Kapitel 2. (April)

66 9 1
                                    

Persönlichkeitswechsel: Aprils Sicht

Ich merke, wie Amy die Kontrolle über ihren Körper verliert und ich nach außen dringe. Ich kann nichts dagegen tun. Plötzlich bin ich diejenige, die Amys Körper lenkt. Und ich stürze zu Boden. Ich kauere mich einfach auf den Teppich, der dort ausgebreitet ist. Meine Knie sind an den Bauch gezogen und ich habe die Arme darum herum geschlungen.

Und ich schreie ohrenbetäubend. Ich kann nicht damit aufhören. Ich sehe immer noch genau diese stechend blauen Augen vor mir. Sie sind so ähnlich! Ähnlich mit denen, die Alex gehört haben. Der Alex, der mich immer missbraucht hat. Der Alex, der mir all die Schmerzen zugefügt hat. Ist es etwa Alex? Aber was macht er hier? Hat er vor, mich wieder zu missbrauchen? Ich schreie lauter und kneife die Augen fest zusammen. Ich weiß, was Alex jetzt gleich machen wird. Ich weiß es ganz genau. Aber ich möchte es nicht sehen. Ich möchte es nicht noch einmal erleben. Ich wünschte, der Boden könnte sich in ein riesiges Loch verwandeln, in dem ich verschwinden könnte. Aber das passiert natürlich nicht. Stattdessen greifen mich zwei starke Arme, die versuchen, mich hochzuziehen. Noch dazu dringen verschiedene Stimmen an mein Ohr. Doch ich kann nichts verstehen. Dazu schreie ich selbst zu laut. Aber ich denke nicht einmal daran, aufzuhören. Ich weiß, dass ich mir dadurch wieder Schläge einhandeln werde. Ich bezweifle, überhaupt aufhören zu können. Dafür ist meine Panik viel zu groß. Ich habe panische Angst vor dem, was Alex gleich mit mir tun wird. Wieder versucht jemand, mich in eine aufrechte Position zu ziehen. Doch ich halte mit aller Kraft dagegen. Und schreie noch lauter. Ich strampele mit Armen und Beinen, um Alex keine Chance zu geben, mich zu fangen. Aber aus Erfahrung weiß ich, dass das alles nichts bringen wird. Alex hat es immer geschafft, mich ruhig zu stellen. Egal, was ich versucht habe. Genau das ist es, was mich jetzt noch mehr anspornt, ihm keine Chance zu geben.

Plötzlich legt die Person, die mich aufsetzten wollte, mich wieder auf den Boden. Ihre Hand liegt noch immer auf meinem Oberarm, bewegt sich aber nicht. Ich rolle mich zusammen und plötzlich höre ich wie von selbst auf zu schreien. Die Schreie verwandeln sich in ein Heulen. Ich beginne einfach zu weinen. Und auch damit kann ich nicht aufhören. Ich spüre, wie meine Lippen sich bewegen.

„Bitte! Bitte hör auf! Tu mir nichts! Lass das!“, höre ich mich selbst schluchzen. Zögernd nimmt die Person die Hand von mir und lässt mich einfach weinen. Was ist nur mit Alex los? Das hat er noch nie getan. Alex hat nie aufgegeben. Er hat immer weiter gemacht, ohne Rücksicht auf mich zu nehmen. Ich schluchze und schluchze. Meine Augen sind immer noch fest geschlossen.

Die Stimmen, die vorher aufgeregt getuschelt haben, sind verstummt. Ich höre nichts mehr. Außer leises Rascheln rechts von mir dingt kein einziges Geräusch an meine Ohren. Nur mein Schluchzen zerreißt vereinzelt die Stille. Es klingt verzweifelt und ängstlich. Ich erwarte immer noch die Berührungen von Alex. Doch die bleiben aus.

Eine Weile geschieht gar nichts. Ich liege einfach nur da. Zitternd. Verängstigt. Voller Panik. Mein Gehirn ist wie betäubt. Es scheint, als wäre eine Blase voller Panik in meinem Gehirn angeschwollen. Sie ist so groß, dass außer der höllischen Angst kein Platz mehr für ein bisschen Verstand ist.

Und doch schaffe ich es, mich ein wenig zu beruhigen. Es dauert zwar lange, aber schließlich kann ich meine Augen wieder öffnen. Langsam löse ich mich aus meiner starren Haltung und sehe mich um. Ich bin völlig überrascht, von dem, was ich sehe. Da stehen Personen um mich herum, die ich nicht einmal kenne. Eine Frau ist da und ein Mädchen steht neben ihr. Dann kniet auch noch ein mittelalter Mann nicht weit von mir entfernt auf dem Boden und am Ende des Flurs steht ein kleiner Junge. Aber niemand sieht aus wie Alex. Wo ist er? Panisch lasse ich meinen Blick über die Personen schweifen. Ich bin mir ganz sicher, dass ich diese besonderen blauen Augen gesehen habe. Immer und immer wieder starre ich den Personen in die Augen, aber niemand von ihnen hat blaue. Das macht mir nur noch mehr Angst. Ich zucke zusammen, als ich das Keuchen höre, das mir selbst entfahren ist. Ich kenne keine von diesen Personen, obwohl ich mir sicher bin, dass ich sie schon einmal gesehen habe. Mein Blick gleitet noch einmal über die Gesichter der anderen Personen, auf der Suche nach den blauen Augen. Aber ich finde sie nicht.

Und bevor ich erfahre, ob Alex nun hier ist oder nicht, werde ich psychisch nach hinten gedrückt und ein anderer Anteil strebt nach außen.

Will you still love me?Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ