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Der Anruf meiner Schwester war sogar noch schlimmer als befürchtet. Sie hat mich ungefähr eine halbe Stunde lang angeschrien und mir Vorhaltungen gemacht. Was mir einfallen würde, wie ich mit John so umgehen konnte und überhaupt. Am Ende war ich so unfassbar wütend auf sie gewesen, dass ich ihr ins Wort gefallen und ebenfalls laut geworden war. „Wenn dein ach so toller John mal gefragt hätte, wer ich bin, was ich will und was ich gern mag, anstatt ununterbrochen von sich zu sprechen, ja vielleicht wäre das dann was geworden. Aber er war so davon überzeugt, dass du ihm ja alles schon erzählt hast und ich eh so schwierig bin, dass er das gar nicht in Betracht gezogen hat. Genauso wenig wie du! Dich interessiert doch auch nur dein eigener Arsch! Was die Leute von dir halten und sowas. Das ist mir aber egal! Aber weißt du was nicht egal ist? Wenn ich von einem Date weg gehen will, weil ich es furchtbar finde, mir der Kerl dann nachläuft und mich ohne mich zu fragen einfach küsst, weil er denkt, dass er damit meine Meinung ändert! Weil er denkt, dass ich sowas nötig habe, immerhin hab ich ja dauernd schlechte Laune. Und weißt du warum das so ist? Weil mich niemand fragt was ich will! Weder du, noch unsere Eltern! Niemand will wissen, was ich machen will und irgendwann wusste ich das selbst nicht mehr und jetzt steh ich eben da wo ich bin... Also hör doch endlich auf mich fertig zu machen und sei zur Abwechslung mal einfach nur da und hör zu. So wie man das normalerweise von einer großen Schwester erwartet!"

Mit diesen Worten hatte ich, schwer atmend, aufgelegt. Das war jetzt eine Woche her. Zwischen Nila und mir herrschte seitdem Funkstille. Genauso wie mit meinen Eltern. Denn die hatten, nachdem ich mit Nila aneinander geraten war, angerufen und wollten mir auch Vorwürfe machen. Also habe ich hier ebenfalls aufgelegt. Ich konnte das einfach nicht mehr ertragen. Vor allem, weil ich mich selbst nicht mehr ertragen konnte.

Was wollte ich wirklich? Was wollte ich früher?
Neben der Frage was ich denn jetzt studieren wollte, schlich sich immer wieder Jannis Gesicht in meine Gedanken. Als ich gerade Informationen für ein duales Studium zusammen suche, fällt mein Blick auf mein Handy. Und wieder muss ich an den blonden Kerl denken. Ich entsperre also mein Display, öffne Instagram und finde dann über die Suchfunktion Jannis Profil. Eine Sekunde zögere ich, aber dann drücke ich auf den Namen. Viele Bilder hat er nicht darin, aber die paar, die ich sehen kann, sind wirklich gut. Jedenfalls für mein Verständnis von Fotografie. Ich schaue mir sein Profil eine ganze Weile an, bevor ich ihm eine kleine Nachricht schreibe. Auch wenn ich nicht weiß, ob das eine gute Idee ist. Ich habe einfach das Bedürfnis mich nochmal bei ihm zu bedanken. Treffen muss ich mich ja nicht gleich mit ihm.

Dieser Entschluss gerät allerdings schon ein paar Tage danach ins Wanken, denn Jannis ist wirklich sympathisch. Und das nur durch seine Nachrichten. Wir waren jetzt immerhin schon auf WhatsApp umgestiegen, denn das war einfacher als über Instagram. Jannis wollte wissen wie meine Tage waren, was ich so vor hatte und und und... Ich bin so viel Aufmerksamkeit gar nicht gewöhnt und an der ein oder anderen Stelle etwas überfordert. Aber Jannis will nicht nur Dinge über mich wissen, sondern lässt mir auch ab und an mal ein Foto, dass er eben mal so gemacht hat zukommen. Einfach, weil er denkt, dass es mir gefallen könnte und um mir eine Freude zu machen. Als kurze Guten Morgen oder gute Nacht Nachricht. Aber nicht aufdringlich. Jedenfalls kommt das bei mir nicht so an. Zumindest so lange, bis er mich heute morgen gefragt hat, ob ich nicht Lust hätte zu ihm zum Essen zu kommen. Er hat es mal eben so nebenbei einfließen lassen und ich weis jetzt nicht, was ich ihm darauf antworten soll. In den letzten Tagen habe ich immer recht schnell zurück geschrieben, aber heute weiß ich einfach nicht was ich machen soll.

Das Date mit John steckt mir irgendwie immer noch in den Knochen. Er hat zudem auch tatsächlich versucht nochmal mit mir zu sprechen und sich, zumindest per WhatsApp, halbherzig für den Kuss entschuldigt. Aber ich habe nicht vor mich nochmal mit ihm zu Treffen oder überhaupt mit ihm in Kontakt zu stehen, daher habe ich ihn ignoriert. Nicht wirklich erwachsen, ich weiß, aber... Das schlechte Gefühl in meinem Magen, sorgt aber dafür, dass es mir dann doch egal ist.

UnexpectedWhere stories live. Discover now