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Nervös stand Hannah vor ihrer Stammpizzaria. Im Gegensatz zu Äthiopien war in Deutschland der Winter eingebrochen. Der Wind war eisigkeit, so dass Hannah ihren langen selbst gestrickten Schal von Tante Gretchen bis zu ihren Ohren hochzog. Sie bereute es, Sandras Angebot sie abzuholen, abgelehnt zu haben. Auf dem Weg zur Pizzaria konnte Hannah sich wenigstens noch Gedanken darüber machen, wie sie ihren Freundinnen von ihrer Verlobung erzählen wollte. Die frische Luft und die Bewegung taten ihr gut, dennoch viel es ihr sichtlich schwer die richtige Formulierung zu finden.

Hannah schaute auf die Uhr und beschloss schon in das Restaurant zu gehen, als sie von Weiten Maite auf sie zukommen sah, die ihr freudig zuwinkte. Sie umarmte Hannah zur Begrüßung und musterte ihre Freundin von oben bis unten. „Gut siehst du aus. Wie geht's dir?" Hannah lächelte nervös: „Vielen Dank. Mir geht's prima. Wollen wir vielleicht schon rein gehen? Ich stehe hier schon eine Weile und ich habe das Gefühl, dass ich hier fest friere." Maite lachte und nickte. Gemeinsam nahmen sie an einem großen Tisch platz und bestellten sich etwas zu trinken." „Und erzähl, wie war es in Äthiopien?" „Erzähl du mir erst einmal wie es den Mädels und dir geht?", stellte Hannah die Gegenfrage und war erleichtert, als Maite von sich erzählte und Hannah vorerst nichts von ihrer Reise erzählen musste.

Ein wenig verspätet kamen Sandra, Nora und Nicole dazu und die jungen Frauen tauschten sich über alle Neuigkeiten aus, erzählten von ihren Kindern und Erlebnissen und tranken den ein oder anderen Wein. Nachdem sie gegessen hatten und Hannah schon einiges an Wein getrunken hatte, nahm sie all ihren Mut zusammen und räusperte sich. „Oh, eine Rede!" Sandra lachte und die anderen stimmten mit ein. „Jetzt kommt die große Neuigkeit." „Danke für die Ankündigung, Schlaubergerin." Hannah dachte nicht lange nach, der Wein löste ihre Zunge und sie fing einfach an zu erzählen. „Also, ich habe ja schon geschrieben, dass ich Neuigkeiten habe. In Äthiopien ist viel passiert. Einen Teil habe ich ja schon erzählt, aber das wichtigste kommt jetzt." Hannah grinste breit und hielt ihre Hand in die Höhe, damit ihre Freundinnen den goldenen Ring an ihrem Finger erkennen konnten. „Nein!", kreischte Sandra und machte große Augen. Auch die anderen sahen entgeistert auf Hannahs Ringfinger." „Das ist nicht dein Ernst! Ist es das, was ich denke?" „Wenn du einen Verlobungsring meinst..." Sandra quiekte und sprang Hannah förmlich in die Arme. „Unsere kleine Hannah hat sich doch tatsächlich fest gelegt und ist bereit." Nicole und Nora waren ein wenig zurückhaltender als Sandra, freuten sich jedoch tierisch für ihre Freundin und begutachteten den Ring. Maite lächelte zaghaft und war die letzte, die Hannah zu ihrer Verlobung beglückwünschte. „Ach Hannah ich freue mich wirklich für dich. Das sind wirklich schöne Nachrichten." Hannah lächelte. Auf Drängen von ihren Freundinnen erzählte Hannah von dem Antrag. Dass sie sich vorerst von Leon trennen wollte, behielt sie allerdings für sich. Die Anspannung fiel von Hannahs Schultern. Warum machte sie sich so einen Kopf von ihrem Vorhaben zu erzählen? Alle waren sichtlich erfreut darüber, so dass die jungen Frauen anfingen Pläne für die Hochzeit zu schmieden und Ideen zu sammeln. Sie bestellten allesamt Tiramisu zum Nachtisch und Champagner, um auf Hannahs Verlobung anzustoßen. „Auf Hannah, die Braut, die sich endlich traut.", trällerte Sandra und nahm einen kräftigen Schluck von ihrem Glas. „Auf Hannah und Leon", stimmten die anderen mit ein und prosteten sich zu. „Wie stellst du dir die perfekte Hochzeit vor?", fragte Nora. Hannah überlegte kurz und erinnerte sich an den Traum, den sie vor einiger Zeit hatte. „Ich stelle mir das eigentlich echt schön vor im Spätsommer zu heiraten, draußen an der frischen Luft mit der Familie und den engsten Freunden. Ich habe ehrlich auch nichts gegen eine kirchliche Trauung. Hauptsache danach wird einfach schön gefeiert und alle haben Spaß." „Ist Leon den gläubig?", fragte Nicole. Hannah zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Wir haben noch nicht über unsere Vorstellungen von Hochzeit gesprochen. Es ist ja auch noch ganz frisch. Er ist aber in Bayern aufgewachsen. Ich denke schon, dass er zumindest in der Kirche ist..." Während Hannah die Worte aussprach, konnte sie sich nicht vorstellen, dass Leon so eine Hochzeit wie sie sich gerade mit ihren Freundinnen ausmalte, wollte. Auch Leon als Kirchengänger konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen, behielt ihre Vermutungen jedoch für sich." „Na dafür ist ja auch noch Zeit. Es ist ein besonderer Tag, der muss gut geplant sein und einer Braut schlägt man ja auch nichts ab.", erwiderte Maite und zwinkerte Hannah zu.

„Soll ich euch wirklich nicht mitnehmen?", fragte Sandra, als sie das Restaurant verließen und draußen auf der Straße standen. „Vielen Dank, aber ich laufe. Der Wein schlägt mir auf den Kopf und die frische Luft tut mir bestimmt gut.", erwiderte Hannah. „Ich werde auch gleich abgeholt, danke Sandra." Maite, verabschiedete sich von Sandra und den anderen. Hannah tat es ihr gleich und beobachtete wie ihre Freundinnen ins Auto stiegen. „Ich warte noch mit dir." „Wenn du Lust hast, können wir auch zusammen zu dir laufen und ich lasse mich bei dir abholen." Hannah nickte und so gigen sie, die Arme wie früher ineinander eingehakt, durch die Nacht. „Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr ich mich für die freue.", sagte Maite und drückte Hannah an sich. „Nach all dem ganzen Mist, bin ich echt froh, dass du den einen gefunden hast." „Ja, ich kann es auch selbst nicht glauben, dass es so ist." Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Hannah wusste nicht, ob es der Wein war, der aus ihr sprach, aber sie konnte nicht anders und musste Maite einfach fragen. „Paddy hat dir doch bestimmt von mir und Leon erzählt oder?" Maite schaute Hannah skeptisch und verwundert zugleich an. „Nein, das hat er nicht. Er hat behauptet, dass er nicht wüsste, was du für tolle Nachrichten hast. Ich bin davon ausgegangen, dass Paddy das gar nicht weiß." Hannah verspürte einen leichten Stich in der Magengegend. „Oh, verstehe. Also Paddy weiß davon. Er war dabei, als ich Emil und den anderen von meinen und Leons Plänen erzählt habe." Maite dachte eine Weile nach. „Er freut sich bestimmt für dich und wollte dir bestimmt diesen Moment nicht vorwegnehmen." Hannah nickte still. „Mhh, ja. Das kann gut sein." Maite spürte, dass Hannah etwas bedrückt, traute sich jedoch nicht nachzufragen. „Ist ja auch egal." sagte Hannah nach einer Weile ein wenig schnippisch und ging ein wenig schneller. „Hey, ist alles in Ordnung? Habe ich etwas falsch gemacht?", fragte Maite nun doch ein wenig verunsichert. Hannah blies ihre Wagen auf. „Nein, das hat nichts mit dir zutun. Alles gut." „Ok, was hat Paddy schon wieder angestellt?" „Wieso kommst da drauf, dass Paddy etwas gemacht hat?" Maite lachte. „Willst du mich verarschen? Ich kenne dich, ich kenne ihn. Und ich kenne dich auch gut genug, um zu sehen, dass bei dir was nicht stimmt. Immer, wenn du von Paddy umgeben bist oder er von dir, dann ist immer irgendwas." Hannah schüttelte den Kopf. „Es hat sich alles erledigt. Wir hatten auf dem Rückflug ein nettes Gespräch miteinander und konnten alles klären." „Wirklich? Das klingt ja nicht sehr überzeugend." „Maite, lass gut sein, ok? Es ist alles in Ordnung." „Ok, ist ja schon gut.", lenkte Maite ein und bereute es mal wieder, überhaupt etwas gesagt zu haben. Hannah hatte ein schlechtes Gewissen und zeigte sich versöhnlich. „Magst du noch mit reinkommen?" Dankend nickte Maite. „Ja sehr gerne." Gemeinsam gingen sie in die Küche, um sich dort mit einem Tee aufzuwärmen. Maite meldete sich bei Florent und bat ihn sie bei Hannah abzuholen. Sie redeten noch eine Weile, ehe Maite auf die Uhr schaute. „Florent müsste gleich da sein. Ich gehe nur noch schnell auf die Toilette." Kaum war Maite im Badezimmer verschwunden, klingelte es. Nichtsahnend ging Hannah an die Tür und schaute verwundert in Paddys Gesicht. „Mit dir habe ich jetzt nicht gerechnet. Wo ist Florent?", fragte sie. „Die Mädchen wollten ihn nicht gehen lassen.", antwortete Paddy. Ihm war die Situation sehr unangenehm. Hannah wusste nicht so recht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. „Maite ist noch auf Toilette. Willst du hier drin warten?" „Ähh..." Paddy kratzte sich verlegen am Kopf. „Maike wartet im Auto auf mich...also..." „Verstehe.", erwiderte Hannah und schnitt Paddy das Wort ab. Schweigend und unbeholfen standen sie an der Tür und hofften, dass Maite endlich auftauchen würde.

„Ich komme, ich komme.", trällerte Maite hastig und erschien an der Tür. „Oh, hey Paddy. Ich dachte, Florent holt mich ab." „Offensichtlich nicht.", presste Hannah zwischen ihren Lippen hervor. Sie verabschiedete sich von Maite. „Also bis dann. Liebe Grüße an deine Familie, ja? Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder." „Oh ja, das hoffe ich auch. Mach's gut." Maite drückte Hannah nochmal und ging raus in die Kälte. „Also, dann. Tschüss.", sagte Hannah kühl zu Paddy. Dieser nickte nur und machte auf dem Absatz kehrt.

„Pff." Maite schüttelte abwertend den Kopf. „Was ist?", fragte Paddy ahnungslos. „Schon klar, ihr habt alles geklärt?" „Hää?" Doch Maite winkte ab, stieg zu Maike ins Auto und ließ ihren Bruder völlig perplex stehen.

Was wäre wenn?Where stories live. Discover now