2. Sünnwitterin

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 »Pesk«, zischte Tuna und schlug zornig nach einem niedrigen Ast, der ihr ins Gesicht hing

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»Pesk«, zischte Tuna und schlug zornig nach einem niedrigen Ast, der ihr ins Gesicht hing

Bei dieser Bewegung schoss ein scharfer Schmerz durch ihre Körpermitte. Sie klammerte sich am nächstbesten Baumstamm fest, krümmte sich und würgte, bis der Schmerz wieder verebbte und die Übelkeit nachließ.

Erst vorgestern hatten mehrere Wodminsch-Heiler ihre klaffende Bauchwunde versorgt, die lose Haut zusammengenäht und mit übelriechenden Tinkturen bestrichen, doch Tuna hielt nicht viel von der angeordneten Bettruhe.

In dieser Hinsicht war sie wie Zander. Sie musste sich bewegen, um zur Ruhe zu kommen. Und ihr Körper musste das aushalten. Ob ihm das nun gefiel oder nicht.

Noch einmal kräftig um sich schlagend, richtete Tuna sich wieder auf und setzte ihren Weg fort. Wobei sie, genau genommen, kein wirkliches Ziel hatte. Sie wollte einfach nur laufen. Vielleicht mit der vagen Hoffnung im Herzen, irgendwann etwas zu finden, das nicht grün war oder nach Blumen, süßem Nektar und feuchter Erde stank.

Bis jetzt ohne Erfolg.

Der Wald schien sich endlos in alle Richtungen auszudehnen. Darin versteckt lagen immer wieder kleine Dörfer, die sie an eine vornehme Version des Modderhauvens erinnerten. Die Häuser der Wodmisch bestanden meist aus Holz und waren mehr in Baumrinden geschnitzt als aus Balken und Brettern neu errichtet worden. Sie befanden sich sowohl in Bodennähe, gut geschützt und beinahe unsichtbar unter mächtigen Wurzeln und großen Pilzen, als auch in Astgabelungen und Baumwipfeln, die viele Dutzend Meter in den Himmel ragten. Dort bildeten die Bäume ein beinahe lückenloses Blätterdach, das Wind und Wetter aussperrte.

Es irritierte Tuna mehr, als sie zugeben wollte, nicht zu wissen, wie der Himmel über ihrem Kopf aussah. Auch das Fehlen jeglicher Luftströmungen war ihr unangenehm.

In Myr Ryba ging immer ein laues Lüftchen oder eine steife Brise. Und selbst wenn es einmal windstill war, ließen sich daraus viele Erkenntnisse über kommende Ereignisse gewinnen.

Hier im hohen Norden war alles einfach nur grün, drückend warm und stickig. Als gäbe es kein Wetter. Als wäre der Himmel – abgesehen von einem gelegentlichen Murmeln, Rascheln und Knistern – zum Schweigen verdammt worden.

Doch das Fehlen von Wind und Wetter war nicht das Einzige, das Tuna belastete.

Seit Iris und sie vor ein paar Tagen in den Wodlanden angekommen waren, schien alles aus den Fugen geraten zu sein. Zanders Aufbruch, ihre lange Reise, die Nunmenschen, der Krieg und ihre Verletzung hatten Tuna keine so große Angst eingeflößt wie das, was gerade mit Iris vor sich ging. Vor allem, weil sie nicht genau wusste, was gerade mit Iris vor sich ging.

Ihre adelige Begleiterin hatte sich in eines der Zimmer, das ihnen von den Wodminsch bis zum Empfang bei Königin Liten zur Verfügung gestellt worden war, zurückgezogen und gab nur unverständliches Kauderwelsch von sich. Lediglich zwei Dinge hatte Tuna klar heraushören können: Salmon war tot und Zander ein Gefangener in Myr Paluda.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches BlutWhere stories live. Discover now