Kapitel 8 - Elidh

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Der Spiegel vor der zukünftigen Königin zeigte ein fehlerhaftes Abbild ihrer selbst. Zumindest war sie sich dessen sicher, sie würde in der Realität nicht dermaßen blass aussehen. Darüber hinaus, strahlte ihre Gestalt Gewissheit, aber vor allem Überlegenheit aus.

Die Gabe, ihre wirklichen Gefühle zu überdecken, hatten ihr bereits häufig in herausfordernden Situationen geholfen, so auch an diesem Tage.

Hinter ihr schnürte ihre Mutter das Korsett des cremefarbenen Kleides enger. Kurzerhand vernahm die Frau, wie sich das Volumen innerhalb ihrer Brust deutlich verringerte.

Der Atem in ihrer Lunge stockte und verließ hörbar ihren Mund. Zur gleichen Zeit offenbarte sich ihre wahrlich nicht ausschweifende Oberweite. Ihr Spiegelbild hob die Augenbrauen, während es den Kopf senkte und in ihr Dekolleté sah.

„Tapferes Mädchen", die kratzige Stimme der Person hinter ihr, verstärkte die seltsame Atmosphäre, die den Raum erfüllte.

Dabei war ihr bewusst, dass sie nicht nur das hautenge Korsett an ihrer Brust meinte. Der Begriff „Mädchen" war zudem im gleichen Maße fehlplatziert, da das Alter der Frau bereits sechsunddreißig Jahre zählte.

„Du wirst die wunderschönste Braut, die das Königreich je gesehen hat", die Motivation ihrer Worte waren hörbar durch Beruhigung geprägt. Innerlich dankte sie ihr für die emotionale Unterstützung. Dennoch behielt sie äußerlich die Fassung: „Nur für dich, Mutter".

Die Entscheidung für diesen Schritt, hatte ihr Vater indirekt für Elidh übernommen. Und selbst er tat es nicht für sich selbst. Denn das Herzogshaus Royceston in Frankreich war nicht nur in seiner Existenz bedroht, sondern musste auch der tödlichen Erkrankung der Herzogin – ihrer Mutter – begegnen. Dass für die notwendigen Medikamente ebenfalls das Kapital fehlte, braucht an dieser Stelle nicht erwähnt zu werden.  Sodass, der Herzog seine Kontakte zum Königshaus spielen ließ und ein Treffen zum Tee vereinbarte.

Obgleich es Elidh schon im Vorhinein wunderte, wieso sich der Sohn der verwitweten Königin auf eine Herzogintochter einließ. Auch er musste es nötig haben. Und sie sollte Recht behalten.

Der Tag, an dem sie ihn das erste Mal traf, war ein kühler Herbsttag, eine Woche nach ihrem sechsunddreißigsten Geburtstag. Auf Raten ihrer Sittenlehrkraft hin, trug sie ein bedecktes hellblaues Kleid, welches farblich perfekt zu dem runden Hut passte, der ihre kurzen schwarzen Haare verdeckte.

Von einem Diener, der sich als Etjen vorstellte, wurde das Herzogenpaar und die dazugehörende Tochter in das Kaminzimmer geführt. Das Feuer loderte im Kamin, während die Familie auf den gepolsterten Möbeln Platz nahm und auf das Erscheinen der Königsfamilie wartete.

Elidh war auf eine Weise nervös, die sie selbst so nicht kannte. Ihr war bewusst, welche Verantwortung in diesem Moment auf ihren Schultern lastete. Trotz dessen konnte Elidh nicht leugnen, dass sie nicht um das Schicksal ihrer Eltern wetteifern wollte. Aber hier saß sie nun und musste sich jetzt bemühen, um ihrer Mutter willen.

Nach einer Weile betrat Prinz Harold zuerst den Raum: Seine langen schwarzen Haare hatte er sich hinter die Ohren gekämmt, wobei sich einige Strähnen trotzdem nach vorne drängten. Die tiefen Furchen in seinem Gesicht zeichneten sein stolzes Alter von fünfzig Jahren ab. Dem ungeachtet, hatte Harold eine attraktive Erscheinung, die sie zugleich in seinen Bann zog. Zur Begrüßung verbeugte sich die Herzogenfamilie  und wiederholte dies, als die Königin folgte.

Hätte man Elidh nicht vorher über die Verwandtschaft der beiden informiert, so hätte sie dies in keinem Falle erkannt. Die Königin senkte ihren Blick, sobald sie jemand ansah und ordnete sich ihrem Sohn unter, indem sie nur selten die Stimme erhob. Hingegen dominierte Harold das ganze Geschehen:

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