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Erst nach dem Duschen wurden die Schmerzen wieder so richtig schlimm.

Unbeholfen stehe ich vor dem Spiegel und blicke auf meinen vernarbten und verwundeten Körper, während ich nur in einer kurzen Shorts und einem einfachen BH in meinem Zimmer stehe.

Diese Situation erinnert mich an was.

Vor zwei Tagen in der Bar.

War Kilian dort nicht in einer ähnlichen Situation?

Ein leises Quietschen ertönt und lässt mich fast schon panisch zittern.

Schnell sehe ich zur Seite, doch schon sieht mein Bruder perplex auf meinen Körper.

Natürlich habe ich genügend an, doch er scheint wohl verdammt erschrocken über die blauen Flecken und die Schnittwunden zu sein.

"Was zur Hölle?", fragt er immer noch total perplex.

"Mike", beginne ich und will auf ihn zugehen, doch er geht einen Schritt zurück.

"Mike, nein!", sage ich laut und schon vollkommen verzweifelt.

Erst jetzt sehe ich hinter ihm meinen Zwilling und Kilian stehen, die mich ebenfalls vollkommen schockiert mustern.

Die sind gerade jedoch ziemlich nebensächlich.

"Mike!", brülle ich nun laut, doch er ignoriert mich und läuft eilig den Gang entlang und die Treppe herunter.

Was zur Hölle wollten diese Idioten überhaupt in meiner verdammten Etage?!

Schnell schnappe ich mir ein Shirt, ziehe es mir im Gehen über und renne ihm hinterher.

Kurz vor dem Wohnzimmer hole ich ihn ein und versuche ihn zurückzuziehen, doch er ist stärker, weshalb es mir nicht einmal ansatzweise gelingt.

"Mike, nicht!", flehe ich laut, doch er reißt sich los und läuft die restlichen Schritte ins Wohnzimmer.

Kurz denke ich darüber nach, einfach davonzurennen.

Aus dem Haus und dann aus der Stadt.

Ich möchte das nicht alles wieder aufwühlen.

Ich habe mich gerade erst damit abgefunden.

Dennoch folge ich ihm ins Wohnzimmer und sehe ich panisch an.

"Mom!", beginnt er laut und sofort halten die drei Erwachsenen mit ihren Gesprächen inne.

Vor Schmerzen lege ich mir beide Arme um den Bauch.

"Mike, halt die Klappe!", mahne ich weiterhin ungezügelt laut.

Er zeigt wütend und mit angespannten Muskeln zu mir nach hinten.

"Scarlett hat überall blaue Flecken und Schnittwunden an ihrem Körper!", entblößt er einfach laut eines der größten Geheimnisse, die ich jemals hatte.

Auch die beiden Jungs betreten nun den Raum und kommen hinter mir zum Stehen, doch ich schenke ihnen keine Aufmerksamkeit, sondern unterdrückte stattdessen das ängstliche Zittern.

Wütend sehe ich meinen großen Bruder an.

Mir ist klar, dass er sich wahrscheinlich nur Sorgen macht und mich nicht aus Spaß verpetzen will, dennoch ist es nicht das richtige.

Mom steht sofort auf und kommt auf mich zu.

Sie sieht schockiert und wütend zugleich aus und blickt kontrollierend an mir auf und ab.

Gerade will sie nach meinem Shirt greifen, da schlage ich ängstlich ihre Hand bei Seite und schüttel schon fast flehend den Kopf hin und her.

Wieder zögere ich und ertrinken schon fast in der Stille, doch dann packe ich sie am Handgelenk und ziehe sie nach draußen in den Wintergarten, ehe ich die Tür hinter mir schließe.

"Stimmt es?", fragt sie zögerlich und zurückhaltend, da sie wohl merkt, wie mich diese ganze Situation beeinflusst.

Ich nicke vorsichtig und sofort hält sie sich erschrocken die Hand vor den Mund.

"Ich erkläre es dir, nur bitte bleib ruhig", sage ich sanft und leise.

Sie zögert, doch dann nickt sie mir zustimmend zu, was mir etwas Halt zu geben scheint.

Ich erzähle ihr von dem Autounfall, den ich mit meinem Freund hatte.

Er hatte zu viel getrunken, doch das wusste ich zu dem Zeitpunkt leider noch nicht.

Wir sind einfach über die Straßen gefahren, bis uns ein LKW entgegenkam.

Plötzlich hatte Jason keine Kontrolle mehr über den Wagen und der LKW hat uns vollkommen gerammt.

Jason war sofort tot, während ich vollkommen verletzt war.

Ich lag zwei Stunden neben der Leiche meines Freundes und konnte mich, wegen des Glasstückes in meinem Bauch und meinen eingeklemmten Beinen, nicht rühren.

Eine Woche, bevor ich herkam, wurde ich erst aus dem Krankenhaus entlassen.

Sie hält sich schockiert die Hand vor den Mund und Ihre Augen füllen sich langsam mit Tränen.

Das ist ein Grund, warum ich es ihr nicht erzählt habe.

Mitleid.

Ich hasse Mitleid.

"Mom mir geht es gut. Wirklich. Versprich mir bitte nur, dass du es niemandem erzählst", flehe ich wieder verzweifelt.

Ich kann definitiv nicht gebrauchen, dass Johnson davon erfährt und es freudestrahlend durch die gesamte Schule schreit.

Sie will einen Schritt auf mich zu machen, doch ich schüttel nur leicht den Kopf.

"Bitte, Mom", flehe ich erneut.

Widerwillig nickt sie und wischt sich dann die Tränen von den Wangen.

"Dankeschön", sage ich ziemlich schwach und drehe mich um, nur um dann wieder hineinzugehen.

Langsam gehe ich an allen vorbei und ignoriere ihre Blicke.

Nur komme ich nicht drumherum, meinem Zwilling in die Augen zu sehen.

Wieder spüre ich dieses Unwohlsein.

Schnell laufe ich die Treppe nach oben in meine Etage und schließe die Tür hinter mir ab.

Warum bin ich nicht vorher darauf gekommen?

Das hätte mir so verdammt viel erspart.

Schnell ziehe ich mir mein Shirt wieder aus und wische, mit einer Kompresse das neue Blut ab, ehe ich einfach ein Pflaster darauf klebe und mich müde in mein Bett fallen lasse.

My BullyWhere stories live. Discover now