Kapitel 9

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Das Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Es überraschte mich nicht, Madame Thurgood vor der Tür stehen zu sehen. Sie war gekommen, um mich abzuholen und mich – ganz nebenbei –  noch einmal daran zu erinnern, stets pünktlich, sowie hübsch zu sein.

Die Route führte uns wieder durch die Eingangshalle, wo mittlerweile die Gendarmerie Spuren sicherte. In diesem Moment wurde die Leiche der jungen Zofe auf eine Trage abtransportiert.

Man hatte ihr eine Decke über den leblosen Körper  gelegt. Zwei Männer hoben die Tote mithilfe der Trage in Richtung des Ausgangs.

Ich sah ihr lange nach, bis ich bemerkte, dass ihre Hand von der Liege hinunterhing. Erst dann wandte ich mich ab, sodass ich den Rest des Tatorts inspizierte.

Zudem entpuppte sich das Messer, als schmaler Dolch, den man ohne Probleme an seinem Körper mitführen konnte. Der silberne Knauf hatte die Form einer Krone und mündete im leicht abgerundeten Griffstück, welches im Zentrum eine Sonne formte. Außerdem bestand die Parierstange aus zwei Menschen, die den Dolch horizontal festzuhalten schienen. Diese blutgetränkte Tatwaffe lag aufgereiht neben einem Schlüssel, der vermutlich der Toten gehörte und die Scheide, die ebenso mit prächtigen Kunstwerken verziert worden war und die Geschichte von einem Krieger erzählte, welcher das Schild in den Himmel streckte.

Noch immer war der Boden mit dunklem Blut überströmt. Auch die Hofdame schaute sich das Schauspiel besorgt an, scheinbar hatte sie selbst ihren Appell  zur Pünktlichkeit vergessen. Doch urplötzlich drehte sie sich um und steuerte den kleinen Festsaal an, welcher – wie ich später erfuhr – häufig für Ansprachen, oder Reden verwendet wurde.

Dieser war mittlerweile gut gefüllt: Um die hundert Stühle waren für die Gäste des bevorstehenden Balles vorbereitet und mit Menschen besetzt worden. Trotz dessen führte mich die Hofdame hinter das Rednerpult:

„Die notwendigen Angestellten sind natürlich dazu angehalten stillschweigend zu bewahren und bei Notwendigkeit euer Majestät zu Hilfe zu eilen".

Ich nickte, doch erspähte gleich drei freie Stühle.

„Für wen ist denn der dritte Stuhl?", merkte ich an und die Antwort folgte sogleich: „Nicht nur die Königin verfügt über eine persönliche Kammerzofe. Der Kammerdiener des Königs ist Etjen. Er arbeitet schon sein halbes Leben als Vertrauter des Königs und wird daher hier sehr geschätzt".

Noch waren der Thron der Königin und des Königs leer, ebenso das Pult am anderen Ende des Raumes. Auf der linken Seite ermöglichten bodentiefe Fenster einen Ausblick in den Park, welcher an dem sommerlichen Tag zu einem Spaziergang einlud. Der Kronleuchter, welcher von der Decke hing, war dementsprechend nicht angezündet.

Madame Thurgood gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich mich auf einem der Stühle hinter dem Pult Platz nehmen sollt. Ich wählte die Sitzgelegenheit auf der äußeren rechten Seite, sodass ich einen guten Blick auf das Publikum erhaschen konnte.

Die Zuhörer unterhielten sich angeregt miteinander. Hingegen hegte ich kein Interesse daran, mit Madame Thurgood zu plaudern. Es erschien mir unangemessen, in diesem Rahmen einen Schlichtungsversuch mit der allzu strengen Hofdame zu starten.

An dieser Stelle wurde ich ungeduldiger denn je: Ich hatte zuvor noch nie das Königspaar kennenlernen dürfen und war dementsprechend mehr als nur gespannt darauf, sie zum ersten Mal zu sehen. Doch sie ließen auf sich warten. Zuvor steuerte ein Mann in einem schwarzen Anzug auf das Pult zu: Er begrüßte Madame Thurgood leise mit einem Handkuss und nahm schließlich neben ihr Platz. Auch mich begrüßte der Fremde mit einem Nicken.

Seine blauen Augen wirkten müde, die Schatten unter seinem Sehorgan sprachen Bände. Er fragte Madame Thurgood laut nach meinem Namen: Sie erörterte ihm die Hintergründe über mein unerwartetes Auftreten und er schien zu verstehen.

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