Fremde Familie

Gräber

Fast alle erschienen zur Beerdigung am Mittag. Drei Grabstätten für drei Tote. Sophia, Shawn, der Stiefbruder von Maggie und Beth sowie Anette, Hershels Frau. Doch er selbst fehlte. Samantha hatte ihn seit der Schießerei nicht mehr gesehen. Sie war allerdings der Meinung, dass er wenigstens zur Beerdigung seiner Frau kommen sollte. Selbst Beth, die in keiner guten Verfassung war, kam und wurde von Patricia gestützt.

Beth war blasser als sonst und schwieg nicht nur während der Beerdigung. Bis auf Lori, die eine kurze Rede hielt, herrschte Schweigen. Doch Samantha hörte kaum zu. Sie starrte auf Sophias Grab und versuchte die Tränen zurückzuhalten. Ein paar schlichen sich auf ihre Wangen, welche sie gleich wieder mit dem Handrücken wegwischte. Sie bemerkte noch nicht einmal, dass Lori geendet hatte und nun alle wieder ihrer Wege gingen.

Erst als ihr die Stille zu viel wurde, konnte Samantha ihren Blick vom Grab loseisen und sah jeden in eine andere Richtung gehen. Dann folgte sie T-Dog und Andrea zur Scheune, da sie am Morgen mit ihnen eingeteilt wurde, um den Beißerhaufen zu verbrennen.

„Wir begraben die, die wir lieben und verbrennen die anderen", hatte Lori bestimmt.

Aber wurden alle anderen nicht geliebt? Hatten denn nicht alle ein Begräbnis verdient?

Samantha schnappte sich die Handschuhe, die T-Dog ihr entgegenhielt und zog sie an. Der blaue Pick-up stand neben der Scheune und wartete darauf, beladen zu werden. Worte wurden auch hier kaum gewechselt. Hin und wieder ein paar Anweisungen, mehr nicht. Jeder funktionierte nur, mit den Gedanken bei Sophia.

Beißer für Beißer schleppten sie auf die Ladefläche des Wagens, bis er hinten deutlich tiefer lag. Dann setzte sich T-Dog hinein, während Andrea und Samantha es sich auf der Heckklappe bequem machten. Sie fuhren auf die Wiese, die unterhalb der Scheune lag. Dort würden sie das große Feuer veranstalten.

Es dauerte eine ganze Weile, bis die drei alle Beißer wieder vom Pick-up geholt und auf einen Haufen gelegt hatten. Einen toten Körper nach dem anderen. Es stank unheimlich, sodass Samantha durch den Mund atmete und selbst dies half nur in Maßen. Doch jemand musste es tun. Jemand musste einfach aufräumen und diese fast unerträgliche Arbeit erledigen. Es lagen genug Tote herum, da musste man diese nicht auch noch ignorieren.

Diese Prozedur wiederholten sie einige Male. Samantha zählte nicht mit, wie viele Leichen sie schleppen mussten. Ihr war egal, was sie da tat. Ihre Gedanken kreisten um die Schießerei. Es war falsch, was Shane getan hatte, auch wenn Andrea und T-Dog anderer Meinung waren. Er hätte auf Rick hören und warten sollen, bis der Anführer das mit Hershel regeln würde. Er hatte es sich mit dem Farmer verscherzt, sodass es nur eine Frage der Zeit war, bis dieser sie von seinem Grundstück werfen würde. Schließlich hatten fast alle geholfen, die Beißer zu erschießen. Unter den Toten befand sich auch seine Frau. Niemand will seine Frau verlieren. Nicht zweimal.

Als Andrea den Arm des letzten Beißers auf den Haufen warf, holte T-Dog einen Kanister aus dem Pick-up. Er gab ihn der Brünetten, sodass sie die Toten damit übergießen und er sie anzünden konnte. Sofort entflammten die Dämpfe und die Klamotten der Leichen begannen zu brennen. Bei der Hitze ging alles schnell.

Die drei traten einige Schritte zurück, da es nur wenige Sekunden brauchte, um eine gewisse Höhe zu erreichen. Es musste unter Beobachtung abbrennen. Sie konnten nicht riskieren, dass das Feuer auf das umliegende Gras oder die Bäume überging.

Samantha starrte in die Flammen und ließ den gestrigen Tag Revue passieren. Es war eine Menge vorgefallen und alles konnte man als schlechte Ereignisse bezeichnen. Ihr Gesicht sah genauso aus, wie sie sich fühlte. Blau, geschwollen und gerötet. Selbst Carl erschrak sich bei ihrem Anblick, was sie durchaus nicht wollte. Doch so sehr es auch schmerzte, Samantha würde es wieder tun und nichts an ihrem Handeln ändern. Sie hatte keine Angst vor Shane, doch sie musste mehr auf der Hut sein. Er wurde langsam verrückt.