Ich darf dich nicht lieben!

Kapitel 52 - Wenn er wüsste...

»Aufgrund des Vorfalls, haben die Direktorin und ich beschlossen, den Unterricht für heute ausfallen zu lassen. Wir bitten, auch aus Respekt vor Lynn, um Diskretion. Ab morgen findet wieder normaler Unterricht statt. «

Ich traue meinen Ohren nicht. Wir dürfen nach Hause? Großartig! Also nicht, dass mit Lynn. Ich hoffe wirklich, dass sie Hilfe bekommt und vor allem, dass es ihr bald wieder besser geht. Denn letztendlich ist sie kein schlechter Mensch. Zumindest nicht wenn man in ihr Inneres sieht. Sie ist einfach gebrochen und wusste sich anders nicht zu helfen.

»Wie genial ist dass den?« fragt Blake begeistert. »Dann müssen wir nicht schwänzen und bekommen sogar noch extra Freizeit.«
Auf meinen kritischen Blick, antwortet er nur »Auch wenn das Ganze echt schrecklich ist. Hätte niemals gedacht, das ausgerechten Lynn auf Sofia steht, auch wenn es im Nachhinein echt offensichtlich war.«
»Wie meinst du das?«  Verwundert sehe ich meinen besten Freund an. Meiner Meinung nach sah man Menschen nur sehr selten an, wenn sie ineinander verliebt waren, es aber keiner zugeben mochte. Aber vielleicht bin ich, was das angeht, einfach nur blind auf beiden Augen.

»Ach komm schon, C. Die beiden verbringen seit der fünften Klasse jede Sekunde des Tages miteinander. Ständig hängen die zusammen und nur weil unser, von der Gesellschaft geprägtes Bild einer Beziehung, vordergründlich immer noch auf männlich und weiblich getrimmt ist, ist keiner auf die Idee gekommen, dass mehr als nur Freundschaft dahinter steckt. Traurig ist nur, dass niemand nach Sofias Outing in der neunten darauf gekommen ist. Aber das lag wahrscheinlich ebenfalls an den toxischen Klischees die man uns beigebracht hat. Beide haben ein sehr feminines Auftreten. Undenkbar für alle, dass beide auch auf das gleiche Geschlecht stehen. War bei mir genau so. Als ich meinem Dad gesagt hab, dass ich bi bin, meine er nur, er hätte es bereits geahnt. Und dass nur weil ich hin und wieder Nagellack getragen habe. Echt traurig.«

Völlig perplex starre ich auf Blake, der unbekümmert seine Sachen in den Rucksack packt. Als er es bemerkt, sieht er mich fragend an.

»Was ist los? Hast du nen Schlaganfall?«
»Nein« stammle ich verlegen. »Aber ich glaube noch nie etwas so intelligentes von dir gehört zu haben.«
Blake verzieht beleidigt das Gesicht. Dann schnappt er sich einen Bleistift und wirft ihn nach mir. »Sehr witzig, Cass. Aber erzähl mir doch lieber mal, was es mit diesem Ball auf sich hatte, bei dem du angeblich warst. Mit ihr.« Blake schiebt das Kinn nach vorn und deutet auf Amelia, die zusammen mit meiner Mutter, darauf wartet den Klassenraum abschließen zu können.

»Es war nichts. Sie hat mir nur ihre Familie vorgestellt. Und außerdem war es kein Ball, sondern eine Gala, auf der ihre Schwester einen Roman vorgestellt hat. « Allein bei dem Gedanken an die sterbenslangweilige Vorlesung muss ich gähnen. Trotzdem gehörte diese Nacht, zu der Besten meines Lebens. Nicht nur wegen der unglaublichen Erfahrung einmal mit Amelia in aller Öffentlichkeit zu tanzen. Nein, vor allem, weil diese Nacht alles zum Guten wenden könnte. Nur ein einziger Beweis das Felicity lebt genügt, um Amelia von ihrer Schuld freizusprechen.

»Du und Familientreffen? Tut mir leid, wenn ich dir das nicht abkaufe, aber du hast dich mal geweigert zu meinen Geburtstag zu kommen, weil meine Oma da ist. Ally und ich mussten dich zwingen.«
Erschrocken sehe ich auf. Ich bin so in Gedanken versunken, wie alles werden könnte, wenn dieser Beweis auftauchen würde, dass ich Blake ganz vergessen habe. Und auch Amelia und meine Mutter, die mir einen tadelnden Blick zuwerfen, weil wir, mal wieder, die Letzten im Zimmer sind.

Wir beeilen uns, doch bevor wir das Zimmer verlassen, ruft mich meine Mutter zurück. »Cassandra« Langsam drehe ich mich wieder um. Ihre Stimme klingt streng , also wie immer eigentlich. Doch anstatt getadelt zu werden, verändert sich ernsthafte Miene zu einem sanften Lächeln.