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"Ihr habt was?", rief Jungkook entgeistert und nahm Hoseok die arme Bertha aus der Hand, die er gerade in den dampfenden Kochtopf stecken wollte.

Die Henne protestierte laut und schlug wild mit den Flügeln, versetzte der Junghexe einen ordentlichen Hieb mit ihrem spitzen Schnabel.

Hoseok schrie schmerzerfüllt auf und rieb sich die blutige Wange, knurrte:

"Das hat echt weh getan...du dummes Vieh, wir hätten dich gleich bei diesem Bauernbengel lassen sollen - "

"Ich glaub das nicht, Hobi!", schüttelte Jungkook den Kopf, wiegte das verängstigte Tier in seinem Arm und ging etwas auf Abstand.

"Kim Taehyung ist mein bester Freund, seit ich ein kleiner Junge gewesen bin. Er hat mir immer frisches Brot gegeben, damit ich auf der Straße nicht verhungern musste und mich sogar im warmen Heu schlafen lassen. Ich verdanke ihm mein Leben und ihr bestiehlt ihn einfach? Ehrlich, ich kann es nicht fassen..."

Im selben Moment wurde die Tür der Hütte schwungvoll aufgerissen und Jimin stolzierte herein, seinen Besen in der einen und den Hut in der anderen Hand.

"Mein Mondscheinbad war einfach herrlich!", flötete er und besah sich sein makelloses Gesicht in einem kleinen Handspiegel, auch seine eben noch von grauen Strähnen durchzogenen Haare hatten nun wieder ein sattes Weißblond angenommen.

"Jungkook, du bist ja immer noch hier...was ist geschehen, du wirkst so blass..."

Anklagend streckte Jungkook ihm Bertha entgegen, musterte die Junghexe mit ernster Miene:

"Wenn mich nicht alles täuscht, gehört diese Henne Kim Taehyung, dem Farmer. Und ihr beide werdet sie heute noch zurück bringen, verstanden?"

Jimin glotzte wie ein Fisch, noch nie hatte man ihm irgendeinen Befehl erteilt.

Dieser Bauernjunge war doch selbst schuld gewesen, dass sie ihm sein Huhn gestohlen hatten.

Also musste er auch die Konsequenzen tragen.

"Dieses törichte Ding bleibt hier, ob du willst oder nicht, Bengel!", zischte Jimin und packte Jungkook abermals am Ohr, seine Freundlichkeit gegenüber ihm war lediglich nur von kurzer Dauer gewesen.

"Und wenn du nicht als Küchenschabe enden willst, sei schön brav und bring endlich das Abendessen auf den Tisch. Sonst gibt es heute nämlich frischen Menschenbraten, wie ich ihn am liebsten mag..."

Er ließ den 15 - Jährigen abrupt los und Jungkook stieß mit dem Ellbogen unsanft gegen den Holztisch, fluchend verschwand er in der Waschküche.

Hoseok war auf seiner Seite, entgegnete:

"Tu, was er sagt, Jimin. Je eher wir dieses Huhn loswerden, desto eher haben wir unsere Ruhe vor dem Bauernjungen..."

"Fällst du mir gerade in den Rücken, Hoseok?", keifte Jimin, seine grünen Augen begannen zu funkeln.

"Ich würde mich nicht so aufspielen, wenn ich du wäre, Mischling!"

Hoseok schnappte entsetzt nach Luft, war das Wort Mischling doch eine schwerwiegende Beleidigung für jede Halbhexe dort draußen, zu denen Hoseok seit seiner Geburt gehört hatte.

Er wich langsam gegen die Wand zurück, erkannte Jimin überhaupt nicht mehr wieder.

Eine düstere Aura umgab seine Gestalt, jene düstere Aura, die Hoseok seit langem gefürchtet hatte, dass sie seinen Freund verschlingen würde - und nun war dieser Moment wohl gekommen.

"Keinen Schritt näher!", zitterte Hoseok, schluckte schwer.

"Ich weiß, was du getan hast, Park Jimin...du hast deine bösen Rituale an mir durchgeführt, du hast mich ausgenutzt. Du hast unsere Freundschaft ausgenutzt, nur um dich mächtiger zu machen...du bist es gewesen, der den König verflucht hat. Genau deinetwegen landen wir bald auf dem Scheiterhaufen, deinetwegen müssen wir uns verstecken - sag, macht dich das etwa glücklich?"

Jimin reagierte nicht, hob Hoseok mit einer Leichtigkeit hoch, wie er sie noch nie zuvor besessen hatte.

Seine zuvor grünen Augen hatten die Farbe von einem satten Rot angenommen und seine Finger wurden zu scharfen Krallen, die sich in Hoseoks Kehlgrube bohrten.

"Es gefällt mir zu sehen, wie unser lieber König leidet!", murmelte Jimin mit krächzender Stimme, legte den Kopf schief.

"Noch bevor die Sonne am Tag X verglüht, wird er sterben und dieses Land in ewige Dunkelheit stürzen...dann werde ich an seiner Stelle sein und die Krone tragen. Wir könnten gemeinsam über Seoul herrschen, was hältst du davon? Du als mein persönlicher Berater und ich als treuer Monarch - nichts wird mehr wie vorher sein, mein Lieber..."

"Wir sind keine Eroberer!", röchelte Hoseok, so gut es eben in Jimins hartem Griff ging.

"Wir sind ungebunden, wir ziehen von einem Ort zum anderen, um dort vielleicht irgendwann akzeptiert zu werden...die Menschen tragen keine Schuld an unserem Leiden, nicht einmal der König. Es sind die vielen Geschichten über uns, die uns als Feinde betiteln, als Monster und Dämonen...diese gilt es, zu bestrafen. Diese gilt es, zu berichtigen, sodass den Menschen endlich die Augen geöffnet werden und sie sich sicher sein können, dass Unseresgleichen keinesfalls böse ist..."

Jimin horchte auf, plötzlich gingen ihm Namjoons Worte noch einmal durch den Kopf.

Dort, wo ich herkomme, würden Euch die Menschen mit offenen Armen empfangen. Ihr und Euer Gefährte könntet in Frieden leben und müsstet nie mehr um Eure Fähigkeiten fürchten, dass sie Euch genommen werden.

Nicht alle Geschichten über Hexen beschrieben diese gleich als Monster, als Teufelsbrut.

Kim Namjoon hatte seine eigene klare Meinung über Hexen, dass sie wundersame Geschöpfe mit ebenso wundersamen Fähigkeiten waren.

Dass sie genauso fühlten, genauso lachten wie Menschen.

In der Taverne unten im Dorf hatten Jimin und Hoseok schließlich nicht nur Schlechtes gehört, sondern auch Gutes.

Da war beispielsweise eine schwangere Frau gewesen, die ihr erstes Kind beinahe durch plötzliches Herzversagen verloren hatte und in letzter Minute von einer alten Kräuterhexe geheilt worden war.

Ein junger Bäcker berichtete, dass ihm einst das Mehl ausgegangen war und er von einer Hexe noch am selben Tag Neues erhalten hatte - bis heute war er in diese schöne Frau unsterblich verliebt und wollte sie irgendwann wieder sehen.

Selbst Kim Taehyungs Vater, ein Bauer aus Daegu, erzählte von einem Jungen auf einem echten Besen, der ihm alle weggelaufenen Schafe in Sekundenschnelle zurück auf die Weide getrieben hatte.

Und obwohl diese Menschen von den anderen Dorfbewohnern immer noch verspottet wurden, hatten diese Drei eins gemeinsam - sie glaubten daran, dass Hexen eben nicht nur böse waren.

Und genau diese Sicht der Dinge musste man dem König einbläuen, sodass er seine Jäger vielleicht noch zurück rufen und der Fluch sich nicht erfüllen konnte.

Jimin lockerte den Griff um Hoseoks Kehle, seine Augen glühten nun nicht mehr in einem beklemmenden Rot und auch seine Finger waren keine Krallen mehr.

"Du hast Recht, Hoseok!", wisperte der Blonde und lächelte, setzte sich seinen Hexenhut wieder auf.

"Wir sollten dem Bauernjungen die Henne zurück bringen und zwar sofort. Also, schwing dich auf Duko und komm mit mir, mein Bester!"

Jungkook, der das alles mit angehört hatte, streckte seinen Kopf aus der Waschküche und fragte zaghaft:

"Und das Abendessen?"

"Hast du mir etwa nicht zugehört, Junge?", sagte Jimin und zog einen Schmollmund.

"Geh und hab Spaß. Aber dalli, bevor ich dich wirklich in eine Kröte verhexe. Vielleicht finden wir unterwegs noch einen Fuchs, den wir zubereiten können - auf in die Lüfte, mein Mochi!"



Witch's Brew || Yoonmin ✔Where stories live. Discover now