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"JOSI!!! Raus aus den Federn!" Stephan steht neben meinem Bett und beschert mir den Herzinfarkt des Jahrhunderts. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich den Polizisten an: "Bist du eigentlich noch ganz bei Trost? Du kannst mich doch nicht so aus dem Schlaf schreien!" "Oh, du wirst überrascht sein, was ich heute noch alles kann!", mit einem Augenzwinkern verkrümelt sich der selbsternannte Drillsergant in die untere Etage und lässt dabei natürlich die Zimmertüre offen.

Auf was hab ich mich da nur eingelassen?

Die Betthälfte neben mir ist leer und längst nicht mehr warm. Alex wird schon zur Arbeit unterwegs sein, was mir mein Blick auf den Wecker auch bestätigt. Warum allerdings die Zwillingssirenen gänzlich Stumm geblieben sind, ist mir ein Rätsel.

"Mam!"

Kind eins ist anscheinend wach.

"Mam!"

Kind eins ist wach UND höchst motiviert.

Da mir nichts anderes übrig bleibt, quäle ich mich aus dem Bett und schlurfe in Richtung Kinderzimmer. Als ich an der Treppe vorbeilaufe, sehe ich Aaron unten an dem Schutzgitter stehen: "Du bist ja schon wach. Wo ist deine Schwester? Ist die auch schon unten?"

"Mam!"

"Ja, ich komm doch. Sorry, aber so früh am Morgen laufen Mama's Rädchen noch im Dreck", nachdem ich das obere Treppenschutzgitter hinter mir gelassen habe, komme ich an dem unteren an, das von meinem Sohn blockiert wird. Dieser streckt mir seine kleinen Ärmchen entgegen und wartet sehnsüchtig darauf, von mir in Empfang genommen zu werden.
Diesem Gefallen komme ich sofort nach, da ich sonst eh nicht das Gitter öffnen könnte. Der kleine Knirps schmust sich fest an mich dran, was mich sofort wieder in den Gute-Laune-Modus schleudert.

Zusammen mit Aaron auf meinem Arm betrete ich die Küche, in der schon ein reges Treiben herrscht. Malea hüpft auf Toms Schoß herum, Stephan lässt einen Kaffee durch, Phil fällt fast in seine Kaffeetasse hinein, Susi stopft sich ein Nutellabrot in den Rachen und Paul scheint in ein Wachkoma abgedriftet zu sein

Susi und Nutella?

"Morgen zusammen!", mit einer hochgezogenen Augenbraue beobachte ich meine Freundin, die die Schokocreme fast schon inhaliert und versuche eine direkte Anspielung darauf, nicht sofort meinen Mund entweichen zu lassen. "Jetzt setz dich hin, trink einen Kaffee, iss was und dann ab die Post!" Stephan stellt mir eine Tasse voller Muntermacher auf den Tisch und grinst mich schon vielversprechend an. Da ich mir die Suppe selbst eingebrockt habe, werde ich nicht um das Auslöffeln herumkommen. "Was hast du vor?", mir wäre es schon recht, wenn ich wissen würde, auf was ich mich einstellen muss. "Das siehst du dann! Was willst du essen?" "Eigentlich nichts. Ich kann mir nicht den Bauch vollschlagen und anschließend Sport machen. Da kotz ich dir vor die Füße!" meine Äußerung wird sofort ungefragt von dem anwesenden Notarzt kommentiert: "Josi! Denk doch bitte an deinen Zuckerhaushalt. Du weißt, dass der immer sehr instabil ist und mir wäre es wirklich wohler wenn du wenigstens eine Kleinigkeit isst. Außerdem möchte ich mir eine Standpauke des Herrn Hetkamp ersparen. Der flippt aus, wenn er weiß, dass ich dich wissentlich ohne Essen aus dem Haus gelassen habe!"  "Hahaha. Süß, wie ihr alle Angst vor ihm habt. Allerdings glaube ich, das ich am besten weiß was mein Körper braucht und das ist momentan jedenfalls kein Essen!" Warum mich jetzt alle total entgeistert anstarren, weiß ich auch nicht so genau, aber ich kümmere mich nicht weiter darum. Ich habe eine andere Aufgabe: "Sag mal, seit wann bist du so ein Schokoladenmonster Susilein?", meine Freundin schenkt mir freundlicherweise ihre Aufmerksamkeit, scheint von meiner Frage allerdings etwas irritiert zu sein: "Schonmal was von Stress gehört? Ich wirke schon jetzt gleich entgegen und führe meinem Körper sämtliche Glückshormone zu, die ich bekommen kann!" "Stress also?" Vielleicht ist das die neue Umschreibung für das Wort schwanger. Zumindest beginnen beide Worte mit demselben Buchstaben. "Ja. Ich habe noch vier Aufträge, die ich heute fertig bekommen muss und dann muss ich heute Abend noch die härteste Nuss knacken!" "Hast du wieder so eine schwierige Person an der Hand, die nicht weiß was sie will?" nebenher nippe ich vorsichtig an meinem Kaffee, sehr darauf bedacht, dass Aaron mir nicht die Tasse aus der Hand schlägt. "Du kennst sie! Das ist eine der größten Herausforderungen, denen ich gegenüberstehen muss. Vielleicht sitze ich dann heute abend auch mit einem kompletten Nutellaglas und Löffel am Küchentisch, damit ich meine Nerven in irgendeiner Weise retten kann" Susi's Blick wird immer interessanter, denn anscheinend möchte sie mir mit ihren weit aufgerissenen Augen irgendetwas mitteilen.

"Josi! Das verstehe sogar Ich im größten Delirium. DU bist die Herausforderung! Mensch... Deine Leitungen sollten mal erneuert werden!" Paul schüttelt lachend seinen Kopf und bekommt von Susi eine nickende Bestätigung. "Ich? Hallo? Wo bin ich denn schwierig? Ich will einfach wenig bis keine Blumen. Keine Rosen, keine Tulpen, nichts in Rot oder Lila... Das ist doch jetzt wirklich nicht zu viel verlangt. Die Zuneigung für Blumen ist eben an mir vorbeigerauscht. Ich bin eher die Kategorie "schwarzer Daumen!" Susi erhebt sich seufzend vom Tisch und räumt ihr Geschirr in die Spülmaschine: "Können wir das dann heute Abend besprechen? Ich kann so früh am Morgen noch nicht in solche Diskussionen einsteigen. Das packe ich noch nicht!" Ich winke ihr mit der Hand ab, da ich selbst keine Lust habe  mir jetzt schon Überlegungen über irgendwelche Blumen durch den Kopf gehen zu lassen.

"Aaron, kommst du zu Onkel Paul? Wir schlagen jetzt noch ein bisschen die Zeit tot und dann gehen wir raus!" Paul nimmt mir den kleinen Schoßhüpfer ab und verzieht sich mit ihm in das Wohnzimmer. "Mag die kleine Prinzessin auch mal zu Onkel Phil kommen? Ich stelle mich freiwillig als Trampolin zur Verfügung, Hauptsache ich kann mich noch ein bisschen hinlegen!" Auch Malea lässt sich ohne Beanstandung in das Wohnzimmer entführen.

"Josi, wir sollten heute Abend mal reden. Es wäre wichtig!" Mein Bruder schafft es doch tatsächlich, meine gute Laune wieder in die unteren Schichten der Erdkruste zu verbannen. "Wenn ich nicht an meinem Sportprogramm zu Grunde gehe oder die Blumen Diskussion mir alle Sicherungen durchbrennen lässt, dann lässt sich das eventuell einrichten. Außer es dreht sich um ein Gespräch um unsere Mutter... Da steht der nächst verfügbare Termin erst in hundert Jahren zur Verfügung!", mit meinen verschränkten Armen mache ich ihm sofort deutlich, dass es an meiner Meinung momentan nichts zu rütteln gibt. "Sooooo, dann zieht sich die Frau Mayer jetzt mal um und der Herr Mayer bewegt sich zu seinem Dienst! Wir brauchen hier am frühen Morgen noch keine derartigen Auseinandersetzungen. Hop, hop!" Stephan kippt leicht meinen Stuhl, damit ich mich in Bewegung setze, was auch von vollem Erfolg gekrönt ist. Zwar besteht die Bewegung darin, dass ich seitlich vom Stuhl kippe und auf direktem Weg auf dem Boden lande, aber bewegt ist bewegt. "Oh... warum hältst du dich denn nicht fest?"
"Herr Sindera! Zu so frühen Morgenstunden bin ich geistig und körperlich einfach noch nicht auf der Höhe. Außerdem hatte ich meine Arme verschränkt. Wenn man bei der zweiten Tatsache, dann die erste berücksichtigt, sollte die Antwort genug sein. Jetzt heb mich schon auf!", ich reiche dem Herrn meine Hand und werde mit einem breiten Grinsen auf die Füße gezogen:
"Wirres Zeug reden klappt aber wie immer rund um die Uhr!" "Du bist nur neidisch, weil ich darin die unschlagbare Queen bin! Was muss ich anziehen?" "Sportklamotten?! Zieh aber was langes an und nimm noch kurze Sachen mit. Für den Fall, dass es dir zu heiß wird, kannst du dann wechseln!"  "Hmmm, wieso? Wer nimmt denn noch an unserem Programm teil?", meine wackelnden Augenbrauen lassen Stephan laut auflachen, worauf mir kurze Zeit später durch die Haare gewuschelt wird: "Außer den Genannten niemand. Ich dachte eher, dass dir aufgrund des Sport an sich heiß wird!" "Was? Muss ich mich etwa so viel bewegen?" Ich hatte eher gehofft, dass wir mit der Kategorie Rentner Gymnastik beginnen und nicht gleich voll durchstarten.

"Hahahaha. Vielleicht verschieben wir unser Blumengespräch auch auf morgen. Ich befürchte fast, dass du heute abend mehr tot als lebendig bist. Viel Spaß, ich muss los!" Susi zischt ab durch die Mitte und lässt die Haustüre lautstark hinter sich zu donnern.

Da mich die selben Visionen wie meine Freundin heimsuchen, nehme ich mir vor, gleich nachher noch die komplette Packung Magnesium in mich reinzuschütten.

Viel hilft viel und eventuell bewahrt es mich vor meinem sicheren Tod.

Einzelkämpfer Teil 2 (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt