Kapitel 11 - Elidh

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Die Stille, die das Schloss mitten in der Nacht umgab, hatte beinahe etwas Friedliches. Genau so hatte sich Elidh diesen Abend vorgestellt. Die Erleichterung, die sie in wenigen Tagen endlich erreichen würde, sollte sich auf die ganze Atmosphäre des Landes ausbreiten – so hoffte sie wenigstens.

Keine Frage, trug sie dafür doch die ganze Verantwortung, weshalb sie kaum daran zweifelte zu scheitern. Zu groß war die Menge an Adrenalin, das sich in einer immensen Geschwindigkeit in ihren Adern ausbreitete.  Außerdem war sich die Königin einfach zu sicher, dass niemand ihr auf die Schliche kommen würde. Schließlich hatte sie diesen Abend bereits mehrere Male im Kopf durchgespielt, versucht jede Eventualität zu erfassen und auszumerzen.

Fehlerlos war sie keineswegs. Ihre neue Zofe hatte sie immerhin bei ihrem üblichen Rundgang hin zu ihrem versteckten Schatz überrascht. Dort hatte die Königin zumindest feststellen können, dass die Pflanze endlich bereit ist. Bereit, ihr ein neues Leben zu schenken. Nun musste sie lediglich ihren weiteren Plan folgen und alles würde genau so geschehen, wie sie es sich ausgemalt hatte.

Des Weiteren kam die Königin ebenso wenig ohne Hilfe aus: Den abgelegenen Buchladen hatte sie natürlich nicht ohne Grund erkoren. Schon im Vorhinein hatte sie sich erkundigt, welches Geschäft sich für ihr Vorhaben hätte eignen können. Schließlich sollte es möglichst weit entfernt und trotzdem gut ausgestattet sein. Dementsprechend bat Elidh ihren Berater, ihr – unter einem Vorwand -  mit einer Liste aller wirtschaftlichen Gebäude des Landes auszuhelfen. Dort stach Browns Books sofort heraus.

Da sie nicht um etwaige Mitwisser herumkam, versteckte Elidh ihre Absichten hinter ihrem Sinn nach Poesie, den man hier im Schloss kaum befriedigen konnte. Zwar besaß die Schloss eigene Bibliothek eine Vielzahl an grandiosen Büchern, doch trotzdem – so begründete die Königin – hätte es nicht ausgereicht. Ihr Berater brachte dieser Begründung Verständnis auf, weshalb die Königin fast schon Schuldgefühle hatte, dieses Vertrauen zu brechen.

Und dies gleich zweimal: Immerhin hatte ihr die erste Ausbeute nicht ausgereicht, da das erworbene Buch über Pflanzen, lediglich die exotische Flora beinhaltete. Beim zweiten Mal achtete sie genauer darauf, Lexika explizit über lokale Gewächse anzufordern. Trotzdem wurde Elidh erneut enttäuscht: Die meisten Pflanzen waren einfach unmöglich in der Beschaffung, oder wiesen Mängel in der Todesart auf. Eine Lösung musste her:

Damals gab ihr der dort anschließende Rückweg aus der Stadt mit der Kutsche, wieder einmal viel Zeit zum Nachdenken. Aus heiterem Himmel wurde das rädernde Gefährt langsamer, wobei es gleichzeitig gefährlich nach rechts schwankte. Unsanft wurde die Königin aus ihrem Sitz gerissen und stieß sich rabiat die Stirn an der Wand des Wagens. Zuvor war sie beinahe eingedöst, denn der wackelnde Untergrund hatte für sie etwas Beruhigendes.

Kurzerhand öffnete Elidh den blauen Vorhang, welcher die Fensterscheibe bedeckte. Zunächst konnte die Königin den Grund des plötzlichen Stopps nicht ausmachen.

Stattdessen fand sie sich in einem Kiefernwald vor, der im Dunkeln nicht gerade einladend schien. Vorne auf dem Kutschbock hörte Elidh Stimmen, die scheinbar miteinander diskutierten. Währenddessen wurde eine Öllampe vom Wagen abmontiert, sodass sie nun mehr als die groben Umrisse des Waldes ausmachen konnte.

Im stockfinsteren Wald war die Kutsche – zumindest aus der Perspektive der Königin - der einzige Beweis an Lebendigkeit.

Als Begleitpersonen hatte man ihr zwei ausgebildete Wachen zur Verfügung gestellt, mit welchem sie kaum ein Wort gewechselt hatte. Auch die beiden Männer hatten kein Interesse daran, sich mit ihr zu unterhalten, dementsprechend fungierten sie abwechselnd als Kutscher.

Ihr wurde der überdachte Kutschenwagen überlassen, in dem sie Gelegenheit bekam, ihre neuen Bücher durchzublättern. Daher war Elidh schon auf dem Rückweg bewusst, dass sich diese Fahrt mal wieder als umsonst bewiesen hatte.

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