Kapitel 6

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Kaum zwei Stunden später war die letzte Person an der Reihe: Es war eine hochgewachsene Brünette, welche pausenlos den Mann unterbrach, welcher kläglich versuchte seine Fragen abzuarbeiten. Zuletzt weigerte sie sich, die Information über ihre Beziehungsverhältnisse offenzulegen.

Seufzend bat er die Frau zur Seite, diese hatte ihm aber schon freudestrahlend den Rücken gekehrt, sodass ich jetzt auch ihr Gesicht erkennen konnte.

Arm, sah sie wahrlich nicht aus: Ihre Wangen glänzten in einem nicht aufdringlichen Rosa und auch ihre Lippen zierte ein blasser Rotton. Zudem trug die Fremde ihre braunen Haare in einem abgestuften Bob, dessen Enden umsichtlich zu einer Welle gekämmt waren. Darüber hinaus glänzten sie in voller Pracht mit ihren silbernen Ohrringen um die Wette.

Geradewegs steuerte sie auf uns zu, wobei ich mich fragte, weshalb sie gerade uns ausgesucht hatte. Schließlich standen hier um die vierzig andere potenzielle Gesprächspartnerinnen.

Auch Tahnee hatte die Frau bemerkt und hob neugierig ihren Kopf. Wurde allerdings, noch ehe sie etwas sagen konnte, von der Fremden unterbrochen:

„Guten Tag, die Damen, darf ich mich zu Ihnen gesellen?", überrascht von dem förmlichen Ton, rutschte ich zur Seite, sodass sie sich neben mir niederlassen konnte.

„Aber gern", erwiderte Tahnee gleichzeitig.

Innerlich betete ich dafür, dass daraus kein Gespräch entstand. Ich war viel zu nervös, um eine irrelevante Unterhaltung zu führen.

Als hätte die große Frau meine Gedanken gelesen, ergriff sie nun das Wort: „Wahrlich wunderschönes Wetter, nicht wahr? Weder zu heiß, noch zu kalt", Tahnee nickte, deutlich erfreuter über die soeben beginnende Unterhaltung, als ich es war,

„Im Übrigen heiße ich Hazel. Hazel Bronte, um genau zu sein".

„Sehr erfreut. Mein Name ist Tahnee und das", Tahnee legte eine Hand auf meine Schulter, „Ist Eliza".

Krampfhaft setzte ich ein Lächeln auf und ließ mir von ihr die Hand schütteln: „Freut mich", murmelte ich, während ich versuchte meine Hand zu befreien.

Tahnee zierte sich nicht, sich mit Hazel über ihre Verhältnisse auszutauschen. So erfuhr ich, dass sie vor kurzem von ihrem Ehemann verlassen wurde, der - wie sie betonte – ein durchaus betuchter Stoffhändler war.

Ohne Mann änderte sich ihr Leben schlagartig, denn sie saß von einem Tag auf den anderen auf der Straße. Das wichtigste (ihre unzähligen Kleider und Schmuckstücke) führte sie seither in ihrem ledernen Koffer mit sich.

Glücklicherweise hatte sie an jenem Tag durch eine Freundin von dem Stellenangebot erfahren, sodass sie sich jetzt hier befand.

„Nicht auszudenken, wenn ich mich jetzt noch in meiner Heimat befinden würde. Was würden nur die Leute von mir denken?", hatte sie ihre Entscheidung begründet.

Und sie hatte durchaus recht: Denn eine geschiedene Frau war spürbar verwerflicher, als eine Frau, die ihren Status als wohlhabende Ehefrau verlor.

Trauer um die beendete Liebesbeziehung konnte ich trotzdem beim besten Willen nicht bei ihren Erzählungen heraushören. Vielmehr sorgte Hazel sich um ihren Ruf und ihr Aussehen. Falls sie einer der Stellen ergattern würde, konnte ich es mir nicht ausmalen ihr beim Arbeiten zuzusehen.

Hiernach fielen die beiden in eine intensive Diskussion über das Leben in einem königlichen Schloss, wobei ich mich dankbar ausklinkte.

Mittlerweile war der Tisch vorne abgebaut worden. Stattdessen unterhielt sich eine fein gekleidete ältere Frau, dessen graue Haare ihr bis zur Schulter reichten, mit einem der Männer, die zuvor die Befragungen durchgeführt hatten.

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