Erklärung von zwei Begriffen, die ich in diesem Text verwende:
Zap: So wurde in den 70ern eine „Direct Action"-Taktik von der Gay Activists Alliance genannt, bei der Personen in der Öffentlichkeit konfrontiert wurden. Das Ziel war, diese lächerlich zu machen (die homofeindliche Sängerin Anita Bryant wurde beispielsweise mit einer Torte beworfen) und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf Gay Rights zu lenken.
Parias: So werden die Menschen in Indien genannt, die der untersten oder gar keiner Kaste angehören.
Wenn ihr andere Begriffe nicht versteht, könnt ihr mich in den Kommentaren fragen.
All meine Quellen werden am Ende des Textes aufgelistet.
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Ein gelungener Erfolg gegen die Autorität der Psychiatrie ist als Aktivist*innen die APA dazu gebracht haben, Homosexualität aus dem DSM zu streichen. Eine ihrer Methoden war es, Sitzungen über die Aversionstherapie und die Psychoanalyse zu „zappen". Mit dem Aufstieg letzterer verbreitete sie nämlich die Ansicht, dass Homosexualität eine psychische Krankheit sei. Aus diesem Grund wurden zu dieser Zeit queere Menschen zwangseingeliefert oder sie begaben sich freiwillig in Behandlung.
Nachdem viel Druck ausgeübt wurde, stimmte die APA 1973 darüber ab, ob Homosexualität aus dem DSM entfernt werden sollte. 5.854 Stimmen waren dafür und 3.810 dagegen. Es wurde versucht, das Ergebnis im Nachhinein damit zu diskreditieren, dass wissenschaftliche Fakten nicht von Abstimmungen abhängig sind. Allerdings waren es auch die Gegner*innen, die diese Abstimmung vorgeschlagen hatten.Weil die Psychiatrie in der Geschichte so viel Macht über queere Menschen ausgeübt hat (für manche ist das heute noch Realität), bezeichnet der Historiker Jonathan Ned Katz — dessen Schwerpunkt US-amerikanische Queer History ist — psychiatrische Behandlungen als eine der tödlichsten Formen von Homofeindlichkeit. Damit sind beispielsweise Medikamentalisierung (u. a. mit LSD), (chemische und Elektro-)Schock-, Aversions- und traditionelle Psy-chotherapien gemeint, sowie Lobotomien und weitere chirurgische Maßnahmen (Kastrationen, Vasektomien, Hysterektomien, Ovariektomien, Klitoridektomien, ...).
Auch wenn die Anerkennung, dass Homosexualität keine psychische Krankheit ist, ein Sieg von Bedeu-tung war, wodurch viel erreicht werden konnte, mussten für dieses Ziel psychisch Kranke unter dem Bus geworfen werden.
Einer der bedeutendsten Aktivist*innen überhaupt ist Frank Kameny. Dieser sagte 1964 in einer Rede:
„The entire homophile movement is going to stand or fall upon the question of whether homosexuality is a sickness and upon our taking a firm stand on it."
Lesbische und schwule Menschen haben versucht, zu beweisen, dass sie gesund sind, ohne das Konstrukt „Gesundheit" infrage zu stellen. Die Definition ist jedoch von Unterdrückungsideologien beeinflusst. Die Gleichsetzung von Homosexualität mit Gesundheit hat folglich neue Formen von Ausgrenzung herbeigerufen. Die Psychologin Evelyn Hooker ist beispielsweise dafür bekannt, in 1957 Studien durchgeführt zu haben, um zu beweisen, dass schwule Männer genau so gesund und intelligent sind, wie heterosexuelle Männer. Bei ihren Recherchen hat sie sich ausdrücklich von Kriminellen und Psychiatrie-Patienten distanziert. Eine Arbeitsstelle und keinen Strafregister zu haben, waren Voraussetzungen, um an ihren Studien teilzunehmen. Sie hat auch zwischen gesunde und kranke Homosexualität unterschieden. Zu gesunder Homosexualität gehörte dazu, dass betroffene Männer nur an monogamen Langzeitbeziehungen interessiert sind, sowie cis. Dazu mussten sie glücklich sein, was impliziert, dass sie nicht von Queerfeindlichkeit traumatisiert sein durften.
Auch, wenn das nicht direkt so erkannt wird, ist die Erwartung glücklich zu sein, saneistisch. Nicht nur das: Es verfestigt auch alle weiteren Unterdrückungsformen. Deshalb werden auch besonders hysterische, wütende, nicht-lächelnde killjoy feminists gehasst. Nur glückliche Menschen zu repräsentieren reproduziert Normen und Hierarchien, weil glückliche Menschen als beachtlicher gelten und weil es Wut verbietet — die Emotion, die Menschen für Veränderung motiviert. Während bei heterosexuellen Paaren Happy Endings überrepräsentiert sind, konnten queere Fiktionen nur dann veröffentlicht werden, wenn sie dramatisch endeten — so entstand die Trope „Bury Your Gay".
Um der Annahme entgegen zu gehen, dass Homosexualität ein Elend ist, haben Aktivist*innen also darauf beharrt, dass sie glücklich sind. Das hatte allerdings negative Auswirkung, wie Abram J. Lewis (Forscher in Queer Theory und Disability Studies) in einem Artikel beschreibt:
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Saneismus
Non-FictionHast du schon mal von Saneismus gehört? Es ist eine Form der Diskriminierung von psychisch kranken Menschen und diejenigen, die für solche gehalten werden, die oft übersehen wird. In diesem Buch werden wir einen tiefen Einblick in das Thema bekommen...