Kapitel 47

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Zeitsprung: Mitte November 2008

POV Stefanie:
Die letzten paar Wochen sind wie im Flug vergangen. Wir haben uns recht selten mit der Band getroffen, um einfach mal ein bisschen Pause zu machen. Das nächste Jahr wird anstrengend werden: Da kommt das neue Album raus, einige Konzerte stehen im Terminkalender und vor allem steht eine große Tour mit dem neuen Album an. Da ist es gut, sich eine Erholungsphase zu gönnen. Nowi war drei Wochen irgendwo unterwegs und Hannes war viel in Hamburg bei Vera. Darum war diese Zeit auch für Thomas und mich sehr erholsam, da wir keine Heimlichtuerei benötigten, uns nicht verstellen und nichts überspielen mussten. Die paar Mal, die wir uns alle getroffen haben, bekamen wir gut hin. Mein Geburtstag war auch wunderschön. Da Nowi zu diesem Zeitpunkt nicht da war, haben wir erst eine Woche später mit den Jungs gefeiert. Und sie haben mir eine neue Einsinglampe geschenkt. Die andere habe ich ja an unserem letzten Aufnahmetag in meiner Wut kaputt gemacht. Direkt an meinem Geburtstag hat Thomas mit mir einen Überraschungsausflug ans Meer gemacht. Der Tag war einfach traumhaft. Nun haben wir Mitte November und da im Jänner die ersten Konzerte anstehen, müssen wir schön langsam wieder in Schwung kommen. Ab morgen treffen wir uns wieder regelmäßig im Studio und arbeiten an unseren Live-Performances. Die Tour fürs neue Album beginnt zwar erst im Mai, aber bei den vorherigen Konzerten können wir schon Einiges ausprobieren, was wir bei der Tour dann machen möchten.

Gerade liege ich in Thomas Armen in meinem Bett und seufze leise. „Was ist denn los, meine Kleine?" fragt Thomas sanft und streicht mir übers Haar. „Hmm...ich dachte nur gerade daran, wie das jetzt werden soll, wenn wir wieder ständig mit Hannes und Nowi zusammen sind. Denkst du nicht, dass das auf Dauer echt anstrengend wird, unsere Beziehung zu verheimlichen? Sollten wir es ihnen nicht endlich sagen?" Einen Moment herrscht Stille zwischen uns. Darum stütze ich mich auf Thomas Oberkörper auf, um ihn fragend anzusehen. Nachdenklich blickt er aus dem Fenster. Ich lege meine Hand an seine Wange und drehe seinen Kopf zu mir, damit er mich ansehen muss. „Steff...ich versteh dich...sicher wird das anstrengend...aber...ähm..." sagt er. Ich merke sein Zögern und falle ihm ins Wort „Willst du eigentlich gar nicht mit mir zusammen sein? Ist es das, warum du so zögerst, es den beiden zu sagen? Oder bist du dir noch nicht sicher mit mir?" frage ich und merke, wie mir die Tränen in die Augen steigen. Sofort wird sein Blick ganz liebevoll und er zieht mich noch enger zu sich. „Ach so ein Quatsch, Stefanie! Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mit dir zusammen zu sein. Ich möchte dich jeden Tag in meinen Armen halten, dich küssen und dich aus vollem Herzen lieben. Daran liegt es absolut nicht. Aber...ähm..." und wieder bricht er mitten im Satz ab. Mir fällt ein Stein vom Herzen, dass es nicht an mir liegt und dass er sich mit mir sicher ist. Trotzdem will ich ihn nicht so leiden sehen. „Thomas, bitte sag mir doch, was dich so beschäftigt! Warum fällt es dir so schwer darüber zu reden?" Ich sehe die Tränen in seinen Augen und muss ihm einfach einen zarten Kuss auf die Lippen drücken. Er atmet tief durch und beginnt dann endlich zu sprechen „Also...ahm...weißt du...ich hab einfach verdammt große Angst. Ich hab Angst davor, wie die beiden darauf reagieren. Schließlich hängt unser Herzensprojekt daran. Weißt du noch? Wir vier gegen den Rest der Welt! Was ist denn, wenn wir beide mal streiten. Müssen dann Hannes und Nowi darunter leiden? Oder...oder...finden die beiden das überhaupt so blöd, dass sie das alles so gar nicht wollen? Scheitert möglicherweise das Bestehen der Band an unserer Beziehung? Es hängt einfach so viel dran. Das, was wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben, könnte mit einem Schlag zusammenstürzen. Und...sollte sich die Band wirklich auflösen...was ist dann mit Hannes und mir? Kann mein Bruder mir dann überhaupt noch in die Augen sehen?" Mittlerweile laufen ihm die Tränen über die Wangen. Ich muss mitweinen, weil er genau das ausgesprochen hat, was mir selbst ja schon seit Wochen durch den Kopf geht. Und seine Angst, dass sein eigener Bruder möglicherweise nicht mehr mit ihm spricht, bricht mir das Herz. Weinend liegen wir uns in den Armen und haben eigentlich keine Lösung für den Grund unserer Tränen. Als wir uns beide ein wenig beruhigt haben, flüstere ich immer noch mit einem Kloß im Hals „Wir...wir machen einfach so weiter wie bisher und ähm...ja, wir werden das schon schaffen, ohne dass die beiden etwas bemerken" versuche ich uns beiden Mut zuzureden. Ich küsse Thomas noch einmal zärtlich und lege dann meinen Kopf auf seiner Brust ab und bin auch sofort eingeschlafen.

Am nächsten Morgen sind wir beide ein wenig bedrückt, versuchen es uns aber nicht anmerken zu lassen. Wir kennen uns aber mittlerweile so gut, dass uns das nicht gelingt. Bei unserem gewohnten Kuss an meiner Wohnungstüre flüstert Thomas „Wir bekommen das schon hin, Kleine! Ich liebe dich." Hannes und Nowi haben richtig gute Laune. Beide scheinen erholt und voller Energie zu sein. Thomas und ich geben unser Bestes, um da mitzuspielen, doch es scheint uns beiden nicht so ganz zu gelingen. Hannes fragt nur einmal, ob bei uns beiden alles gut sei, lässt es aber dann so stehen, als wir beide – vermutlich zu übertrieben – zustimmen. Die nächsten beiden Wochen sehen wir uns alle vier jeden Tag und ich merke immer mehr, wie meine Energie schwindet. Ich halte das nicht mehr lange durch. Ich muss mit Thomas heute Abend noch einmal darüber sprechen.

Wir waren lange im Proberaum und es ist ziemlich spät, als Thomas endlich bei mir in der Wohnung ankommt. Kaum ist er bei der Tür drin und hat seine Schuhe ausgezogen, ziehe ich ihn schon zur Couch. Thomas merkt sofort, dass etwas nicht stimmt, denn er nimmt mich in den Arm und sagt „Was ist denn los, Kleine?" Ich breche in Tränen aus und kann erstmal gar nichts sagen. Eine Weile später sehe ich zu ihm auf und beginne stockend zu reden „Thomas...ich...ich schaffe das nicht mehr länger...ich halt das Ganze einfach nicht mehr aus! Diese dauernde Anspannung, ja keinen auffälligen Blick zu dir zu werfen und ja nichts zu sagen, was uns beide verraten könnte...ich breche unter dieser Last bald zusammen. Wir müssen es den beiden sagen!" Es hat mich viel Überwindung gekostet, das herauszubekommen, aber ich bin froh, dass ich es gesagt habe...zumindest in diesem Moment. „Stefanie, ich...ich hab dir doch schon erklärt, was da alles dran hängt...ich kann das einfach nicht...Denk mal nach. Wir haben ein fertiges Album, das erst in ein paar Monaten auf den Markt kommt, und unsere Tour ist völlig durchgeplant, die Leute haben schon die Tickets gekauft. Das komplette nächste Jahr steht – stell dir mal vor, es gibt Silbermond plötzlich nicht mehr...und das nur, weil wir beide gedacht haben, dass unsere Beziehung wichtiger ist als die Band!" Bumm...das hat gesessen. Ich löse mich aus seinen Armen und sehe ihn kalt an. „Na wenn das so ist, dann kannst du gerne gehen" presse ich hervor und deute Richtung Tür. „Steff, bitte, du weißt, wie ich das gemeint habe. Doch nicht, dass..." versucht er sich zu erklären, doch ich will nichts mehr hören und unterbreche ihn „Geh jetzt bitte, ich muss über all das nachdenken und zwar ALLEINE!" Er merkt, dass es mir ernst ist und steht tatsächlich auf. „Stefanie, hör mich doch noch mal kurz an" bettelt er, doch ich schüttle den Kopf. „Du weißt, wo die Tür ist" sage ich und verschwinde im Schlafzimmer. Kurz darauf höre ich, wie sich meine Wohnungstür öffnet und wieder schließt. Er ist also wirklich weg...Was hab ich nur getan? Das...das wollte ich doch alles gar nicht. Mein hemmungsloses Schluchzen durchdringt die leere Wohnung.

Das Leichteste der WeltWhere stories live. Discover now