2.Kapitel

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,,Efsane?" höre ich seine fragende und interessierte Stimme. Aus seiner Stimme kann ich großes Interesse heraus hören. Gut so. So muss es auch sein. Drehe mich nicht um und laufe die Treppen klackernd runter. Diese High Heels sind sehr schön und das Geräusch gefällt mir ja auch, aber nichts kann meine gemütlichen Sneaker ersetzen. Die werden immer meine Nummer Eins bleiben. Yasin läuft mir hinter her, was ich noch etwas in die Länge ziehe. Er soll mir noch etwas hinterher rennen und dann kann ich ja aufhören zu laufen. Gelange wieder an den Bereich, wo die ganzen Menschen zur lauten Musik und unter den ganzen verschiedenen Lichtern tanzen. Will kein Schritt dahin machen. Wie ekelhaft. Die ganzen verschwitzen Körper reiben einander und denen gefällt es. Nein. Ich mag das nicht. Das widert mich nur an.

,,Jetzt bleib doch mal stehen." sagt Yasin seufzend und leicht lachend. Bleibe stehen, aber drehe mich nicht um. Er stellt sich mit seiner vollen Pracht an meine Seite und schaut mich von oben bis unten interessiert und lächelnd an. ,,Wie geht es dir? Was machst du hier?" fragt er gut gelaunt. Genau wie er mich angeschaut hat, schaue ich ihn auch an. Von oben bis unten. Nur mit einem Unterschied. Kalter Blick. Dieser kalte Blick passt besser zu mir. Ob ich will oder nicht, kann ich mir diesen Blick auch nicht abgewöhnen. Seit Monaten trage ich wieder diesen Blick mit mir und habe mich sehr daran gewöhnt. Es ist mir egal, ob mich Menschen als arrogante Frau betiteln. Es interessiert mich nicht. ,,Kennt man sich?" frage ich kühl und stütze meine Lippen. Seine Augen weiten sich überrascht und seine dunkelblaue Augenfarbe kommt unter dem hellen Licht, das ihn aus dieser Position trifft, mehr zum Vorschein. Diese Augen habe ich mir die letzten Wochen so sehr angeschaut und eingeprägt, so dass ich sie ohne Vorbereitung beschreiben könnte. ,,Dein Ernst? Du weißt nicht mehr wer ich bin, also?" fragt er und guckt mich unglaubwürdig an. Ohne etwas zu erwidern oder zu sagen, schaue ich ihn an. Er seufzt resigniert. ,,Efsane. Ich bin's doch: Yasin." sagt er. Ich weiß es. Yasin Basan. 27 Jahre Alt. Dunkelblondes Haar, das früher kürzer war. Jetzt sind sie länger und er hat sie zur Seite gekämmt. Er bemerkt wohl meinen Blick auf seine Haare und er lächelt wieder, weshalb ich seine weißen Zähne sehe, die mich anstrahlen. ,,Ich lasse sie wachsen. Wie findest du sie?" fragt er und fährt einmal durch seine Haare. ,,Ekelhaft." sage ich wahrheitsgemäß und trinke einen Schluck aus meiner kalten Sprite.

Spüre den Blick von Eda auf mir. Durch den Spiegel, das an der gegenüberliegenden, weiter entfernten Wand hängt schaue ich ganz kurz in ihre Augen, so dass es niemand bemerkt. Sie nickt mir einmal zu. Nicken heißt, dass die Lage und Atmosphäre nach Plan läuft. Also kann ich so weiter machen. ,,Autsch." höre ich ihn sagen und gespielt beleidigt legt er seine Hand auf sein  Herz. ,,Soll ich sie wieder schneiden lassen, Küçüğüm? Würde dir das gefallen?" (Meine Kleine) Mein Blick wird warnend. Diesen Kosenamen kann er sich sonst wohin stecken. ,,Du würdest nur ekelhafter aussehen." sage ich und seine Augen bohren sich in meine. Seine blauen Augen werden heller als sie sonst sind. Er tretet einen Schritt vor, weiche weder zur Seite oder nach hinten. Ich habe keine Angst vor ihm. Vor niemandem. Wenn jemand Angst haben sollte, dann ist es Yasin. ,,Du siehst hübsch aus. Das Kleid steht dir und deine glänzenden Haare erst." gibt mir Yasin ein Kompliment und ich spanne mich etwas an, als er mich wieder von oben bis unten betrachtet. Seine Augen verweilen kurz an meinen Lippen, bevor er mir wieder grinsend in die Augen schaut. Er kommt noch näher und beugt sich vor. Wenige Zentimeter ist sein Gesicht von meinem entfernt. Sein Duft kommt mir in die Nase und ich merke schnell, dass es ein teures Parfüm sein muss. Hat nichts süßliches, eher riecht es nach Zimt. ,,Ach Efsane. Du schaffst es immer wieder meine ganze Aufmerksamkeit für dich zu gewinnen." sagt er leise und atmet leise aus.

Yasin ist wie hypnotisiert. Hier sind so viele Frauen. Freizügiger, lockerer, huriger. Aber er sieht keine andere Frau an außer mich. Er sieht nur mich an und ist fasziniert. Nähere mich ein kleines bisschen. ,,Schau mich weiter so an und ich kratze dir deine Augäpfel raus." sage ich bedrohlich, leise und mit einem warnenden Unterton, was ihn sichtlich anmacht. ,,Deine Dominanz macht mich hart, meine Kleine." ,,Yasin." Mein Blick sagt schon, dass er lieber aufhören soll. ,,Ich schwöre dir, ich würde es tun." sage ich mit fester Stimme. So schwierig ist es nicht, die Augäpfel von einem Menschen raus zu holen. Yasin atmet laut aus und legt den Kopf in den Nacken, bevor er mich wieder anschaut. ,,Du hast dich verändert." stellt er fest. Ja. Ja, das habe ich. ,,Ich sehe nicht mehr die Efsane, die ich vor paar Monaten gesehen habe." sagt er grübelnd. Trotz der lauten Musik und den lauten Stimmen, höre ich Yasin gut. ,,Die strahlende Efsane." Er befeuchtet seine Lippen. ,,Die lachende Efsane." Er schaut mir tief in die Augen, was ich ihm nachtue. Wieder mit einem Unterschied: Die Kühlheit in meinen Augen hingegen er mich mit voller Interesse und Neugier anschaut. ,,Oder die verliebt Efsane. Sag mir, Küçüğüm. Wo ist diese Efsane hin?" Ohne etwas zu sagen, schaue ich ihn einfach nur an. Diese Efsane. Genau diese Efsane gibt es nicht mehr. Diese Efsane, die sich von Liebe und Aufmerksamkeit abhängig gemacht hat. Diese Efsane, die ihren eigenen Wert vergessen hat. Diese Efsane, die ihren Weg verloren hat oder nicht mal an den Anfang von ihrem Weg zu sich selber gefunden hat. Diese Frau von vor einigen Monaten existiert nicht mehr. Sie wurde genau wie ihr jüngerer, toter Bruder unter der Erde begrabt. Diese Frau ist gestorben.

TURKISH REVENGEWhere stories live. Discover now