14. Kapitel

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„Also, zuerst solltest du vielleicht ein Gefühl für deine Waffe bekommen", meinte Kíli, der ein paar Meter von Linda entfernt stand und sein eigenes Schwert locker in den Händen hielt. „Fuchtel meinetwegen erstmal ein wenig herum, die Klinge muss zur Verlängerung deines Armes werden."

Das Mädchen umfasste mit der rechten Hand den Griff von Gebirgsfrost und zog es langsam heraus. Sie betrachtete es. Die schon tiefstehende Sonne ließ es glitzern und strahlen, wann immer sie es drehte. „Nur zu, einfach mal machen", ermunterte der Zwerg sie. Er hatte nämlich vor, seine Wettschulden einzulösen.

Als sie kurz zuvor ihr Lager aufgeschlagen hatten, war es noch hell genug für ein paar Lektionen gewesen. Jetzt stand Linda also mit einer Klinge in der Hand auf einem großen Felsvorsprung. (Es ging einige Meter neben ihr ziemlich tief runter, aber diese „Ausrede" hatte Kíli nicht zählen lassen.) Ein wenig abseits von den beiden befanden sich die Ponys, die Fíli zurückhielt, beziehungsweise stand er dort, rauchte Pfeife und sah ihnen belustigt zu. Und Linda sollte ein „Gefühl für ihr Schwert" bekommen.

Der junge Zwerg wartete. Vorsichtig bewegte die Schwarzhaarige die Waffe durch die Luft, erst langsam und bedächtig, dann ein wenig schneller. Nur zu gut, dass sich um sie herum niemand befand, selbst Kíli stand vorsorglich weit außerhalb ihrer Reichweite. Inzwischen gingen die Zwerge auf Nummer sicher und trauten ihr alles zu. Das war Linda nur allzu recht, jedoch würde sie ihre Erwartungen hinsichtlich der Schwertkampfkunst enttäuschen müssen. Besser gesagt: Sie tat es bereits.

Das Mädchen sah nach ein paar Minuten zu ihrem Lehrer. „Nun gut, wie ich sehe, führst du dein Schwert mit der rechten Hand. Vielleicht probierst du mal das Folgende aus, aber achte dabei auf deine Haltung und Beinstellung", erläuterte er und führte sogleich eine Aktion vor. Zuerst in Originalgeschwindigkeit, dann nochmal in Zeitlupe. Konzentriert stellte sich Linda die Bewegungsabläufe vor.

Zögernd setzte sie ihre Füße und quälend langsam schwang sie das Schwert durch die Luft. Fragend blickte sie zu Kíli. Er erklärte: „Deine Beinarbeit war für den Anfang schon mal sehr gut." Klar, denn das war der häufigste Fehler bei Protagonistinnen in Hobbit-Fanfictions, das konnte sie sich merken. „Es ist eher... deine Schwertführung. Dann kannst du das Ganze auch mal schneller probieren."

Fíli schaltete sich ein: „Lass sie doch mal auf irgendetwas einschlagen." Der braunhaarige Zwerg drehte sich zu seinem Bruder um, er war nicht erfreut über diesen Einwurf, da der Ratgebende an einem Felsen gelehnt Pfeife rauchte und sich über sie beide amüsierte.

Nicht, dass er da der einzige gewesen wäre, dieser Bereich war auch von den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft einsichtbar. Kíli erinnerte Fílis Anwesenheit an seine verlorene Wette, und auf die war er nicht gut zu sprechen, also auf die Tatsache, dass er gegen ein Mädchen verloren hatte. Deshalb antwortete er mit bissigem Unterton: „Vielen Dank für diesen überaus konstruktiven Vorschlag, Bruder."

Linda freute sich über den Lernfortschritt des Zwerges in Sachen Ironie, während der Blondhaarige versöhnlich sagte: „Nein, nein, das meine ich ernst. Sie hat doch in der Luft keinen Widerstand, das ist einfach komplett anders."

Besänftigter entgegnete Kíli: „Und wo willst du solch einen Widerstand herbekommen? Wir haben immer mit Übungspuppen geübt, und so etwas wie Strohballen gibt es hier auch nicht."

Der Blonde legte seine Pfeife ab, trat zu seinem Bruder, der ihn skeptisch musterte, und zog seine Kurzschwerter. Zwei zwergengemachte Klingen, sie glitzerten im späten Glanz des weit entfernten Feuerkörpers. Kíli verstand. Er rief Linda zu: „Du kannst mit Fíli üben!" und grinste seinen Bruder triumphierend an, der kopfschüttelnd der Anweisung Folge tat. Fíli lächelte aber dabei nachlässig, wie es nur große Brüder tun konnten.

Tochter der Menschen - Hobbit-FFWhere stories live. Discover now