Prolog - Elidh

227 49 41
                                    

Wie lange konnte ein Mensch  Hass ertragen, ohne, dass er zusammenbrach? Genau zwei Jahre, fünf Monate, sechzehn Tage und – sie stockte, um einen Blick auf ihre Taschenuhr zu werfen – zehn Minuten. Solange hatte es bei ihr gedauert.

Keine Garantie dafür, dass jemand anderes es nicht hätte länger aushalten können. Doch sie war stolz auf ihren Erfolg. Denn es war ein Opfer gewesen, welches sie gegen einen glamourösen Lebensstil ausgetauscht hatte. Nicht, dass ihr vorher das Ausmaß über diese Entscheidung bewusst gewesen war. Trotzdem wollte sie nicht länger das Opfer ihres eigenen Lebens sein. Sie wollte viel mehr, als sie sich selbst hätte vorstellen können. Aber vor allem wollte sie, dass er leidet. Für jede Träne, die irgendwann verstummte, weil sie doch nichts ausrichten konnte, sollte er bezahlen. Und er würde es, denn dafür hatte die junge Frau gesorgt.

Lange hatte es nicht gedauert, bis ihr diese famose Idee in den Sinn kam. Es war an einem Donnerstagnachmittag, der Tee war gerade serviert worden und die getrockneten Blätter badeten im dampfenden Wasser. Er unterhielt sich mit einem Vertreter der Kleriker. Wieder einmal legte sich das selige Lächeln auf seine Lippen, was Außenstehenden vorgaukelte,  er sei die Freundlichkeit in Person. Doch sie konnte er nicht täuschen.  Die Striemen auf ihren Rücken zeigten, wozu er imstande war.

Natürlich lächelte auch sie, als der Mann in der Mönchskutte ihr zuprostete. Mit einer Tasse Tee, wie unsittlich, dachte die junge Frau. Ihre Hände ruhten gefaltet auf ihrem Schoß. Sie selbst spielte die Rolle der untergeordneten Ehefrau vorzüglich. Keiner würde auf die Idee kommen, dass es in ihrem Inneren brodelte. Einen weiteren Schluck Tee später, löste sie die Hände nicht von der warmen Tasse. Stattdessen öffneten und schlossen sich die Finger ihrer Rechten stetig auf eine beruhigende Art und Weise. Auf. Zu. Auf. Zu. Auf.

Anders als ihr Mann – sie kräuselte sich bei dem Gedanken ihn so zu nennen – war sie lediglich zur Darstellung ihrer Selbst anwesend. So wusste sie nicht, worum das Gespräch handelte. Um ehrlich zu sein, interessierte es sie auch nicht. Viel beschäftigter war sie mit ihrer Wut, teils über sich selbst. Gefangen in einer Ehe, die sie so niemals gewollt, geschweige denn ihrem schlimmsten Erzfeind gewünscht hätte, gab sie sich selbst die Schuld für ihren Schmerz.

Abrupt durchfuhr ihren Körper ein geistiger Blitz, der sie mit dem nötigen Adrenalin versorgte. Und da war er. Der Einfall, an dem sie zunächst nicht einmal einen weiteren Gedanken vergeudet hätte, wenn sie nicht die Zeit gehabt hätte, sich ihm zu widmen. Schlussendlich bewies er sich jedoch als überaus raffiniert.

Jetzt stand sie also hier. Lange würde es nicht mehr dauern, bis ihr Plan greifen mochte. Die junge Frau kniete sich zu dem Kräuterbeet, welches sie extra für diese Zwecke hatte, anlegen lassen und begutachtete die Pflanzen. Hinter den Beeren, versteckte sich ein weiterer Strauch, der sich erst nach genauerem Hinsehen  offenbarte. Beinahe unschuldig wuchs er in die Höhe und präsentierte unter seinem Ahornförmigen Blatt drei einzelne Blüten. Noch waren sie in grüne Knospen verpackt, doch schon bald würden sie blühen. Frühest an diesem Tag würde sie zum ersten Mal seit zwei Jahren, fünf Monaten, sechszehn Tagen und zwanzig Minuten, wieder in Ruhe schlafen können.

Black Velvet Where stories live. Discover now