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Liam POV

Erschöpft von meiner heutigen Sporteinheit, trat ich aus der Dusche. Es war Sonntag, wenn ich jetzt Mila fragen würde, könnte sie mir sofort beantworten, der wievielte Tag es nach dem Amoklauf war. Keine Ahnung, warum sie das mitzählte. Es machte doch eigentlich keinen Unterschied, ob es nun Tag 3 oder Tag 7 war, das einzige, das zählt ist, dass es vorbei ist.
Aber ich war da sowieso etwas anders als meine jüngeren Geschwister. Während die alle noch etwas mitgenommen waren, wobei es bei Mason eigentlich immer noch am schlechtesten aussieht, war es für mich schon abgehakt. Klar, das war ein Amoklauf, zwar gab es keine toten Schüler, aber trotzdem war es eben ein Amoklauf.
Am schlimmsten für mich war die Angst, dass ich Mila nicht richtig beschützen kann. Was hätte ich groß machen sollen, wenn der Amokläufer zu uns in den Klassenraum gekommen wäre? Eigentlich nichts. Ich hätte mich auf sie gelegt, so dass sie keine Kugeln abbekommt, aber selbst das ist keine Garantie dafür, dass sie unverletzt oder lebend aus so etwas heraus kommt. Das einzige, das wir machen konnten, war ruhig bleiben, abzuwarten und Vertrauen in die Polizei zu haben.
Klar war es auch für mich ein Schock als der Polizist vor unseren Augen erschossen wurde und gestorben ist, allerdings konnten wir nichts an der Situation ändern. Er war ein Polizist, der wusste, dass er jederzeit im Dienst sterben konnte, besonders in so einer Ausnahmesituation wie der Amoklauf. Er kannte das Risiko seines Berufes. Trotzdem ist es natürlich nie schön, wenn es dann tatsächlich so weit kommt und man sein Leben verliert. Aber für mich persönlich ist auch der Tod des Polizisten damit abgehakt.
Wir leben hier in Amerika. Es gibt hier eine realistische, wenn auch geringe Chance erschossen zu werden und das ist mir schon lange bewusst. Außerdem finde ich, dass es nichts bringt sich mit dem Erlebten zu quälen wie es Mila oft macht.
Sie denkt dann die ganze Zeit an den Amoklauf, den Polizisten und alles darum herum, aber ich finde das unnötig. Es bringt mir nichts, wenn ich die ganze Zeit an diese Situation denke, denn es ist jetzt vorbei und wir haben es glücklicherweise alle unbeschadet überlebt. Für mich ist es an der Zeit nach vorne zu schauen und das zu beeinflussen, was ich beeinflussen kann, nämlich die Zukunft.
Ich zog mir eine bequeme kurze Jogginghose und ein normales Shirt an. Meine Haare rubbelte ich kurz mit meinem Handtuch ein wenig trocken bevor ich mich auf den Weg runter in den ersten Stock machte.
Cole saß zusammen mit Mike im Garten. Sie unterhielten sich, wie soll es auch anders sein, über den Amoklauf. Bei den beiden drehte sich auch beruflich alles um diesen Vorfall.
Ein Amoklauf war Sache das FBIs, wenn ich es richtig wusste, ist es sogar Mikes Team, das gerade nach und nach versucht den Amoklauf aufzuarbeiten und versucht, die Schuldigen dafür zu finden.
Bis jetzt wurden beide Amokläufer und ein weiterer Schüler, der alles mitgeplant, aber sich nicht aktiv daran beteiligt hatte, angeklagt. Das wird bestimmt lebenslang geben, zumindest für die zwei Schützen.
Zurecht, ich kann nicht verstehen, wie man so viel Hass in sich tragen konnte, damit man zu so etwas fähig ist. Ich denke zwar auch das wir, also die ganze High-School auch ihren Teil dazu beigetragen hat durch das ganze Mobbing, das es bei uns gibt und den Ausgrenzungen vieler Schüler, weil sie etwas anders sind als die meisten anderen. Aber letzten Endes war es ihre Entscheidung mit Waffen bewaffnet in die Schule zu gehen, und dafür habe ich absolut kein Verständnis.
Ich setzte mich zu meinen Brüdern an den Tisch. Es war schon spät, die Sonne war am Untergehen und die Temperaturen wurden endlich etwas erträglicher. Wobei es nicht mal die Temperaturen sind, sondern das schwüle Wetter, das hier bei uns das Schlimme ist.
Ich wartete kurz bis sich eine geschickte Pause im Gespräch meiner Brüder ergab bis ich Cole fragte: ,,Weißt du schon, wann die Schule wieder aufmacht?"
Der Zeitpunkt des Amoklaufes war sehr suboptimal für mich. Zum einen ist es mein Abschlussjahr und wir schreiben bald Prüfungen, aber zum anderen geht es mir auch um die laufende Football Saison. Natürlich bin ich durch meinen Collegevertrag an der USC abgesichert, aber gerade deswegen schauen jetzt mehr wichtige Leute auf mich und meine Spiele als davor, mal ganz von den USC-Verantwortlichen abgesehen.
Ich verstehe natürlich, dass es nach einem Amoklauf eine gewisse Zeit braucht, bis die Schule wieder öffnen kann, aber mir kann es eigentlich nicht schnell genug gehen.
,,Kann ich nicht genau sagen. Von unserer Seite aus werden wir die Schule wahrscheinlich in 2-3 Tagen freigeben, dann bleibt es aber der Schule überlassen, wann sie letztendlich wieder aufmacht. Ich denke in 1-2 Wochen", antwortete Cole, "Was hat der Coach gesagt wegen der laufenden Football Saison?"
"Er kann aktuell nichts sagen, wahrscheinlich fangen wir wieder an mit Trainieren, wenn die Schule wieder öffnet", gab ich grübelnd von mir.
Ich hatte schon gestern mit Cole und Jake über meine Prüfungen und die Saison geredet und sie meinten zu mir, dass ich mir deswegen nicht so viel Druck machen soll, aber das ist auch immer leichter gesagt als getan.
Ich will Profi werden. Also gab es für mich nicht die Option es zu vermasseln, gerade jetzt in dieser wichtigen Phase nicht. Ich muss den Leuten zeigen, was ich kann, vor allem den USC-Verantwortlichen. Mein Ziel ist es dann, dass ich auf dem College gleich ins Startteam aufgenommen werde. Es gab nicht die Option nur Ersatzquarterback zu sein. Klar wusste ich, was ich kann und dass meine Chancen gut stehen, trotzdem ist es natürlich nie sicher wie alles laufen wird und ich würde einfach gerne meinen Startplatz absichern. Wenn die Zeit an der USC so verläuft wie ich mir das erhoffe, dann kann das tatsächlich mein Sprungbrett in die Nfl werden, aber dafür liegt noch ein langer harter Weg vor mir, der mit viel Arbeit und Druck verbunden ist. Beides ist kein Problem, man muss nur wissen, wie man mit all dem umgehen muss, aber ich denke, dass ich das bisher ganz gut mache.
,,Du hast jetzt deinen Vertrag und genug Zeit dich zu beweisen, selbst wenn die restliche Saison jetzt nicht mehr so läuft wie geplant", Cole sah mich aufmunternd an. ,,Ich kann sowieso nichts an der Situation ändern und nur das Beste daraus machen", antwortete ich schulterzuckend. Meine Brüder waren eigentlich die einzigen, die mir nie Druck machten oder Erwartungen hatten. Wenn die Leute das machten, war ja auch nichts Schlimmes dran, aber es tat einfach auch gut, dass es Leute wie meine Brüder gab, die eben nichts erwarteten und so Sachen sagen wie 'Das wird schon' oder 'Wenn es einer schafft dann du'. Das sind zwar alles nett gemeinte Floskeln, aber gleichzeitig sind sie auch wieder mit Druck verbunden.
Die Leute gehen davon aus, dass ich das immer gut hinbekomme, aber das ich nicht so. Ich bin ein Mensch, der auch mal Fehler macht und nicht perfekt ist, aber die meisten wollen das nicht sehen. Fehler darf es in unserem Sport nicht geben, nicht wenn du Profi werden willst und das lassen die meisten Leute einen auch spüren.
Gerade als ich wieder etwas sagen wollte, kam Luke zu uns an den Tisch. ,,Ich glaube, Mason dreht jetzt komplett durch. Der bewirbt sich gerade online für einen Beratungstermin für eine Ausbildung bei der Navy", Luke sah leicht kopfschüttelnd Cole und Mike an.
Mason war seit dem Amoklauf total auf Krieg, Soldaten und alles was dazugehört fixiert.
Cole und Jake meinten, dass er damit versucht herunterzuspielen, was passiert ist. Er sucht sich Berufe oder Situationen raus, die schlimmer sind als ein Amoklauf und ist dabei irgendwie bei dem Thema Krieg stehen geblieben.
Für mich macht das alles persönlich nicht sehr viel Sinn, aber wir sind einfach auch alle unterschiedliche Menschen und jeder verarbeitet Dinge anders.
Allerdings finde ich es keine gute Lösung sich dabei so in etwas hineinzusteigern. Cole und Jake sehen das ebenfalls so und versuchen Mason so gut es geht von dem Thema wegzuholen, allerdings, wie man sieht, nur mit mäßigem Erfolg.
,,Wo ist er?", fragte Cole während er mit Luke zurück ins Haus hinein lief.
,,Warum ist es ausgerechnet Krieg? Warum nicht... keine Ahnung... Feuerwehrmänner oder so? Die sind doch eigentlich auch ständig in Gefahr?", fragte ich nachdenklich Mike. Wir zwei waren nun die einzigen, die noch am Tisch saßen. ,,Ja, der Soldatenberuf ist aber das, was dem was geschehen ist, am nächsten kommt. Und es geht Mason um Sachen, die man erlebt, Erlebnisse, die einen traumatisierten können. Klar kann dir das auch als Polizist passieren, aber das was vielen Soldaten passiert, hebt das alles auf ein anderes Level. Mason will die schlimmen Geschichten hören, die Soldaten erleben, damit er sich selber einreden kann, dass das, was ihm passiert ist, gegen eine Geschichte von einem Soldaten eigentlich nicht schlimm ist. Für ihn gibt es nur schwarz oder weiß, ihn interessiert es nicht, dass man so was nicht miteinander vergleichen kann. Deswegen hört er auch nicht auf uns nach unseren Kriegsgeschichten zu fragen", antwortete Mike.
"Aber als Alex damals in Afghanistan war, habt ihr doch auch Mila und mir von euren Einsätzen erzählt und das war ja jetzt eigentlich nicht so schlimm, warum erzählt ihr es ihm dann nicht einfach?", fragend sah ich Mike an.
"Zum einen würde sich Mason nicht damit zufriedengeben, denn für ihn bedeutet Krieg gleich Horrorerlebnisse und traumatische Erfahrungen, aber das war bei uns einfach nicht so. Mason würde das alles anders wahrnehmen als wir. Aber zum anderen wollen wir ihn nicht auch noch damit bestärken, er soll endlich wegkommen von diesem Thema und nicht noch tiefer versinken", meinte mein älterer Bruder. ,,War es bei euch wirklich nicht so schlimm oder habt ihr uns damals einfach nicht alles erzählt?", frage ich. Ich muss zugeben, dass mich nun doch schon ein wenig die Neugierde gepackt hat. Nicht aus den Gründen, warum Mason das Ganze so interessierte, aber es war einfach ein Thema, über das es so viele verschiedene Meinungen gab. Manche waren wie meine Brüder und sagten, dass es nicht sonderlich schlimm war, aber dann gab es auch die Leute, die wirklich total traumatisiert aus dem Krieg zurückkamen. Ich denke, dass das auch immer ein wenig darauf ankommt, was für eine Person du bist und was du wirklich erlebt hast. Manche Leute stecken manche Sachen einfach besser weg als andere, ist ja bei mir und meinen jüngeren Geschwistern jetzt auch das beste Beispiel.
"Also bei mir und Jake war es jetzt wirklich nicht so dramatisch. Bei Alex war es dann schon wieder ein wenig anders, er war ein paar Mal schon wirklich in gefährlichen Gebieten und wusste manchmal nicht, ob er eine Situation überleben wird oder nicht und Cole, na ja, ich würde sagen, dass es bei ihm schon mit Abstand am heftigsten war", Mike sah ich ernst an. "Warum? Was war bei Cole?", jetzt hatte mich endgültig die Neugierde gepackt. ,,Kein Wort zu Mason, verstanden?", sagte Mike nach einer kurzen Pause, woraufhin ich nickte.
,,Alleine die Ausbildung, die Alex und Cole bei den Marines durchlaufen haben, gilt als die härteste militärische Ausbildung, die wir in den Staaten haben. Viele, wirklich viele, brechen ab oder fliegen raus, weil sie einfach nicht dafür geschaffen sind.
Wenn du es aber doch schaffst, geht es für die meisten danach in den Krieg. Bei Cole war das dann nach Afghanistan an die Front. Cole wurde dahin geschickt, wo der Krieg mit Abstand am schlimmsten war. Während seines ganzen Einsatzes sind dort so viele Soldaten gestorben, wie sonst in einem ganzen Jahr in ganz Afghanistan sterben. Der United States Marine Corps ist eine Eliteeinheit, die auch speziell dafür ausgebildet ist, Land zu erobern. Das heißt, dass du nicht nur das verteidigst, was du hast, sondern aktiv versucht mehr Land zu gewinnen.
Cole und ein paar andere seiner Kameraden sind als kleine Truppe heimlich in das Gebiet der Taliban eingedrungen, in dem die Taliban Opium anbauen und haben sie ausspioniert, versucht zu planen, wo man die am besten bombardieren und beschießen kann, dass sie den größtmöglichen Schaden nehmen und sich zurückziehen müssen, sodass die anderen Soldaten das Land für sich gewinnen können und die Taliban das Opium nicht verkaufen können und somit weniger Geld zur Verfügung haben, um den Krieg zu finanzieren. So was musst du erst mal können.
Es ist das eine auf Taliban zu schießen, wenn sie dich angreifen, aber aktiv zu planen, wie man auf sie losgeht und wie man sie am schlimmsten trifft, so was musst du erst mal mit dir selber ausmachen können. Mal ganz von der Gefahr abgesehen, in der sie sich befanden, hätten die Taliban sie entdeckt, wäre wahrscheinlich keiner von ihnen lebend zurückgekommen. Aber sie haben es geschafft und haben mit dieser Aktion den ganzen Afghanistaneinsatz vorangetrieben.
Das war Coles erster Einsatz, der war schon etwas riskant und gefährlich.
Als Cole dann zurück in den Staaten war, hat er sich weitergebildet, viel über taktische Kriegsführung und all das gelernt und wurde dann mit einem höheren Dienstgrad zurück nach Afghanistan geschickt. Also war er wieder da, wieder an der Front, aber dieses Mal trug er die Verantwortung für sehr viele Soldaten und das ist eine verdammt große Verantwortung, wenn du dich im Krieg befindest.
Er war gerade mit seiner Einheit an dem Stützpunkt angekommen als sie durch afghanischen Funk mitbekommen haben, dass die Taliban wohl vier US-Soldaten lebend gefangen halten.
Cole hat sich mit den anderen US-Stationen, die sich in der Nähe befanden in Verbindung gesetzt und es hat sich herausgestellt, dass tatsächlich vier Soldaten aus einer Routinekontrolle nicht wieder zurück zur Basis gekommen sind. Cole und sein Team haben also alles daran gesetzt, herauszufinden, ob die Soldaten gefangen gehalten werden, ob sie noch leben und so weiter. 24 Stunden später hatten sie festgestellt, wo die vermissten Soldaten sich befinden und haben sich einen Plan überlegt, wie die Marines die Soldaten am besten wieder befreien können. Es hat nicht lange gedauert bis sich Coles und noch zwei andere Teams auf den Weg machten und ihr Bestes gaben, die Kameraden zu befreien.
Sie befanden sich etwa 10 Meilen außerhalb der grünen Zone in einem alten, alleinstehenden Haus. Die Marines haben sich einen Kampf mit den Taliban geliefert, in der Hoffnung sie zu überrennen, sodass sie sich zurückziehen müssen bevor sie die Soldaten umbringen konnten.
Es hat nur circa 20 Minuten gedauert, aber die Taliban waren komplett unterlegen, weshalb sie sich recht schnell zurückgezogen hatten. Nachdem das Gebiet von den Mariens gesichert wurde, ist Cole mit ein paar aus seinem Team als erstes in das Haus gegangen, wo sie die Soldaten vermuteten. Sie waren auch dort, allerdings alle vier tot. Sie waren bestimmt schon 3-4 Stunden tot bevor die Marines überhaupt losgefahren sind, um sie zu befreien.
Das war schon frustrierend genug, allerdings wurden die Soldaten nicht einfach nur erschossen. Man konnte ihre Leichen kaum noch richtig erkennen, weil die Taliban sie so entstellt hatten.
Während Cole mit vier Mariens aus seinem Team in dem Haus waren, wurden sie allerdings wieder von den Taliban angegriffen.
Sie haben mit Raketen auf die ganze Einheit geschossen, sodass sich die Soldaten zurückziehen mussten.
Jedoch befand sich Cole und seine Kameraden noch in dem Haus und ihnen wurde der Weg zu den restlichen Soldaten abgeschnitten, sodass sie keine andere Wahl hatten, als sich etwas weiter in das Talibangebiet zurückzuziehen.
Und die Taliban waren dieses Mal sehr gut vorbereitet und trieben die Marines immer weiter aus ihrem Gebiet und somit auch immer weiter weg von Cole und seinen Kameraden.
Wenn du in so einer Situation bist, wie Cole es damals war, dann hast du ein richtiges Problem. Denn du bist von deinem restlichen Team abgeschnitten, hast somit nur noch begrenzt Munition, du kennst das Gebiet nicht und du hast Taliban vor dir, die wissen, dass du da bist und es ist nur eine Frage der Zeit bis sie dich eingrenzen werden, und so ist es dann auch gekommen. Die Taliban haben sie umzingelt und sie immer weiter in die Enge getrieben.
Cole und seine Kameraden haben zum Glück eine sehr gute Position auf einem kleinen Berg eingenommen, von der aus sie eine gute Sicht hatten, aber trotzdem verschafft dir das nicht sehr viel Zeit, und das ist das, was du in so einer Situation brauchst. Du musst deiner Einheit Zeit geben, um sich neu zu sortieren und einen Plan auszudenken, wie sie dich aus der misslichen Situation befreien können.
Also versuchst du Zeit zu schinden und gibst dein Bestes währenddessen nicht zu sterben.
Glaube mir, es gibt kaum ein beschisseneres Gefühl als zu wissen, dass die Wahrscheinlichkeit gleich erschossen zu werden, sehr hoch ist während du selber realisierst, dass dir langsam aber sicher die Munition ausgeht, aber du weiter schießen musst, weil du sonst noch früher stirbst.
Einer von Coles Marines wurde am Hals getroffen - er ist schnell, aber qualvoll verblutet. Währenddessen wurde der nächste getroffen - zwei Schüsse in die Schulter. Das kann man gut überleben, wenn man rechtzeitig Hilfe bekommt, aber wo hätte die Hilfe herkommen sollen? Also ist auch er kurz darauf verblutet. Und es ging so weiter.
Die Taliban kamen immer näher und irgendwann war nur noch Cole und ein anderer aus seinem Team am leben - unglücklicherweise waren beide verletzt. Cole hatte eine Kugel im Oberarm stecken und die andere oberhalb seines Schlüsselbeines. Der andere hatte eine Kugel in der Schulter. Das einzige Gute war, das es nicht stark geblutet hat.
Also haben die zwei weiter auf die Taliban geschossen, bis sie keine Munition mehr hatten. Sie waren an dem Punkt angelangt, an dem man eigentlich jegliche Hoffnung verliert. Sie waren verletzt, hatten keine Munition mehr und keine Hilfe von den eigenen Soldaten.
Das ist meistens der Punkt, an den man stirbt.
Allerdings hatten die zwei das riesige Glück, dass im aller letzten Moment Hilfe aus der Luft kam. Die Marines an der Basis hatten die Hubschrauber gestartet und damit Bomben auf die Taliban geworfen. Das gab den Marines auf dem Boden die Chance wieder vorzurücken und Cole und sein Kamerad bekamen die Möglichkeit sich still und heimlich zurück zu den restlichen Marines zu schleichen.
Es war ein langer Kampf, aber mit der Luftunterstützung, mehreren Panzern und Raketen haben die Mariens den eigentlich verloren geglaubten Kampf doch noch gewonnen.
Das war erst der Anfang von Coles Einsatz, aber er wäre schon fast gestorben. Er ist zwar nahezu heil und unverletzt, bis auf die eine Kugel, wieder zurück an seine Basis gekommen, jedoch haben andere Soldaten ihr Leben im Kampf gelassen.
Cole war kaum an der Basis zurück, als er mit seinem Team in den nächsten Kampf mussten, obwohl er verletzt war.
Die Lage da drüben war so kritisch, dass die Marines sich keine Ausfälle leisten konnten. Und so ging es den ganzen Einsatz weiter.
Er hatte maximal einen Tag Pause, bevor er von einem Kampf zum nächsten ziehen musste. Und manche von den Kämpfen haben Tage gedauert. Zu der Zeit als Cole diesen Einsatz dort hatte, gab es so viele Kämpfe, Tode und Unruhen wie nie zuvor. Cole hat sehr viele Kameraden verloren. Es ist eigentlich normal, dass du in einem Einsatz einen oder zwei Kameraden verlierst, aber bei Cole waren es viel mehr. Es ist schwer, wenn du siehst, wie die Männer und Frauen sterben, mit denen du deine ganze Zeit verbringst. So was prägt einen." Nachdenklich spielte ich an meinen Fingern herum. Ich konnte mir das gar nicht so richtig vorstellen, es war einfach ein komplett anderes Leben als ich es kannte.
,,Ist Cole deswegen dann nicht wieder für einen 3. Einsatz zurück?", ich richtete mein Blick wieder auf Mike als ich plötzlich Coles Stimme von meiner anderen Seite hörte: ,,Es hat eine Rolle gespielt, war aber nicht der Hauptgrund. Ich hatte beide Einsätze viel Glück und war sehr froh, dass ich wieder an einem Stück zurückgekommen bin. Aber selbst wenn ich das nicht wäre, dann wäre das auch in Ordnung gewesen.
Als Soldat weiß man, dass man sterben oder schwer verletzt werden kann, aber was mir davor nicht so bewusst war, ist wie viele Soldaten lebend und unverletzt wieder zurückkamen, aber dann an PTBS zugrunde gingen. Durch das, was Soldaten erleben, ist eine posttraumatische Belastungsstörung keine Seltenheit - ganz im Gegenteil, es kommt sehr häufig vor. Du kommst zwar physisch wieder zurück, aber dein Kopf bleibt im Krieg. Viele von den Soldaten mit PTBS erholen sich nie wieder davon. Manche von ihnen nehmen sich irgendwann das Leben. Ich war sehr froh, dass es mir nicht so ging, und habe gleichzeitig realisiert, dass es mir aber genauso ergehen kann, wenn ich nach dem nächsten Einsatz zurückkomme und dafür war ich nicht bereit.
Außerdem gab es noch so viele andere Möglichkeiten als nur Soldat zu sein.
Ich kann jederzeit zu den Marines zurück, wenn ich möchte, aber ich war jung und mir stand die Welt offen. So hielt ich es für richtig, mir noch eine andere Türe offenzuhalten als mein Leben lang zu dienen. Es war die richtige Entscheidung."
,,Du würdest also wieder zurückgehen?", fragte ich etwas überrascht nach.
Cole setzte sich zu Mike und mir. ,,Ja, allerdings nicht in nächster Zeit. Ich bin glücklich und zufrieden beim FBI, Jake und ich haben das Sorgerecht für euch und aktuell gibt es einfach auch absolut nichts, was dafür sprechen würde. Ich habe also nichts gegen einen 3. Einsatz, allerdings müsste sich schon einiges ändern, das ich wirklich beim FBI kündige und wieder zu den Marines gehe." Ich stellte immer mehr fest, wie unterschiedlich meine älteren Brüder und ich waren.
Alleine die Vorstellung auch nur für ein paar Tage in den Krieg zu gehen, löste bei mir reichlich Unbehagen aus.
,,Hat dir das alles wirklich gar nichts ausgemacht, was du dort erlebt hast?", fragend blickte ich zu Cole.
,,Es hat mich vor allem am Anfang schon beschäftigt, aber es hatte keinen negativen Einfluss auf mich. Aber am wichtigsten war es für mich auch das es für euch keinen negativen Einfluss gibt. Viele Soldaten kommen aus dem Krieg zurück und behandeln dann ihre Familie so wie sie in der Ausbildung behandelt worden sind. Sie schreien herum, akzeptieren nur noch ganze Wörter wie 'Jawohl' und es muss immer ein 'Sir' am Ende der Sätze stehen.
Viele Soldaten können das Militär einfach nicht hinter sich lassen und nehmen es mit in ihre Familien, aber das ist immer unterschiedlich." ,,Warum seid ihr nicht so? Du hast doch auch mal gesagt, dass ein wenig mehr Respekt nicht schaden würde", unterbrach ich meinen Bruder.
"Wir sind Gott sei Dank sind so und ich hoffe, dass wir auch nie so werden. Wir haben uns alle freiwillig dafür entschieden, zum Militär zu gehen und wir wussten, wie streng dort alles ist. Wir wussten, dass wir während der Ausbildung behandelt werden, dass sie uns nochmal eine andere Form von Respekt beibringen werden und so weiter. Wir haben uns freiwillig dafür entschieden, aber das haben sich die Familien von den Soldaten nicht, also sollte man sie auch nicht so behandeln. Ich sehe keinen Sinn darin, wenn wir darauf bestehen würden, dass ihr uns zum Beispiel mit 'Sir' ansprecht, das würde nur die Entspanntheit im Umgang kaputt machen. Genauso wenig würde es bringen, wenn wir nicht mehr normal mit euch reden würden und euch wegen jeder Kleinigkeit anschreien, das bringt bei euch allen nichts und schreien ist auch kein guter Weg der Kommunikation. Deswegen versuchen wir euch ganz normal zu behandeln, ganz egal, wie wir beim Militär behandelt wurden. Das soll euch in keinster Weise betreffen.
Wenn ihr irgendwann selber zum Militär gehen möchtet, bleibt das euch überlassen, aber hier werden wir weiterhin ganz normal mit euch umgehend. Und ich finde auch immer noch, dass viele in eurem Alter nicht mehr genügend Respekt vor anderen Menschen, oder besser gesagt, dass viele generell einfach nicht genügend Respekt haben. Allerdings meine ich damit eher den Umgangston und die Wortwahl und nicht dass man immer 'Sir' sagen muss.
Ich finde, das ist gegenüber Polizisten, Richtern und so weiter angebracht, aber sonst nicht, vor allem nicht innerhalb der Familie.", beantwortete Cole meine Frage.
Ich war echt froh, dass er und meine anderen Brüder normal mit uns umgingen. Ich glaube, so einen Militärton in der Familie ist nicht nur nervig, sondern auch sehr anstrengend.
,,Ihr wart jetzt alle beim Militär. Findet ihr das blöd, dass wir, also ich, die Zwillinge und Mason eigentlich gar kein Interesse daran haben?", stellte ich die Frage, die mir gerade in den Kopf geschossen ist. Ich wusste, dass meine älteren Brüder nie von uns verlangen würden, dass wir das machen, was sie gemacht haben, aber es kann ja trotzdem sein, dass sie es schade finden, dass wir einen anderen Weg gehen.
,,Überhaupt nicht", antwortete Cole sofort. ,,Wir sind eigentlich sehr froh, dass ihr kein Interesse an all dem habt. Wir haben alle gesehen, was es bedeutet im Krieg zu sein und keiner von uns möchte, dass ihr das ebenso erlebt. Wenn ihr das unbedingt wollt, könnt ihr das machen, aber wir sind sehr froh, wenn ihr alle hier bleibt. Es ist immer etwas anderes, wenn man selber im Krieg ist als wenn jemand dort ist, den man liebt. Außerdem sollt ihr euer eigenes Leben leben und machen, was euch glücklich macht und nicht das, was uns gefallen würde." Eigentlich habe ich schon auf so eine Antwort gehofft, aber trotzdem war es eine Erleichterung sie auch wirklich bekommen zu haben.
Coles kringelndes Handy durchbrach meine Gedanken.
,,Kein Wort von all dem zu Mila oder Mason, denn sie können beide absolut nicht mit dem Thema umgehen.", sagte Cole zu mir bevor er aufstand, an sein Handy ging und von uns weg lief.
Ich konnte verstehen, dass Cole nicht wollte, dass ich etwas davon Mila oder Mason erzählte.
Es war cool, dass Mike und er mit mir über das alles geredet haben. Das alles hat mir einfach auch gezeigt, dass es auch noch ein ganz anders Leben gibt, als das was wir hier kennen...

Big Brothers 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt