Olaf Holtz und Imke Reismüller-VonhumanitärerHilfeundderSchlechtigkeitderFrauen

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Unsere Ausbildung schritt voran, und die Zeit verging wie im Fluge. Schneider soff und spielte Tennis, Herti roch nach saurer Mich und las Bild, und ich orderte mein drittes eigenes Motorrad, eine Yamaha FZR 1000 Genesis, über die hier später noch einige Zeilen verloren werden. O's Genital in rot wurde geliefert, er konnte viermal das gleiche Kultaccessoire tragen, nur eins stellte sich einfach nicht ein: Sein Beischlaf mit einer Frau. 

Als wir uns etwa anderthalb Jahre kannten, beschloss ich, O trotz seiner ganzen Lächerlichkeit an meinem auch damals schon profunden Wissen teilhaben beziehungsweise davon zehren zu lassen. 

Zu jener Zeit war ich an Wochenenden regelmäßiger Besucher einer Diskothek im Dortmunder Nordosten, die sich Musikzirkus nannte. Den Namen erhielt die Lokalität daher, weil das Dach einer mit überdimensionalen Lichterketten verzierten Zirkuskuppel ähnelte. Es war eine relativ große Diskothek mit unterschiedlichen Musikbereichen. In der größten Disco wurden die Charts gespielt, und was in den kleineren seinerzeit abging, kann ich beim besten Willen nicht mehr rekapitulieren. 

Ich fragte O am Wochenanfang, ob er Bock hätte, mich Freitagabend dorthin zu begleiten. Sofort distanzierte sich der dünne Mensch ein wenig von mir und setzte seinen Schakalblick auf, um mich von oben bis unten wie ein verfaultes Stück Fleisch zu beäugen.  

Den Moment der Frage hatte ich weise gewählt, da weder Herti noch Schneider zugegen waren. Nicht dass ich sie minder gerne mitgenommen hätte - ganz im Gegenteil, das wäre sicherlich sehr spaßig geworden -, aber leider war auch schon seinerzeit bekannt, dass erst die Arbeit und dann das Vergnügen kommt. 

Wären sie dabei gewesen, hätte er Verrat gewittert und meine Frage sicherlich negiert. Es war ja meine Mission, ihm zum Beischlaf oder wenigstens zu einem beziehungsähnlichen Umstand oder zumindest zu einem Gespräch mit einer Frau zu verhelfen. Schließlich musste man ja nicht gleich nach den Sternen greifen und realistisch bleiben. 

Vorsichtig näherte er sich mir wieder und verlieh seiner Verwunderung ob meiner einfachen Frage mit faltiger Stirn Ausdruck:  

„Watt?" 

Da ich davon ausgehen musste, dass er die Frage inhaltlich nicht verstanden hatte, formulierte ich diese erneut, nur einfacher. 

„Nur wir beide?", fragte er skeptisch. 

„Ja klar! Dann machen wir voll einen drauf und lassen die Sau raus. Was meinst Du denn, was da für Chicks am Start sind. Mit Deiner oberfetten Karre bist Du voll der Player, Homie!" 

Ein Hauch von einem Grinsen huschte über das dünne Gesicht.  

Mein Gott. Was tut man nicht alles, um Missionar zu sein und den Menschen Gutes zu tun.  

Nicht nur, dass ich in diesem lächerlichen Gangsterslang formulieren musste, um ihn zu locken, nein, ich würde in seinem Calibra beifahren und meine Freizeit mit Olaf Holtz, einem der vermutlich dünnsten Menschen der westlichen Hemisphäre, verbringen müssen und somit Gefahr laufen, dass mich mehrere meiner Groupies mit ihm sehen würden. So käme ich eigentlich völlig unschuldig in einen Erklärungsnotstand. Das Leben könnte so einfach sein, wäre man nicht so selbstlos.  

„Okay. Dann hole ich Dich gegen 21 Uhr ab?", fragte er noch immer zögernd. Ich nickte zustimmend und war froh, O endlich überzeugt zu haben, um mich dann weiter dem Ausbildungsalltag widmen zu können. 

Im Verlauf der Woche passte er mich immer öfter ohne die beiden anderen Kameraden an allen möglichen Orten ab, um Fragen zu stellen, die für ihn existenziell zu sein schienen, mir aber ziemlich viel Selbstbeherrschung abverlangten. Man muss einfach so tun, als würde man das alles gut finden, sagte ich immer wieder zu mir selbst. 

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