Kapitel 1

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Cho und Marietta waren schon vorgelaufen.
Wir beide hatten uns extra ein wenig Zeit gelassen, damit wir wieder unsere Ruhe hatten. Zu viel Trubel nach den Ferien tat mir nicht gut, Lisa wusste dies und ich war ihr so unendlich dankbar, das sie darauf Rücksicht nahm.
Dennoch mussten wir uns langsam sputen, sonst würden wir die Kutschen verpassen und auf Laufen hatte ich sowas von keine Lust.

Gerade noch so erwischten wir die letzte freie Kutsche und machten es uns bequem. Als wir los wollten, hörten wir ein: „Ah ja, dort ist noch ein Platz frei. Husch husch, beeilen Sie sich", von einem der Lehrer.

Und dann stand er da. Draco Malfoy.
Der wohl fieseste Slytherin aller Zeiten. Ohne uns zu beachten oder auch nur ein Wort zu sagen, stieg er in die Kutsche und ließ sich neben mir auf den Sitz fallen. Automatisch rutsche ich näher an den Rand und warf Lisa, welche mir gegenüber saß, einen what the hell Blick zu. Ich legte meine Hand seitlich vor mein Gesicht, um es vor Malfoy abzuschirmen, zog meine Mundwinkel nach unten und meinte nur „Awkward."

Mal im Ernst, wie konnte man sich so antisozial Verhalten und rund um die Uhr denken, man sei etwas Besser.
Lisa fing darauf an, in Gelächter auszubrechen. Malfoy ignorierte uns weiterhin. Sie lehnte sich etwas nach vorne zu mir.
„Aber glaub mir, ich hab schon viel schlimmere Situationen erlebt", sie unterdrückte ihr Lachen um überhaupt reden zu können.
„Oh, du meinst deine wundervolle Beziehung mit Terry", ich gestikuliert wild mit meinen Armen umher und macht bei Beziehung ein verliebtes Gesicht.

Lisa verdrehte spielerisch genervt die Augen.
„So schlimm war er nun auch wieder nicht", entgegnete sie. Ich schaute sie leicht abwertend an. „Der Typ heißt Terry. Das ist ein Name für einen Hund oder so." Ich schüttelte den Kopf. „Aber Erwin ist besser oder was?", kam es schnippisch von ihr. Ich öffnete meinen Mund und schaute sie gespielt geschockt an.
„Also erstens, war ich nie mit Erwin zusammen, wir mussten lediglich so ein dummes Projekt miteinander machen. Zweitens, nennt niemand seinen Hund Erwin und drittens, hast du dir den Jungen mal angeguckt? Sorry, aber ich hab sowas wie Würde", während ich sprach flogen meine Hände nur so durch die Gegend, ich war komplett im Redefluss und somit passierte, was natürlich passieren musste.

In meiner Letzten, sehr ausschweifenden Handbewegung, klatschte ich meine Hand gegen Malfoys Oberarm. Augenblicklich erstarrte mein eben noch so lachendes Gesicht. Er beachtet mich nicht einmal, man konnte aber deutlich hören wie er super  laut ausatmete. Doch so genervt wie er war, so unangenehm war es mir und mit immer noch großen erschrocken Augen schaute ich Lisa an.

Die Fahrt dauerte zum Glück nicht mehr lang, wir waren in eine sehr unangenehme Stille verfallen. Positiv denken, ich hatte nie wirklich etwas mit ihm zu tun, er wusste wahrscheinlich nicht einmal wer ich war.

Als die Kutsche zum Stehen kam, war es ebenfalls Malfoy, der sich prompt erhob und ausstieg. Er nahm seine Tasche heraus und fing an Richtung Schloss zu laufen.
„Ugh, heutzutage gibt es einfach keine Kavaliere mehr!", schnaubte ich leise vor mich hin. Doch er hatte meinen Aussetzer dennoch gehört, drehte sich um und sah mich kalt und komplett ohne jegliche Emotion an.
Für eine Sekunde trafen sich unsere Blicke. Seine Augen strahlten in einem wunderschönen dunkelgrau, mit helleren fast silbrig wirkenden Punkten. Wie die Nacht, in der man hunderte von Sternen sehen konnte. So kühl und doch so wunderschön. So klar, so rein.

„Hailieeee?!", ich blinzelte und sah Lisas Hand vor mir hin und her wedeln.
Malfoy war schon längst weg.
„Erde an Hailie, wo warst du denn eben mit deinen Gedanken?" „Ich . . keine Ahnung", nuschelte ich, während ich aus der Kutsche stieg. Wir machten uns auf den Weg in die große Halle, wo wir der Einteilung der Erstklässler zusahen, anschließend hielt Dumbledore seine Rede und wir konnten essen.
Danach gingen wir zielstrebig zu unserem Zimmer, ich war unglaublich müde. Ich hatte Glück und teilte mir das Zimmer lediglich mit Lisa. Schnell machte ich mich bettfertig und fiel in einen unruhigen Schlaf. Mein Traum war ein reines Chaos und immer wieder tauchten diese wundervollen grauen Augen auf.

* * * *

Das neue Schuljahr begann mit einem vollgepacktem Stundenplan, unendlich vielen Hausaufgaben und die Zeit verflog unglaublich schnell. Schon waren die ersten Wochen vorbei. Langsam zog der Herbst ein.

Der Unterricht war für heute beendet, mein Kopf schmerzte höllisch, mein Körper war zittrig. Ich ging in die Bibliothek, um meine Hausaufgaben zu machen. Heute waren es nur zwei kurze Aufsätze mit banalen Themen. Somit wurde ich schnell fertig und konnte mich anschließend aus dem Staub machen.
Meine Beine trugen mich hoch in den siebten Stock, bis zu der großen Wand.

Ich lief auf und ab und schon öffnete sich eine kleine verschnörkelte Tür. Den Raum, den ich betrat, war wohlig warm. Helle Lichter erleuchtete ihn, vor mir war eine lange Wand mit Spiegeln. In einer Ecke des Raumes stand ein alter Flügel.
Vor mir erschienen ein paar Schläppchen, sowie Spitzenschuhe. Ich entschied mich für die Zweiten, zog meine Schuhe aus und fing an, die Spitzenschuhe zu binden. Sobald ich ein paar Schritte nach vorne machte, fing der Flügel an eine langsame, entspannte Melodie zu spielen.

Ich schloss meine Augen, lauschte meinem Atem und ließ die Musik die Kontrolle übernehmen. Ich drehte Pirouetten, machte leichte Sprünge und lief quer durch den Raum. Nach gefühlten Stunden des Tanzens waren meine Kopfschmerzen endlich verschwunden. Ich war außer Atem und erschöpft, doch ich fühlte mich so frei wie schon lange nicht mehr. Dann sank ich auf den Boden, zog meine Beine ganz eng an meinen Körper und lautlos liefen die ersten Tränen über mein Gesicht.

Noch zwei Jahre, dann war alles geschafft. Nur noch zwei Jahre Schule, nur noch zwei Jahre, das alles hier durchziehen und dann war ich endlich frei.
Ich richtete mein Make-up, meine Rehbraunen Augen waren leicht rot, öffnete meinen Dutt und ließ meine langen braunen Haare über mich fallen.
Ich tauschte meine Schuhe wieder und verließ den Raum der Wünsche.

Es war schon dunkel draußen. Das Abendessen hatte ich dann wohl verpasst. Doch das war mir egal, langsam lief ich zurück zum Gemeinschaftsraum der Ravenclaws.
In unserem Zimmer angekommen, saß Lisa auf ihrem Bett und las ein Buch. Sie blickte auf, ihr Blick war wie immer traurig und voller Mitleid. Sie schaute zu meinem Nachttisch und schenkte mir ein Lächeln.
Dort stand ein Teller mit Salat, Kartoffeln und Würstchen, daneben ein Glas Apfelsaft. Ich schenkte ihr ein Lächeln zurück, setzte mich auf mein Bett und fing an zu Essen. Seit unserem zweiten Schuljahr machte Lisa dieses Spiel schon mit.

Ich verschwand immer wieder für ein paar Stunden, sie wusste bis heute nicht wohin oder warum. Doch sie merkte, es war mir unangenehm und ich wollte nicht darüber reden. Meine Familie war eben anders, es war schwer zu beschreiben.
Meine Eltern hatten eine genaue Vorstellung von meinem Leben und Freunde hatten darin keinen Platz. Oder Liebe. Oder sonst ein positives Gefühl.
In ihren Augen würde ich nie so sein, wie sie mich wollten, ich würde immer ein Makel in ihrem perfekten Leben sein.

Über die Jahre hatte sich eine unglaubliche soziale Angst in mir aufgebaut und der Drang des Perfektionismus zerstörte mich jeden Tag ein bisschen mehr. Aber niemand durfte dies wissen, für die Gesellschaft waren wir schließlich perfekt.
Deswegen war ich umso glücklicher, dass ich Lisa hier hatte. Sie verstand mich ohne viele Worte, sie akzeptierte meine Eigenart über gewisse Themen und sie war einfach für mich da, indem sie mit mir solchen Gesten half.
Sie war auch die einzige Person, die mich in den Arm nehmen durfte. Es war immer noch ein komisches Gefühl, aber ich wusste, sie würde mir niemals weh tun oder mich verraten.

Müde und satt machte ich mich fertig fürs Bett und schlief schnell ein.
Meine Träume hatten sich wieder beruhigt, aber gewisse Augen waren immer noch da. Sie waren so kalt und doch so wunderschön. Doch wie in jedem Traum sahen sie mich nur abwertend an. In ihnen lag nichts Positives, nichts Freundliches.

Und egal wie schön ich sie fand, die Person, welcher die Augen gehörten, wusste nicht einmal, dass ich existierte. Unsere Begegnungen bei der Ankunft hatte er bestimmt schon längst wieder vergessen. Ich sah ihn nie, wir hatten keinen Unterricht zusammen und auch in den Gängen liefen wir uns eigentlich nie über den Weg.

Aber was wäre wenn? Was wäre, wenn er mich sieht und es Liebe auf den ersten Blick wäre? Am liebsten würde ich mich für diesen Gedankengang selber ohrfeigen, aber ich war schon zu weit in der Traumwelt. Und somit schenkte mir mein Gehirn einen so unrealistischen, wundervollen Liebestraum.

MatrimoniumWhere stories live. Discover now