83. Kapitel

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Das Mädchen wandte sich den unglaublichen Rüstungen aus Gold und Silber und Edelsteinen zu. Sicher war das die königliche Waffenkammer, merkte sie an, wer sonst verfügte über solchen Reichtum? Jedes Stück hier hätte ganz Gondor eine reichliche Mahlzeit verschafft, und vielleicht Rohan dazu.

Linda beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sich Dori eine der Rüstungen aussuchte. Mit der Hilfe seiner Brüder zog er sie an, ein schwieriges, aufwendiges Prozedere. Nach und nach schienen alle anderen etwas gefunden zu haben, außer natürlich Linda, die keine Ahnung hatte, wonach sie suchen sollte.

Dieses Mal war es nicht Balin, sondern Dwalin, der ihr zeigte, welche Ausrüstung sie haben konnte. Stück für Stück assistierte er ihr, in den Ganzkörperanzug zu schlüpfen. Den Helm gab er ihr in die Hand und das Mädchen wankte aus der Tür, den anderen hinterher.

Sie konnte sich kaum bewegen. Irgendwie schaffte sie es, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Bei jedem Schritt klapperte das Metall aufeinander, das Geräusch echote in den tiefen Hallen. Die Gemeinschaft war nun vollständig ausgerüstet, doch es war Nacht, keine Zeit, in den Krieg zu ziehen.

Die Gemeinschaft lief im Gleichschritt, sie ließen Bilbo und Thorin bald hinter sich. Das Mädchen spürte den Blick des Königs auf sich ruhen.

Wieder zurück in ihren Gemächern, wurden die Wachdienste für die Nacht eingeteilt. Linda war froh, dass sie keinen zu übernehmen hatte. Ihr war schlecht und die Rüstung wog mehr als eine Tonne. Sie verabschiedete sich, stolperte in ihr Zimmer.

Zuerst das unsinnige Schwert mit breiter Klinge, weil sie das nicht einmal mit beiden Händen ordentlich führen konnte. Der Helm fiel sofort daneben (sie sah durch den Augenschlitz nur das, was direkt vor ihr stand), die an ihrem Gürtel befestigten Äxte schienen zwar nützlich, halfen ihr aber nichts, da sie nicht mit ihnen umgehen konnte.

Dann legte sie die ledernden, mit Eisen beschlagenen Handschuhe ab. Sicher nicht schlecht, doch viel zu unhandlich. Vorsichtig beugte sich Linda nach vorne. Die beiden Beinschienen aus Metall, dann die für die Unterarme. Sie versuchte, die Schnallen für den Brustpanzer aufzubekommen. Nach einer Weile schaffte sie es tatsächlich und sie konnte wieder ordentlich atmen.

Nun zog sie noch das obere Kettenhemd aus, was ihr über die Knie und bis zu den Ellbogen ging. Das Mädchen konnte sich wieder bewegen, konnte wieder ihr Schwert bewegen, wenn es benötigt wurde. Was war sie, ein mittelalterlicher Turnierritter? Sie hoffte, dass sie dieses Zeug nie wieder anziehen musste.

Sie hatte unter der eben abgelegten Garnitur immer noch das angehabt, was sie in der ersten Waffenkammer gefunden hatte. Noch ein Kettenhemd, Schutz aus Leder und viele Klingen. Sicher nicht die beste Ausrüstung, jedoch passte sie viel besser zu ihr als die, die nun auf ihrem Boden in ihren Einzelheiten verteilt lag.

Wie um alles in der Welt sollte sie in dem Aufzug eines menschlichen Panzers einen Ork abstechen? Sie tat ihnen den größten Gefallen, wenn sie in ihrer neuen Konservendose dort aufkreuzte, denn dann würde sie ohne große Einwirkung an Erschöpfung sterben.

Vorsichtig bahnte sie sich ihren Weg zum Bett und legte sich seufzend hin. Das geschafft, ein weiterer Punkt abgehakt, ein weiterer Tag beendet. Leider wusste sie zu gut, was nach Sonnenaufgang geschehen würde.

Linda erwartete nicht, dass sie in dieser Nacht schlafen konnte. Und so war es auch. Die Stunden zogen sich zäh wie Orkblut dahin, das einzige Geräusch war ihr regelmäßiger Atem. Nachdem sie die Fackel gelöscht hatte, war das Zimmer in Dunkelheit getaucht.

Immer wieder tastete sie nach Schwert und Dolchen, ihre Lebensversicherung. Sie hatte nicht vor, diese im Schlaf abzulegen. Sie hatte Angst. Zum Einen vor Thorin, dessen Verhalten unvorhersehbar war, zum Anderen vor dem Bevorstehenden.

Tochter der Menschen - Hobbit-FFWhere stories live. Discover now