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Christopher sieht zwar nicht begeistert aus, nickt meinem Bruder aber letztendlich zu. Somit laufen wir drei in das Wohnzimmer und setzen uns auf das Sofa. "Wollt ihr beide auf meinem Schoß sitzen, oder geht es so?", ich fühle mich gerade wie eine Presswurst, da die beiden Männer sich jeweils an eine Seite von mir gesetzt haben und mir so dicht auf die Pelle gerückt sind, dass ich nicht einmal locker meine Schultern fallen lassen kann. "Sorry!" kommt es zweistimmig von den Herren, während die beiden ein Stück von meiner Seite weichen.

Da irgendwie keiner irgendwelche Anstalten macht, mit einer Erklärung zu starten, beginne ich einfach meine Befragung. Ich wende mich Tom zu und lege meinen Kopf leicht schief:
"Wo wart ihr wirklich?" Tom atmet tief durch, schnappt sich meine linke Hand und packt sie zwischen seine Hände:
"Bei unserer Mutter!".Ich hätte wirklich mit viel gerechnet, aber nicht damit. "Kannst du mich mal anschauen, oder ist der Boden so interessant?" Tom hebt seinen Blick, in dem ich die pure Verzweiflung sehen kann, worauf ich langsam wirklich Angst bekomme: "Hast du Hannes doch umgebracht?" Tom zieht seine Augenbrauen zusammen und scheint etwas überrumpelt zu sein: "Bitte was?" "Tom... Das wäre jetzt schon eine starke Nummer.... Aber ich verrate euch nicht, okay? Müssen wir die Leiche noch beseitigen?", jetzt wende ich mich Christopher zu, der nur leicht belustigt seinen Kopf schüttelt: "Um Gottes Willen... Also das kannst du dir mal wieder schön aus dem Kopf schlagen!" "Okay, aber dann kann es ja nicht so schlimm sein! Jetzt sagt doch endlich mal "was Sache ist!", meine leichte Anspannung verfliegt augenblicklich und ich drehe mich wieder zu Tom.

Nach einem tiefen Atemzug sieht er mir in die Augen und drückt meine Hand ein bisschen fester: "Hannes hat heute eine Vermutung offenbart, die ich überprüfen musste. Deshalb waren wir bei Eva.... Josi, am liebsten würde ich das für immer verschweigen, aber es ist so, dass Hannes gar nicht dein Vater ist. Es ist nur mein Vater!" "Hä? Wie jetzt?", während ich versuche, das Gesagte irgendwie auf die Reihe zu bekommen, schnappt sich Christopher meine andere Hand.

"Es ist so: Bei Eva und Hannes stand die Beziehung schon auf der Kippe, als ich vier war, oder so. Papa war sehr viel unterwegs und Mama hat sich mit mir bei vielen Eltern-Kind-Treffen und dergleichen aufgehalten. Irgendwann hat sie sich sehr gut mit einem Mann verstanden, der ebenfalls Eheprobleme hatte und so haben die Beiden sich öfter getroffen, um sich ihre Probleme zu erzählen und sich gegenseitig Beistand zu leisten. Da er derjenige war, der die Elternzeit in Anspruch genommen hat, konnten die Zwei sich immer treffen, wenn die Ehepartner beim Arbeiten waren. Nunja... ein Gespräch verlief dann wohl etwas zu gut. Jedenfalls war Mama dann irgendwann schwanger und natürlich hatte sie Angst, Hannes den Seitensprung zu beichten und hat dann eben einfach so getan, als wenn Hannes der Vater ist." Toms Stimme ist sehr gedämpft und man kann ein leichtes Zittern heraushören, während sein Blick immer unsicherer wird.
Im ersten Moment weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Die Tatsache an sich ist irgendwie seltsam, aber wirklich traurig bin ich auch nicht. Es ist ja nicht so, als hätte ich die letzten Jahre eine tiefe und innige Bindung zu Hannes gehabt.

Christopher und Tom scheinen auf eine Reaktion zu warten, denn die starren mich beide erwartungsvoll an. "Hat Hannes es dann die ganzen Jahre gar nicht gewusst?" "Nein. Er hat gesagt, dass er es vermutet hat, aber sicher war er sich deswegen nie. Warum er Eva nie darauf angesprochen hat, weiß ich auch nicht!" Tom zuckt mit den Schultern und ich bin fast der Meinung, dass es ihn mehr mitnimmt als mich. "Aber warum kommt denn erst jetzt alles ins Rollen? Also, warum interessiert es jetzt plötzlich?", man sollte fast meinen, dass diese Sache als verjährt gilt. "Kennst ihn doch... Wenn es ums Geld geht, ist mit ihm nicht gut Kirschen essen. Er hat einfach falsche Schlussfolgerungen gezogen und wollte dem somit vorbeugen."

Ich lasse mich gegen die Sofalehne zurückfallen, da mir plötzlich so einiges klar wird: "Das erklärt sein bescheuertes Verhalten, als ich ihn damals angerufen und ihm mitgeteilt habe, dass ich schwanger bin.... Ja gut, dann eben ab jetzt ausschließlich Hannes und nichts mit Papa. Bleibt eigentlich alles beim Alten, oder?", ich grinse Tom leicht ins Gesicht und sehe ihm sofort an, dass ihm tausend Steine vom Herzen fallen. Eine kleine Unsicherheit scheint allerdings zu bleiben, denn so ganz entspannen kann er sich offensichtlich noch nicht.
"Liegt dir noch irgendwas auf dem Herzen?", ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und bin gespannt, was meinen Bruder so sehr belastet. "Ich will nur das du weißt....", anscheinend sucht er nach den passenden Worten, denn er bricht seinen Satz abrupt ab und fährt sich mit der Hand durch sein Gesicht. Ich schätze, dass ich weiß wo sein Problem liegen könnte: "Tom? Hast du Angst, dass es mir zu schaffen macht, dass wir nur Halbgeschwister sind?"
Für einen kurzen Moment scheint er erschrocken über meine treffende Annahme zu sein, doch dann nickt er leicht. Ich schüttel meinen Kopf und werfe schnell meine Arme um seinen Hals: "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen! Es macht doch keinen Unterschied, ob wir verschiedene Väter haben oder ein und den selben! Du bist und bleibst mein Bruder, komme was wolle!"

Einzelkämpfer Teil 2 (ASDS)Where stories live. Discover now