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Ein schmerzhaftes Brennen durchzieht die Region meines Brustbeins.

"Schatz, mach bitte die Augen auf! Komm schon!" Alex' Stimme klingt etwas besorgt, was mich dazu animiert, ihm zumindest ein Brummen zu schenken. Ich spüre eine Nasenspitze an meiner und sanfte Lippen, die auf meine treffen.

"Ich hoffe, dass das nicht deine Standard Behandlung für bewusstlose Personen ist, denn sonst muss ich unter Umständen sehr böse werden!", meine leise, erschöpfte Stimme wird mit einem ebenso leisen Lachen beantwortet. "Würdest du mir jetzt bitte die Ehre erweisen und deine Augen öffnen?"

Immer diese nervigen Männer!

Im Zeitlupentempo verschaffe ich mir etwas Durchblick und öffne, wie befohlen, meine Augen. "Wie geht's dir?" "Keine Ahnung!" "Hast du Schmerzen?" "Weiß nicht!" "Was für einen Tag haben wir heute?" "Boah, frag doch nicht so viel. Ich muss erst mal gedanklich ankommen!"

Nach ungefähr zwei Minuten komme ich einigermaßen mit meinem Leben klar und kann auch endlich auf die Fragen meines baldigen Mannes eingehen: "Geht so. Ja. Zumindest kein Wochenende. Mehr weiß ich im Normalzustand auch nicht!" Alex zieht seine Augenbrauen zusammen und setzt einen kritischen Blick auf, während er mit der blöden Funzel wieder in meine Augen leuchtet. "Ich habe dir deine Fragen der Reihe nach beantwortet. Dadurch merkst du ja, dass mein Gehirn normal funktioniert. Also, so normal wie es für mich möglich ist." "Wo hast du Schmerzen?"
"In meiner rechten Wade. Sag mir bitte, dass es kein Muskelfaserriss ist. Alex, das kann ich wirklich nicht gebrauchen!", mein gequältes Aufstöhnen lässt auch meinen Verlobten schwer aufatmen: "Ich weiß. Aber es sieht leider ganz danach aus. Wir sind gleich in der KaS und lassen das durchchecken!" "Wo ist Stephan?" Ich hoffe, dass er mir als seelischer Beistand zur Seite steht, denn Alex wird gleich wieder los müssen. "Sitzt bei Franco im Nef, keine Sorge!"

Kaum hat Alex seinen Mund geschlossen, hält der RTW. Nachdem die Türen geöffnet sind, leistet uns Florian Gesellschaft: "Können wir?" "Ja, los geht's!" Alex hilft Florian dabei, die Liege aus dem Transportmittel zu bewegen und mich direkt in die KaS in einen der Behandlungsräume zu schieben. Natürlich empfängt mich ein allzu bekannter Arzt: "Frau Mayer.... Was haben wir denn heute? Du bist wirklich unglaublich..." Mit einem leichten Kopfschütteln wendet sich Oli an Alex und lässt sich die Situation schildern. Währenddessen tritt Stephan an meine Seite und umklammert sofort meine Hand. "Kannst du mich hier rausbringen?", ich versuche so leise wie möglich zu flüstern, doch Herr Dreier scheint leider gute Ohren zu haben: "Nach den Untersuchungen darf er das gerne machen. Aber zuerst schauen wir uns das Übel mal an!" Stephan zuckt entschuldigend mit den Schultern und macht etwas platz für Oli.

Bevor Oli an mir Hand anlegt, strecke ich ihm meinen Zeigefinger entgegen und lege einen bösen Blick auf: "KEINE lokale Injektion! Das steht überhaupt nicht zur Debatte!" "Eins nach dem anderen! Jetzt quäle ich dich erst mit meinen Händen und alles weitere sehen wir dann!" Herr Dreier beginnt meine Wade abzutasten, worauf ich schmerzerfüllt aufzische.
Auch als er meinem Fuß mit seiner Hand einen Widerstand bietet, könnte ich ihn mit bloßen Händen erwürgen. "Wir machen jetzt noch schnell einen Ultraschall!" Als sich Oli Alex zuwendet und diesem zunickt, weiß ich auch, wo der Hase langläuft.

Der mitfühlende Blick von Alex erschlägt mich fast wie ein Hammer und am liebsten würde ich mich jetzt wie ein kleiner Wurm in seinen Armen vergraben, doch leider hat sein Melder etwas dagegen.

"Sorry, ich muss los. Stephan, du gibst mir Bescheid, wenn du mehr weißt, okay?" Mit einem flüchtigen Kuss für mich und einem Schulterklopfen für Stephan, verschwindet mein Neutralisator Nummer eins aus dem Raum.

"Soooo, dann wollen wir mal. Einmal Zähne zusammenbeißen und los geht's!" Oli lässt den Ultraschallkopf über meine Wade fegen und entlockt mir damit den ein oder anderen brummenden Ton. Stephan's Hand ist schon ganz weiß, aber ich mache mir nichts daraus, da die eventuell benötigte Hilfe ja direkt an meiner Wade sitzt. "Also, meine Liebe. Es ist ganz eindeutig ein Muskelfaserriss. Ich gebe dir jetzt etwas gegen die Schmerzen. Anschließend klatschen wir etwas kühlendes Gel auf die Wade und verpassen dir noch einen Verband. Du weißt, was zuhause gilt! Hochlegen und kühlen. Alex und Phil sollen den Bluterguss im Auge behalten!" An seinem ernsten Gesichtsausdruck sollte Oli noch etwas arbeiten, denn er sieht eher so aus, als hätte er Bedenken, dass ich mich an seine Anweisungen halte. "Ich werde mich so gut wie möglich schonen. Nonstop geht es halt nicht, da ich zufällig noch Zwillinge zuhause habe, die die Mama ab und zu brauchen und fordern!" "Josi, wir sind auch noch da. Es wird immer irgendjemand zu deiner Verfügung stehen. Wie lange dauert so etwas, bis es verheilt?" Stephan richtet seinen Blick auf Oli. "Im Normalfall zehn bis vierzehn Tage. Allerdings würde ich mich nicht zu sehr darauf verlassen... Bei Josi ist das in den meisten Fällen ja immer etwas komplizierter!", mit einem breiten Schmunzeln trägt mir Oli die Salbe auf und bringt anschließend den Verband an, um mich dann auch endlich in die Freiheit zu entlassen.

Vor der Klinik wartet Marc mit seinem Auto auf uns. Ich hangele mich ungeschickt auf meinen Krücken zu dem Gefährt und lasse mich mit einem genervten Seufzer auf die Rückbank fallen. "Bei dir trifft das Sprichwort 'Sport ist Mord' definitiv zu!" Herr Westerhoven wirft einen Blick auf mein Bein, ehe er sich Stephan widmet, der sich soeben auf den Beifahrersitz setzt: "Das nächste Mal machen wir irgendwas ungefährliches. Vielleicht gehen wir lieber schwimmen!"
Stephan lacht laut auf: "Da kann man auf dem nassen Boden ausrutschen oder ertrinken!" "Ja, dann Fahrrad fahren!", versucht Marc eine neue Alternative zu finden. "Straßenverkehr... Außerdem kann man runterfallen, ebenso Seitenstraßen übersehen.." "Spazieren gehen?", auch diese harmlose Alternative wird von Stephan zunichte gemacht: "Umknicken, stolpern oder..." ich unterbreche meinen eigentlichen Held: "Hallo? Ich bin dann übrigens anwesend und ganz so bescheuert bin ich ja dann auch nicht!" Die beiden Männer drehen sich gleichzeitig zu mir nach hinten und schauen mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Fahr einfach nach Hause, Marc. Danke!", mir kommt in den Sinn, dass ich jetzt nicht mal vor meinem Schwiegervater flüchten könnte und ich hoffe sehr stark, dass er diese Situation in keiner Weise ausnutzt.

Als wir in der WG ankommen, kämpfe ich mich mit den bescheuerten Armstelzen direkt ins Wohnzimmer. "Das ist jetzt nicht wahr, oder?" Phil entgleisen sämtliche Gesichtszüge, während er mich mit seinen Blicken verfolgt. "Das ist alleine Christopher's Schuld!", damit die Fronten gleich geklärt sind, gebe ich den Übeltäter preis und schmeiße mich so unelegant wie möglich aufs Sofa. "Diagnose?"
"Muskelfaserriss!", schnaube ich laut vor mich hin und stapel mir gleich einen ganzen Haufen Kissen zurecht, damit ich brav die Anweisungen befolgen kann. "Oh Mann, du buchst immer gleich das volle Paket! Ich hole schnell Coolpacks!" Phil macht sich sofort, mit Aaron auf dem Arm, auf den Weg in die Küche. Paul kann sich sein blödes Grinsen kaum verkneifen und versucht sich mit Malea abzulenken.

"Mam!" Aaron fuchtelt mit dem eingewickelten Coolpack herum und legt einen unwiderstehlich frechen Gesichtsausdruck auf. Ich strecke grinsend meine Arme nach meinem Kleinen aus und nehme ihn auf meinem Bauch in Empfang, als Phil bei mir ankommt. Herr Funke platziert die Kühlung unter meiner Wade und ich muss mich wirklich zusammenreißen, um nicht zu schreien. "Mam!" Der kleine Hosenscheißer fängt an, wie wild auf meinem Bauch herum zu hüpfen und wartet darauf, dass ich mich ebenfalls bewege. "Aaron. Mama hat aua. Komm lieber her zum Kuscheln!", auf meine Aufforderung hin, bekomme ich allerdings nur eine flache Hand in mein Gesicht gedrückt. "Komm wieder zu mir, Aaron. Lassen wir der Mama ein bisschen Ruhe, mh?" Gerade als Phil den kleinen Racker zu sich nimmt, klingelt es an der Haustüre. "Phil, lass dir Türe zu! Das kann nur irgendjemand nerviges sein!", leider wird meine Bitte absichtlich überhört.

Als mir zwei bekannte Stimmen zu Ohren kommen, kann ich nur meine Augen verdrehen. Meine Blumentussi wäre jetzt nicht mal so schlimm, obwohl ich jetzt ganz andere Dinge im Kopf habe, als mir zu überlegen, welche welkenden Dinger ich an meiner Hochzeit haben möchte. Die andere Person schlägt mir besonders auf den Magen und ich überlege mir, ob ich mich einfach den restlichen Tag schlafend stelle, bis er sich wieder verkrümelt. "Wie geht es ihr? Ich schaue gleich mal nach der Wade. Wer weiß ob der behandelnde Arzt qualifiziert genug war!", die sich schnell nähernden Schritte bringen mich innerlich zum Heulen. "Schlaf! Ich halte ihn dir vom Hals!" Paul nickt mir verständnisvoll zu, worauf ich ihm einen Luftkuss schicke und schnell meine Augen schließe.

Bitte, bitte, verschwinde einfach schnell wieder! Meine Nerven halten das heute wirklich nicht mehr aus!

Einzelkämpfer Teil 2 (ASDS)Where stories live. Discover now