Kapitel 3

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POV Stefanie:
Thomas hatte natürlich wieder mal recht. Die heiße Dusche tut richtig gut. Ich fühle mich, als würde ich mir die ganzen Erinnerungen der letzten Nacht von der Seele waschen. Es geht mir gleich ein bisschen besser. Was würde ich nur ohne Thomas machen. Er schafft es jedes Mal, mich zu beruhigen und ist einfach immer für mich da. Ich freu mich nachher auf die Probe, das lenkt mich wenigstens ab. Doch jetzt merke ich, dass mein Magen knurrt. Ich habe seit einer halben Ewigkeit nichts mehr gegessen. Eigentlich wollte ich das ja gestern Abend noch machen, aber da kam mir wohl Alex mit seinem Rausschmiss dazwischen. Ich ziehe mir einen Pulli von Thomas über, weil ich nicht wieder in die Klamotten von letzter Nacht schlüpfen möchte und meine Tasche, die ich gestern bei Alex gepackt habe, hab ich im Auto gelassen. Schnell mache ich mich fertig und gehe zu Thomas in die Küche. Es duftet herrlich nach Kaffee. „Ich hab mir einen Pulli von dir geklaut" grinse ich ihm entgegen. „Na, der steht dir ja fast besser als mir" lacht Thomas. „Komm, setz dich, ich hab gute Nachrichten" sagt er und reicht mir einen Kaffee und ein Brötchen. „Schieß los!" „Hannes hat grade geschrieben – er und Nowi brauchen heute dringend Schlaf, da wurde es gestern wohl etwas flüssiger. Er liegt bei Nowi zu Hause auf der Couch und will sich nicht bewegen" sagt Thomas. „Die beiden alten Herren halten wohl nichts mehr aus" lacht er „Wir können heute also blau machen". „Oh nein, bitte nicht" rutscht es mir sofort heraus. Verlegen sehe ich auf mein Brötchen.

Als ich langsam wieder hoch zu Thomas sehe, bemerke ich, dass er mich einfach abwartend und liebevoll ansieht. Er ist einfach so wundervoll, er drängt mich zu nichts und gibt mir jedes Mal die Zeit, die ich brauche. „Ich, ich würde schon gern in den Proberaum. Ich glaub', ein bisschen Ablenkung tut mir heute gut" sage ich schließlich. „A-aber wenn du nicht willst, ich kann auch alleine wohin" schiebe ich schnell nach. „Nichts da!" antwortet Thomas sofort „Wenn du Lust auf Musik hast, dann natürlich. Ich dachte nur, du willst heute vielleicht mal nicht arbeiten, aber wir haben schließlich genug zu tun. Also ich bin auf jeden Fall dabei." Gemütlich frühstücken wir fertig und machen uns dann auf den Weg zum Proberaum.

POV Thomas:
Stefanie denkt ja nicht wirklich, dass ich sie heute alleine lasse. Oft hat sie schon seltsame Ideen in ihrem Kopf. Als wir im Proberaum ankommen, müssen wir erstmal die Reste von Hannes und Nowis Party beseitigen. Da stehen schon einige Bierflaschen herum. Es wundert mich nicht, dass die beiden heute flach liegen. Stefanie ist in die Küche gegangen, um Kaffee zu machen. Als ich sie fluchen höre, muss ich lachen. Nowi kann noch so betrunken sein, auf das Ausstecken der Stecker aus der Steckdose vergisst er trotzdem nicht. „Na, hat unser Steckermonsterchen wieder mal zugeschlagen?" rufe ich lachend in die Küche. Als Antwort bekomme ich nur ein Raunzen, was mich noch mehr zum Lachen bringt. „Du bist so doof" ruft Stefanie aus der Küche und kommt raus. Sie nimmt ein Kissen von der Couch und schmeißt es mir an den Kopf. Na das bekommt sie aber zurück. Geschickt weiche ich ihrem nächsten Schuss aus und feuere gleich zwei Kissen zurück. Nach einigen Würfen, die hin und her gehen, treffe ich einen genau in ihr Gesicht. „Na warte!" ruft sie. Als ich mich umdrehe, um ein Kissen aufzuheben, kommt sie auf mich zugelaufen und springt mir auf den Rücken.
Ich bin so überrascht, dass ich das Gleichgewicht verliere und wir beide lachend am Boden landen. Ich kann nicht anders, als sie zu kitzeln. Lachend wälzt sie sich halb am Boden und halb auf mir liegend herum. Irgendwann ruft sie „Thomas, Stopp! Ich kann nicht mehr!". Ich ziehe die lachende Steff in meine Arme und schaue ihr direkt in die Augen. Wie kann man nur so wunderschöne Augen haben. Irgendwas macht diese Frau mit mir. Ich spüre ein Kribbeln in meinem ganzen Körper. Am liebsten würde ich sie einfach küssen...
Verdammt! Was ist denn nur los mit mir? Das ist Stefanie – meine beste Freundin. Meine beste Freundin, die gerade gestern Nacht von ihrem Freund verlassen wurde. Mensch Thomas, jetzt reiß dich doch mal zusammen. Endlich löse ich meinen Blick von ihren Augen. „Na, hast du mich jetzt genug geärgert?" lacht Stefanie.  „Na du hast doch gesagt, du brauchst heute Ablenkung" kontere ich. „Stimmt, also lass uns endlich was Sinnvolles machen" sagt Stefanie und steht auf. Sie hält mir ihre Hand hin, um mir aufzuhelfen. Während sie den Kaffee von der Küche holt, hole ich meine Gitarre und unsere Textnotizen.

Gemeinsam setzen wir uns auf die Couch und arbeiten einige Zeit wirklich konzentriert an unseren neuen Songs. Ich bin überrascht, wie gut Stefanie bei der Sache ist. Geht es ihr wirklich so gut oder kann sie nur perfekt vor mir verstecken, wie es in ihr drinnen eigentlich aussieht? Ich lasse sie einfach mal. Ich will jetzt auch nichts aufreißen, was sie selbst vielleicht grade mühsam zu unterdrücken versucht. „Erde an Thomas! Spielst du die Melodie jetzt noch mal oder erst morgen wieder?" reißt mich Steff aus meinen Gedanken. „Oh sorry, ich war grade in Gedanken" antworte ich. „Das habe ich bemerkt" grinst sie „Ich hoffe, es waren wenigstens schöne Gedanken?" „Äh, naja ich äh, ich dachte grade, dass die neuen Songs echt gut werden" stottere ich und merke, wie ich rot werde. So ein Mist. „Genau" sagt Steff trocken „Und ich hab grad den Osterhasen vor dem Fenster gesehen." Natürlich hat sie mich durchschaut. Sie kennt mich einfach zu gut. „Aber ich muss dir trotzdem recht geben, die neuen Songs werden wirklich gut werden – auch wenn du mir deine Gedankenwelt grade nicht anvertrauen willst" lacht sie. Schnell beginne ich die Melodie noch einmal zu spielen, damit sie sie nachsingen kann.

POV Stefanie:
Irgendwie ist Thomas heute komisch drauf. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, um mich von meinen eigenen Gedanken abzulenken. Ich bin wirklich froh, dass wir im Proberaum sind. Ansonsten würde ich sicherlich zusammenbrechen. Die Musik gibt mir Halt und ich kann für kurze Momente vergessen, was gestern Nacht passiert ist. Ich bin selbst überrascht, wie gut es mir gelingt, mich auf die Songs zu konzentrieren. Der Text von dem einen Song fesselt mich irgendwie. „Hab keine Angst vor deinen Schwächen, fürchte nie deine Fehler aufzudecken..." und ein anderer Teil lautet „Lass dich nicht täuschen, auch wenn's aus Gold ist. Lass dich nicht blenden, erst recht von falschem Stolz nicht. Lerne vergeben und verzeihen, lerne zu fesseln und zu befreien". Das Lied weckt die Kämpferin in mir. Ich habe so ein Bild vor meinem inneren Auge, wenn wir mit dem Lied auf der Bühne stehen, dass rundherum alles dunkel gemacht wird und jeder etwas zum Leuchten in der Hand hält. Vielleicht wird dieses Bild ja mal Wirklichkeit. Bis 19 Uhr arbeiten Thomas und ich durchgehend an dem Lied. Wir haben es endlich geschafft, den Text fertig zu bekommen und Thomas hat sich auch schon eine Melodie dazu überlegt, die perfekt passt. Wir nehmen gleich ein Demo davon auf, um es morgen Hannes und Nowi vorspielen zu können. Mal sehen, was die beiden dazu sagen und welche Veränderungsvorschläge sie noch haben.

Als Thomas und ich beschließen, es für heute gut sein zu lassen, merken wir beide, dass wir großen Hunger haben. Wir haben seit unserem Frühstück nichts mehr gegessen. Als Thomas mich fragt, ob ich lieber nach Hause will statt etwas zu essen, brechen plötzlich meine ganzen Emotionen, die ich den Tag über erfolgreich verdrängt hatte, aus mir heraus. Ich kauere mich auf den Boden und mein ganzer Körper bebt von meinem Schluchzen. Sofort spüre ich zwei starke Arme, die sich um mich legen. „Ist ja gut, ich bin hier" flüstert mir Thomas ins Ohr. Ich lehne mich an ihn. Ich habe keine Ahnung wie lange wir hier so sitzen – Minuten oder vielleicht sogar Stunden. Irgendwann merke ich, dass ich keine Kraft mehr habe, um zu weinen. Zitternd liege ich in Thomas Armen und spüre, wie er mir sanft über den Rücken streichelt. Endlich beruhige ich mich. „Darf, äh darf ich vielleicht wieder mit zu dir?" frage ich Thomas leise. Als Antwort zieht er mich hoch, gibt mir Jacke und Tasche, legt seinen Arm wieder stützend um mich und geht mit mir zur Türe „Na klar doch, meine Kleine!". Im Auto beschließen wir, bei Thomas einfach Pasta zu machen. Ich habe heute nämlich keine Lust mehr, irgendwohin zu gehen.

Das Leichteste der WeltWhere stories live. Discover now