Kapitel 2

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Es waren mehrere Personen, die geradeaus in das flackernde Kerzenlicht traten. Mit zusammengekniffenen Augen registrierte ich zwei Männer in eisernen, schwarzen Rüstungen, welche die Umgebung mit ihren Augen analysierten.

Eine weitere Gestalt betrat den Raum mit schweren Schritten, umhüllt von einem schwarzen Samtumhang. Dieser war nicht nur auf den ersten Blick von unschätzbarem Wert und ich hätte alles dafür getan, ihn zwischen meinen Fingern berühren zu dürfen.

Zwar verhinderte das zähe Schattenspiel eine Erkenntnis über die Identität des mysteriösen Kunden, doch die Öffnung des Umhangs entblößte eine beige Stoffhose. Ein Mann also, schloss ich sofort.

Ich krallte meine Finger fester in das Holz, des mich verdeckenden Geländers und bemühte mich möglichst alle Einzelheiten aufzusaugen.

Dann erkannte ich das königliche Symbol, welches lediglich einen Wimpernschlag lang  zwischen dem stählernen Metall aufblitzte. 

Eine schwarze Schwalbe, die vor einer strahlenden Sonne Richtung Westen flog, machte den Großteil des Wappens aus. Des Weiteren wurde es von dunkelgrünen Ranken umrandet, auf welchem, wenn man ganz genau hinsah auf der Spitze ein weiterer Vogel platziert worden war.

Vögel, insbesondere Schwalben, schienen im Königshaus Hirundo aus irgendeinem Grund einen außergewöhnlichen Stellenwert zu haben. Man munkelte, dies stände in Beziehung mit dem Verschwinden der Mutter des Königs: In jenen Tagen sei sie als Schwalbe wieder geboren und genoss nun ihre Freiheit in den Bergen des Landes. Der Mythos veranlasste den König selbst, das Wappen dementsprechend anpassen zu lassen und die Schwalbe als neues Wahrzeichen anzuerkennen.

Ein Mitglied des königlichen Hauses hatte also tatsächlich das Geschäft betreten, ohne dass es jemand von außerhalb wahrnahm. Mein Herz klopfte wie wild gegen meine Brust, doch Morris lächelte indes selig und begrüßte seine Kundschaft mit einer Verbeugung.

„Guten Abend, eure Hoheit. Ich habe Sie bereits erwartet", die rätselhafte Person nickte stumm, während sie ihm einen kleinen Zettel überreichte.

Morris überflog diesen kurz und verschwand für einen Augenblick aus meinem Blickfeld. Kurze Zeit später schleppte er einen Haufen Bücher herbei, die gefährlich auf seinem Arm schwankten.

Ich erfasste verschiedene Werke, die ich ebenfalls bereits durch gelesen hatte, entdeckte jedoch keines meiner Lieblingsbücher. Statt übernatürliche Romane, beschränkte sich die Ausbeute auf Sachbücher, rund um... Ich stockte kurz. Pflanzen? Gleich drei dieser Art türmten sich auf Morris Arm, der Rest bestand ausschließlich aus alten Gedichtbänden, die selbst schon aussahen, als würden sie jede Sekunde zu Staub zerfallen.

Die Gestalt machte keine Anstalt dazu, Morris die Bücher abzunehmen. Einer der Wachposten kam ihr zu vor und teilte den Stapel in der Hälfte auf, nur um ihn dann dem anderen Mann in die Hand zu drücken.

Keines Blickes würdigte die Person ihren neuen Schätzen, stattdessen starrte sie genau in meine Richtung, bis sich unsere Blicke trafen, als wüsste sie genau, dass sie nicht alleine war.

Ich reagierte sofort und drehte meinen Kopf weg. Die Hitze, die in meinen Kopf schoss, überraschte mich fast genauso sehr, wie die plötzliche Lebendigkeit der mysteriösen Gestalt.

Ich vernahm einen Haufen Münzen, der auf den Schreibtisch fiel, wartete in meinem Versteck aber, bis die Schritte in der Dunkelheit verhallten.

Prompt stolperte ich die Treppe hinunter und starrte Morris an.

„Wer war das?", platzte ich atemlos hervor.

„Das kann ich dir nicht sagen", erwiderte Morris und betrachtete mich besorgt, „Ich glaube nicht, dass sie dich gesehen haben, keine Angst".

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