Kapitel 7 Herr Y

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Korn steht im großen Aufenthaltsraum.

Der lichtdurchflutete, hohe Raum bietet einen Blick in den großen Garten und den umgebenden Wald.

Ein Anblick, den sich die Patienten gerne angucken.

Still sitzen sie auf ihren gepolsterten Stühlen und gucken hinaus.

Quer im großen Raum verteilt.

Jeder nach seinem eigenen Entfernungsgefühl.

Frau Z fühlt sich dem Anblick heute sehr nah.

Sie sitzt auf dem Boden und lehnt seitlich an der gläsernen Wand.

Ihr Gesicht lehnt an dem kühlen Panzerglas, das ihr den Anblick des Gartens ermöglicht.

Tobende Kinderlaute hört sie.

Die Laute ihres Karls.

Der Junge braucht frische Luft.

Sie konnte ihn davon überzeugen, eine Pause einzulegen.

Eben noch hallte der zauberhafte Klang seines Pianospiels im Haus.

Nun sein Gelächter im Garten.

Korn sieht, wie Frau Z lächelt.

Und seine Augen wandern über die anderen Patienten.

Das helle Sonnenlicht lockt viele in seine wellende Anziehung.

Eine Ruhe schwebt im Aufenthaltsraum, während Gesichter nach draußen blicken.

Sanfte Bewegungen geben sich dem Takt des eigenen Sturms.

Frau B lässt ihren Kopf zu einer inneren Melodie schwingen, während ihr Blick auf das mannigfaltige Grün des Waldes verharrt.

Karsten lässt sich mit der Verabreichung der Medikamente Zeit.

Er läuft zu jedem Patienten und wartet geduldig, bis sie ihn an ihrer Seite akzeptieren.

Und eine schweigsame Atmosphäre zeigt die harmonischen Handbewegungen.

Überreichen der Tabletten.

Wasserglas.

Mund kontrollieren.

Eine wärmende Hand auf der Schulter.

Ein Ruhestrom fließt im großen Aufenthaltsraum der Station 42.

Korns Präsenz führt zu einer zeitlosen Ruhe.

Und Karsten fließt mit dem Strom.

Er schwebt im Aufenthaltsraum von Patient zu Patient.

Und Korn sieht, wie Herr Y sich in seinem eigenen Ruhestrom windet.

Eine gequälte Seele.

Er kann nicht sitzen.

Nicht stehen.

Er muss sich immer bewegen.

Er sucht immer einen Stillstand.

Doch ist gefangen in seinem eigenen Ruhestrom.

Korn beobachtet, wie er sich krümmt.

Er verdeckt mit seinem Kopf seinen Körper.

Er will sich verdecken.

Krümmt sich immer tiefer, bis seine Wirbelsäule sich wie ein Zahnrad einhakt.

Sobald er sein Leib bedeckt, findet er einen kurzen Stillstand.

Er verdeckt sich.

Und findet in diesem kurzen Stillstand sich selbst.

Station 42Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt