22.Kapitel

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Eigentlich würde ich Ekin jetzt noch einen Schlag ins Gesicht verpassen, aber er verpisst sich mit seinem kleinen Grinsen und ich bleibe alleine in dem Gang. Rasend vor Wut gehe ich mir mehrmals durch die Haare und balle meine Hände zu Fäusten. Verdammte Scheiße! Das kann nicht wahr sein. Seine Worte entsprechen nicht der vergangenen Realität. Ich soll ihm wirklich glauben, dass er und sein verdammter, älterer Bruder meinen Bolat gerettet haben? Der Mörder von meinem jüngsten Bruder soll meinen anderen Bruder gerettet haben? Bittere, lachhafte Lüge! Ich bin nicht dumm. Ich bin nicht naiv. Niemals kann das der Wahrheit entsprechen. Wieso sollte Aslanoğlu meinen Bruder retten? Er ist ein Kindesmörder! Unglaublich, dass sich Ekin traut sowas zu erzählen. Drehe mich um, um zu schauen, ob er noch da ist, weil er eine Faust doch verdient hat. Er ist aber nicht da. Er ist gegangen. Was ... was wenn Aslanoğlu draußen auf ihn wartet? Vielleicht hat er Ekin angestiftet reinzugehen und nach Bolats Zustand zu fragen, weil er zu feige ist. Schnappe nach Luft und laufe mit schnellen Schritten den Gang durch, nehme wieder die Treppen und renne zum Eingang. Wenn ich ihn gleich erwische! Er wird sehen!

Die kalte Luft trifft meine Haut, als ich nach draußen gelange und hin und herschaue. Es interessiert mich nicht, dass mich die ganzen Menschen komisch oder verwirrt anschauen. Ich muss ihn finden, wenn er wirklich hier ist. Nach minutenlangen Umschauen finde ich aber weder Aslanoğlu noch Ekin. So schnell kann er doch gar nicht geflüchtet sein! Schaue mich genauer um, aber werde trotzdem nicht fündig. Zische leise aus. Bastarde. Wenn ich euch in meine Finger kriege. Ich bleibe stehen und atme leise aus. Menschen laufen hin und her, der Wind wird stärker und meine Haare wehen hinter meinen Ohren. Ein Ziehen entsteht in dem Inneren meines Oberkörpers. Nicht im Herzbereich, eher ... eher genau in der Mitte. Genau zwischen meinen Rippen. Presse meine Hand dagegen und atme zittrig aus. Ich weiß nicht was genau los ist. Es fühlt sich an wie ein schwaches Ziehen ... oder doch wie ein Schrei? Meine Kehle schnürt sich immer fester zusammen. Das Bild vor meinen Augen, wie Er meinen Bruder voller Eile und Sorgen hochhebt und mit schnellen Schritten in seinen Wagen ablegt. Wie er sich auch nach hinten setzt und etwas Stoff gegen seine Schnittwunden presst, um die Blutungen zu stoppen. Presse meine Augen und Lippen zusammen, schüttele mit dem Kopf vor mich hin. Mörder deines Bruders. Mörder deines Bruders. Mörder deines Bruders, Efsane. Der Mann, der dich betrogen hat. Mörder und Betrüger. Mörder und Betrüger. Mörder und Betrüger.

,,Efsane?" höre ich plötzlich eine Stimme, weshalb ich mich nicht mehr bewege. Öffne langsam meine Augen, aber lasse meinen Blick auf den Boden gerichtet. Ich hasse mich dafür, dass meine Wimpern feucht sind. Ich werde hier nicht weinen. Ich bin vielleicht voller Wut und voller Verzweiflung, aber Tränen werde ich hier nicht vergießen. ,,Hey ..." ertönt wieder die gleiche Stimme und ich spüre eine Hand, die sich langsam auf meine rechte Schulter ablegt. Das ist doch ... ,,Nicht weinen, Küçüğüm. Komm her ..." sagt Yasin mitfühlend und ich spüre, wie ich an seine Brust gedrückt werde. Seine Arme umarmen mich, aber meine hängen schlaf neben meinem Körper. Yasin umarmt mich wirklich hier und jetzt. Zeige keine Reaktion, auch als ich den Stoff von seinem Pullover an meiner Schläfe und seine Hände auf meinem Rücken spüre, die auf und ab fahren. Gerade ... gerade spüre ich nichts. Kein Unwohlsein, aber auch kein Wohlsein. Das Ziehen ist immer noch präsent, aber nicht so stark. Oder ... es wird gerade stärker. ,,Yasin." presse ich nur heraus und will mich von ihm lösen, aber er lässt mich nicht los. Seine Arme halten mich nur noch fester. ,,Du musst gerade jetzt nicht stark sein, okay? Ich bin da. Ich bin hier für dich." sagt er, aber ich verziehe mir nur das Gesicht. Es tut weh ... das Ziehen wird schmerzhafter und meine Wut nimmt mich wieder ein. ,,Lass jetzt endlich los!" schreie ich schon fast und löse mich gewaltsam aus seinen Armen. Atme laut aus und meine Beine führen mich in das Innere vom Krankenhaus. Presse erneut meine Hand gegen die schmerzende Stelle, um es irgendwie zu dämmen, aber es klappt nicht. Es tut weh.

TURKISH REVENGEWhere stories live. Discover now