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Yuta dreht sich um und geht. Sicheng hockt weinend auf dem Gehweg.

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Winwin weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als er von einer Hand an der Schulter aus seinem tranceartigen Zustand gerissen wird.

Er hebt seinen Kopf. Schemenhaft erkennt er das Gesicht seiner Nachbarin. Aber er kann sich jetzt keine Gedanken darum machen, wie besorgt die Frau aussieht. Ihre Stimme dringt an seine Ohren, aber nichts von dem, was sie sagt, kommt in seinem Kopf an.

Nein. Er kann das nicht. Er kann nicht ohne Yuta. Das Ausmaß seines Fehlers wird ihm erst jetzt bewusst. Wie konnte er nur? Wie... wie konnte er nur?

Hastig springt er auf, stolpert über seinen Fuß und schlägt ein weiteres Mal auf dem Boden auf. Über sein Kinn läuft Blut, als er sich hektisch wieder aufrappelt. Er ignoriert die hilflosen Versuche seiner Nachbarin, ihn wieder zu Verstand zu bringen. Alles, was jetzt für Sicheng zählt, ist Yuta.

Er denkt nicht nach, er rennt los. Taeyongs Haus ist nicht so weit entfernt, aber der Weg fühlt sich für Sicheng wie eine dreistündige Wanderung durch die Sahara an.

Er zögert nicht, bevor er den Klingelknopf drückt. Keine zwei Sekunden später wird die Tür geöffnet und Taeyong steht im Rahmen. In Unterwäsche. Sexy Unterwäsche.

„Yuta, ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr. Bist du endlich von Sicheng- Sicheng!"

Röte steigt dem Koreaner ins Gesicht. Hastig rast er von der Tür weg und entflieht dem geschockten Blick Winwins, um sich eine Decke von der Couch zu krallen und diese um seine Schultern zu drapieren. So gut es geht verdeckt er seinen Körper mit dem Stoff.

Sichengs Gesichtsausdruck bleibt leer. Wenigstens hat er jetzt die Sicherheit, dass Yuta ihn wirklich betrogen hat. Aber das interessiert ihn jetzt gerade nicht wirklich.

„Ist Yuta hier?"

„Y-Yuta? Nein... nein. Ist er nicht", peinlich berührt lacht Taeyong auf, während er versucht, sich irgendwie aus der Situation zu retten, „warum sollte er denn hier sein? Ich meine... nein!"

Bevor der Ältere weiter vor sich hin stottern kann, unterbricht Sicheng ihn.

„Verkauf mich nicht für blöd, Taeyong. Ist Yuta hier, oder ist er es nicht?"

Seine Stimme ist fest, sein innerer Zusammenbruch lässt sich nicht heraushören, das hätte Winwin sich selbst nicht zugetraut.

Beschämt wandert Taeyongs Blick zum Boden. Er kann dem Größeren nicht in die Augen schauen.

„Nein, nein, ist er nicht. Er wollte kommen, aber er ist nicht hier."

Sicheng nickt. Dann dreht er sich um. Er antwortet nicht auf Taeyongs Fragen, die er ihm hinterherruft. Was das Ganze soll und wo Yuta ist. Er weiß es ja selbst nicht.

Das Einzige, was klar ist, ist, dass er ihn finden muss. Also macht er sich auf den Weg zu dem nächsten Ort, an dem er den Älteren vermutet.

Den Weg zu Yutas Haus ist Winwin schon so oft gelaufen, er könnte ihn wahrscheinlich im Schlaf bewältigen. Mehrere Male muss er sich fangen, bevor sein Gesicht ein weiteres Mal Kontakt mit dem Boden aufnehmen kann. Aber er fällt nicht hin. Er kann nicht. Sicheng muss jetzt zu Yuta.

Die ganze Begegnung mit Taeyong hat er noch nicht verarbeitet. Sein Gehirn läuft sowieso schon auf Hochtouren. Sichengs Gedanken kreisen um eine einzige Sache...

Wenn der Ältere ihm nicht vergibt, dann weiß der Chinese wirklich nicht, ob er sich selbst vergeben könnte.

Ein permanentes Rauschen hat sich in seinen Ohren festgesetzt, begleitet von einem unangenehm hohen Piepton.

Endlich kommt er bei dem Haus an, in dem Yutas Wohnung ist. Hastig klingelt er. Mehrmals. Keine Antwort. In seiner Panik drückt er alle Klingeln. Mehrere Gegensprechanlagen gehen an.

Er hört nicht, versteht nicht, was die Menschen ihm sagen. Schluchzend bringt er ein „Bitte, bitte, ich muss zu Yuta" raus, bevor einer der Hausbewohner sich schließlich dazu erbarmt, die Tür zu öffnen.

Sicheng hastet die Treppe zum dritten Stockwerk hoch, bis er vor der richtigen Wohnungstür steht. Mit zitternden Fingern fischt er den Schlüssel von unter der Matte hervor.

Für Winwin fühlt es sich an wie Ewigkeiten, bis er den Schlüssel endlich ins Schlüsselloch bekommen und umgedreht hat. Die Tür ist nicht abgeschlossen. Jemand ist hier. Davon ausgehend, dass ihm eben niemand aufgemacht hat, kann es nicht Yutas Mitbewohner sein. Er muss hier sein. Er muss einfach.

Sicheng stößt die Tür auf, der Schlüssel steckt noch, aber das interessiert ihn nicht. Er hat andere Sorgen. Wichtigere Sorgen.

So schnell er kann rennt er durch die Wohnung auf Yutas Zimmer zu, es ist leer. Das Wohnzimmer auch. Verzweifelt fährt Sicheng sich mit seinen Händen durch die Haare, zieht fast schon schmerzhaft an ihnen.

„Yuta! Yuta, verdammt, wo bist du?", schreit er. Keine Antwort. Stille. Bis auf... Winwin hört etwas. Ein rhythmisches Geräusch. Das Badezimmer. Er stürzt auf die Tür zu. Sie ist abgeschlossen. Yuta muss dadrinnen sein. So fest er kann wirft er sich gegen die Tür. Immer wieder. Sie geht nicht auf.

Schluchzend wirft er sich ein letztes Mal mit aller Kraft gegen das Holz, als er auf dem Fliesenboden aufkommt. Er hat es geschafft, die Tür ist offen.

Wo ist Yuta? Wo ist Yuta? Wo ist Yuta?

Da ist Yuta.

der yuta-effekt // yuwinWhere stories live. Discover now