehen, doch so lange ich keine Klarheit habe, halte ich mich definitiv zurück. Wer weiß, was für eine Person Amelia in Wirklichkeit war.

>>Wir sind auf einer Party gewesen. Unsere Eltern waren nicht da und wir wollten die Möglichkeit nutzen. Doch plötzlich haben wir eine Nachricht bekommen, dass sie doch früher als gedacht zu Hause ankommen. Also sind wir schnell nach Hause gefahren. Besser gesagt ich bin gefahren.<<

Amelia muss immer wieder Pausen machen um zwischen den Tränen genügend Sauerstoff zu erhalten.

>> Plötzlich hat der Wagen die Kontrolle verloren und wir sind gegen einen Baum geknallt. <<

Tief getroffen sieht sie zu Boden.

>>Besser gesagt hab ich die Kontrolle verloren. Ich bin gegen einen Baum gefahren. Ich hab sie getötet!<<

Ich habe keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll. Auf der einen Seite bin ich unfassbar schockiert von Amelia. Niemals habe ich mit so einer krassen Nachricht gerechnet. Auf der anderen Seite tut sie mir unendlich Leid. Niemand sollte seine Schwester verlieren und dann auch noch selbst daran Schuld sein.

Zumindest bin ich nun fest überzeugt, das Amelia die Wahrheit sagt. So etwas schreckliches dachte man sich nicht aus. Da bin ich mir sicher.

>>Amelia, ich hatte ja keine Ahnung....es tut mir unendlich leid was passiert ist<< stotterte ich verlegen, aber ich weiß beim besten Willen nicht was ich sonst sagen oder reagieren könnte.

Auch wenn das nicht erklärt, warum Amelia mich so dermaßen unverschämt mit mir umgegangen ist, beschließe ich es, dabei zu belassen. Amelia nimmt die Sache, verständlicherweise, genug mit. Da muss ich sie nicht noch weiter ausquetschen.

Doch ich will sie auch nicht so zurück lassen. Amelia sitz noch immer, wie ein Häufchen Elend auf dem Fußboden vor dem Fenster und stütz den Kopf in die Hände.

Also entschließe ich mich, mich einfach dazu zu setzten, um ihr das Gefühl zu geben nicht allein zu sein.

Meine Wut auf Amelia....wie ausgelöscht.

Nach einer Weile, in der wir einfach schweigend auf dem Boden gesessen haben, steht Amelia auf, holt die Gläser und schenkt uns beiden erneut ein. Noch immer sehen wir uns nicht in die Augen. Keiner weiß wie es jetzt weiter gehen soll oder was eine angemessenen Reaktion wäre. Daher trinken wir wortlos den Schnaps und starren in das Wohnzimmer.
Und als das Glas leer ist, schenken wir uns nach und trinken auch dieses leer und so weiter....

Irgendwann ist nur noch ein kleiner Schluck in der einst vollen Flasche.
Wir sind dafür aber umso voller....

Trotzdessen, starren wir immer noch schweigend in den Raum hinein, der mittlerweile von der Abendsonne in ein angenehm warmes Licht getaucht wird und unsere Schatten auf den Boden wirft.

Ich darf dich nicht lieben!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt