Kapitel 6. (May)

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Es tut mir echt leid, dass schon so lange nichts mehr kam! Ich hatte ziemlich viele Arbeiten in der Schule und dann auch noch Training... Da blieb nicht mehr viel Zeit... :/

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Eine halbe Stunde sitzen wir bei Zane zu Hause auf dem Sofa. Das Zimmer um uns herum ist abgedunkelt, durch die schweren, grauen Vorhänge fällt nur mühsam Licht. Dagegen strahlt der Fernseher vor uns umso mehr bunte Lichter ab. Abwechselnd werden wir von verschiedenen Strahlen geblendet. Meine Augen brennen davon, aber ich ignoriere es. Dafür bin ich viel zu sehr im Spiel versunken. Gta. Zumindest sagte Zane das. Ich tat so, als würde ich es kennen, aber in Wahrheit habe ich noch nie irgendsoein Computerspiel gespielt. Aber ich bin mir sicher, dass Amy das aufregt, weshalb es noch mehr Spaß macht, weiter zu zocken. Alles, was Amy nicht mag, ist gut. Und davon gibt es zu meinem Glück so einiges...

Während ich so dasitze und mich auf das Spiel konzentriere, spüre ich in meinem Kopf immer wieder die anderen Persönlichkeitsanteile, die versuchen, nach außen zu kommen. Es ist ein kaum spürbarer Druck, der meinen ganzen Kopf ausfüllt. Ich möchte es mir nicht zugestehen, aber ich habe Angst. Angst davor, dass Amy oder ein anderer Anteil mich einfach überraschen könnte. Ich schiebe den Gedanken an sie einfach weg. Lieber sollte ich mich auf das konzentrieren, was mir Spaß macht.

Aber dann passiert es.

Persönlichkeitswechsel: Amy

Ich blinzle und als ich meine Augen wieder aufschlage, blenden mich helle Lichter von einem modellierten Fernseher. In meinen Händen liegt etwas ähnliches wie eine Fernbedienung, nur... Sofort schleudere ich das Ding von mir. Scheppernd landet es direkt vor der halb kaputten Kiste von Fernseher. Was verdammt nochmal mache ich hier?

„Was ist los?“, fragt jemand neben mir. Ich sitze auf einer zerfledderten Couch in einem stockdunklen Wohnzimmer, dessen einziges Licht von der Schrottkiste kommt. Und die Person neben mir … ist Zane.

Verdammte scheiße. Was soll das hier werden? In meinem Kopf schwirren Bilder vom letzten Schultag herum, als er mich unfassbar schlecht angemacht hat. Mein Mund ist geöffnet und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nicht, was genau passiert ist, als May außen war. „Ich muss jetzt gehen“, sage ich knapp und meine Augen suchen nach einem Ausgang.

Die Wohnung hier könnte eigentlich ganz schön sein. Die Einrichtung ist in einem warmen Braunton gehalten und aus Holz. Alle Wände sind weiß gestrichen und es gibt viele Fenster, die allerdings von grauen Vorhängen verdeckt werden. Aber überall liegen alte Klamotten und andere Dinge herum. Ich erkenne Bücher, DVDs, Toilettenartikel, alte Chipstüten und in einer Ecke sogar eine alte Unterhose. Und es stinkt. Als hätte man hier schon Wochen nicht mehr gelüftet. Sofort spüre ich die Übelkeit in mir aufsteigen.

Zane starrt mir verdutzt hinterher, als ich endlich den Ausgang gefunden habe. Eine weiße Tür. Sollte eigentlich schnell auffallen, aber diese hier ist mit Jacken behangen und mit Postern beklebt, sodass sie sich kaum von den übrigen Wänden unterscheidet. Ich finde die Türklinke, reiße die Türe auf und flüchte mich auf einen Flur. Erleichtert stelle ich fest, dass hier die Fenster nicht abgedunkelt sind.

„Amy?“ Mit trampelnden, schweren Schritten folgt Zane mir. Als er im Türrahmen steht, reibt er sich die Augen und schaut mich müde an. Auch mich hat die Dunkelheit in dem Wohnzimmer müde gemacht. „Willst du nicht noch ein bisschen bleiben?“

„Wenn das wieder eine plumpe Anmache sein soll, dann nein.“ Zane antwortet nichts. Ich bücke mich zu meinen Schuhen, die neben der Haustüre stehen. So schnell wie möglich schnüre ich die Winterstiefel bis oben zu. Ich möchte hier nicht mehr Zeit verbringen als nötig.

„Und wenn nicht?“, fragt er, aber ich tue einfach so, als hätte ich ihn nicht gehört.

Als ich mich wieder aufrichten möchte, fällt mein Blick auf ein Paar Schlittschuhe, die achtlos in die Ecke gepfeffert wurden. Es sind die Leihschuhe vom Eisstadion. Hastig greife ich danach und drehe mich eilig zur Haustüre um. Ich reiße die Haustüre auf und sofort schlägt mir die eisige Winterluft ins Gesicht. Draußen weht ein höllischer Wind. „Du hast deine Jacke vergessen.“ Ich stehe mit dem Rücken zu Zane, aber ich weiß trotzdem, dass er vor sich hin grinst.

Der Wind bläst in die Wohnung und jagt mir eine Gänsehaut über die Haut. Ich drehe mich zu Zane um, der meine Jacke von einem Fensterbrett am Rand des Flurs aufhebt und in die Höhe hält. Kaum bin ich bei ihm angekommen, reiße ich sie ihm energisch aus den Händen. Aber gerade, als ich mich wieder zur Tür aufmachen will, greift er nach meiner linken Hand und zieht mich zu sich zurück. Er stellt es geschickt an, sodass ich ihn ungewollt halb umarme. Angewidert stoße ich ihn von mir weg. „Fass mich noch einmal an!“, fauche ich und mache auf dem Absatz kehrt.

Sobald ich aus der Haustür bin, knalle ich sie hinter mir möglichst laut zu. Was für ein widerlicher, schmieriger Typ ist das eigentlich? Ich will es nicht zugeben, aber May hat ihren Worten alle Ehre gemacht.

Draußen gehe ich erst bis zur nächsten Ecke, weit genug entfernt von Zanes Haus, bevor ich meine Jacke anziehe. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Ich weiß nicht, wo das Eisstadion ist und ich weiß auch nicht, wo ich wohne. Und ein Handy besitze ich nicht. Technische Geräte waren in der Erziehungsanstalt verboten.

Außerdem sind die Straßen nicht wirklich voll. Zane scheint in einer eher ruhigeren Wohngegend von Seattle zu leben. Das Eisstadion muss nicht weit entfernt liegen. Der schwierige Teil ist nur, dorthin zu kommen. Vom Eisstadion werde ich sicher den Weg nach Hause finden.

Ich frage mich, wie viel Uhr es ist. Wie viel Zeit habe ich – oder May – bei Zane verbracht? Die Sonne steht halb unter den Häusern, es müsste also langsam Abend werden. Ich schätze, es ist ungefähr halb fünf. Ziellos laufe ich nun durch die Gegend und versuche auf gut Glück das Eisstadion zu finden. Unterwegs treffe ich auf nicht viele Leute, aber dank einem dunkelhäutigem Mann, der mir den Weg erklärt, finde ich den Weg doch noch. Ich beschließe, die Schlittschuhe zurückzubringen.

Ich habe Glück und ich treffe auf einen Mann, der gerade die verschiedenen Schlittschuhe in den Regalen sortiert. „Was machst du hier?“, fragte er mich unfreundlich, als er mich nach dreimaligem Räuspern endlich beachtet.

„Die Schlittschuhe habe ich in den Umkleiden gefunden. Ich glaube, die gehören ihnen?“, lüge ich. Ich weiß, dass es falsch von mir ist, nicht die Wahrheit zu sagen, aber ich habe wirklich keine Lust auf einen Vortrag von diesem unfreundlichen Typen mit Vollbart.

Ohne darauf einzugehen reißt er sie mir aus den Händen und macht seine Arbeit weiter. Das „Gespräch“ ist wohl beendet. Unentschlossen stehe ich im Vorraum der Eishalle. Wie gerne würde ich nochmal aufs Eis gehen? Aber erstens habe ich gerade die Schlittschuhe abgegeben und zweitens sitzt mir May im Rücken. Frustriert schlürfe ich zu der Glaswand oberhalb der Tribüne, die den Vorraum von der Halle abschirmt, und sehe auf die Eisfläche hinunter. Ich sehe ein Paar auf dem Eis laufen, die Musik dringt leise durch die Glasscheibe. Die beiden laufen nebeneinander, die Frau hat die Arme ausgebreitet und macht eine Standwaage, während sie auf dem Eis gleitet und der Mann sie an der Hüfte hebt. Es sieht wunderschön aus, aber es erinnert mich nur wieder daran, wie sehr ich mich selbst danach sehne. In meinem Bauch kribbelt leicht, während ich ihnen zusehe. Nur dann werde ich wieder mit der Traurigkeit überschwemmt, dass ich es nie so tun kann wie die da unten. Nicht, wenn May mir im Kopf sitzt. Plötzlich sehe ich, wie sie Frau stürzt. Ihr Knie knickt ein und schon liegt sie auf dem Eis. Aber glücklicherweise ist nichts Schlimmeres passiert. Ich schaue den Menschen unten gebannt zu, sodass ich die Stimme in meinem Kopf zuerst gar nicht bemerke. 'Amy! Amy! Verdammt, hörst du mich?' May. Eindeutig. Jetzt gilt meine ganze Aufmerksamkeit ihr. 'Ich sehe, wie sehr du dich danach sehnst, Amy. Dann tu es doch.' Was soll das denn jetzt werden? Sofort werde ich misstrauisch. Das sieht May gar nicht ähnlich. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie jetzt gleich ihre Bedingungen stellt. 'Aber...' Tja, wer hätte es gedacht... 'Zane. Ich bekomme Zane, du das Eiskunstlaufen. Kompromiss?'

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