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In Windeseile schnappte sich Paddy die Autoschlüssel, sein Portmonee und seine Jacke und verschwand nach draußen in die Dunkelheit. Es war wirklich sehr kalt geworden, so kalt, dass sich auf der Frontscheibe Eisblumen bildeten. Ungeduldig kratzte Paddy an der Windschutzscheibe und fluchte leise vor sich hin, bis er endlich freie Sicht hatte und mit Patricias Auto losfuhr.

Mit 20 Minuten Verspätung stand er an der Haustür von Hannahs Elternhaus. Es war nicht lange her, dass er an derselben Stelle stand, um Hannah beim Umzug zu helfen und alles andere als erfreulich begrüßt wurde. Allein der Rückblick ließ ihn erschaudern, doch als Hannah die Tür öffnete und sie ihn vertraut anlächelte, war die Erinnerung an das alte Treffen wie weg geblasen. „Du bist ein bisschen spät dran...", bemerkte Hannah und tippte mit ihrem Zeigefinger auf ihre Armbanduhr. „Tut mir leid, Ich bin eingenickt." „Ach der alte Herr brauchte ein Mittagsschläfchen, verstehe." Paddy verdrehte die Augen. „Ja, ja mach dich nur lustig.", sagte er und ging über die Türschwelle. „Hast du schon Hunger?", fragte Hannah und nahm Paddy die Jacke ab, um sie an die Garderobe zu hängen. „Ach wie du willst." „Na dann, folge mir unauffällig" Hannah machte eine einladende Handbewegung in die Küche. Auf dem Tresen standen die verschiedensten Beläge für Pizza, ein kleiner Topf mit Tomatensoße sowie Mozzarella und geriebener Käse. „Ich dachte, wir wollten Pizza bestellen?", merkte Paddy an, war jedoch positiv angetan von der Idee selbst Pizza zu machen. Hannah lächelte verlegen und rieb sich den Ellenbogen. „Naja um ehrlich zu sein, konnte  ich hier nicht einfach rumsitzen und warten. Da war ich einkaufen, hab den Pizzateig und alles andere vorbereitet." „Also, wenn ich das jetzt hier so sehe...also jetzt habe ich Hunger." Hannah lachte. „Der Teig muss nochmal durch geknetet werden. Der steht noch im Backofen." Paddy ließ sich das nicht zwei mal sagen und kümmerte sich um den Teig, während Hannah sich um Musik kümmerte und zwei Weingläser aus der Vitrine holte. „Oh Pearl Jam...das sind jetzt aber keine Schnulzen, wie ich erwartet habe." „Wie du siehst, habe ich auch kein Bier, sondern Weißwein. Immerhin habe ich auch noch ganz viele Süßigkeiten und Eis besorgt." Hannah öffnete gekonnt eine Weinflasche, befüllte zwei Gläser und reichte eins an Paddy. „Na dann auf einen Tränen freien Abend." „Hört, hört!" Sie prosteten sich zu und nahmen jeweils einen großen Schluck, ehe sie sich an den Teig machten, diesen ausrollten und die Pizzen belegten. Dabei redeten sie über Gott und die Welt und lachten viel. Hin und wieder konnte Hannah nicht anders, tänzelte durch die Küche und sang schräg mit, was Paddy amüsiert beobachtete. Ob es der Alkohol war, der Hannah so unbeschwert erscheinen ließ, konnte er nicht beurteilen, beschloss jedoch darauf zu achten, dass sie auch nur bei einer Flasche Wein blieben. Schließlich musste er selbst noch mit dem Auto zurück fahren und außerdem wusste er zu gut, wie der Abend enden könnte, wenn Hannah über den Durst trank.

Als die erste Pizza im Ofen war und die nächste belegt, räumten sie gemeinsam die Küche auf. Überall auf der Arbeitsfläche klebte Mehl und Teig. „Lass mich das sauber machen", bot sich Paddy an, „Und du kannst die restlichen Sachen in den Kühlschrank räumen." „Gott sei dank. Ich hasse es, nach dem Pizza machen zu putzen." Hannah ging sehr nah an Paddy vorbei und strich ihm wie selbstverständlich über den Rücken. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, würde man meinen, dass ein junges Paar bei sich zu Hause kocht, als wäre es das normalste auf der Welt. Über sein Gesicht huschte ein Lächeln. „Was ist so lustig?", fragte Hannah, als sie sah, wie sich seine Mundwinkel nach oben bogen. „Nichts, ich koche gerne mit dir zusammen. Nur für sich alleine zu kochen lohnt sich immer nicht. Von daher ist meine Küche meistens kalt." „Naja, da ist schon etwas wahres dran, aber..." „Aber was?", fragte Paddy. „Dafür esse ich einfach zu gerne und ständig bestellen oder ins Restaurant gehen. Das ist nicht so meins." Hannah packte die Reste in Plastikdosen und verstaute alles im Kühlschrank.

Gemeinsam deckten Hannah und Paddy den Tisch in der Küche. Als die Pizza fertig war, saßen sie sich gegenüber und prosteten sich mit den letzten Tropfen Wein, der die Flasche noch übrig hatte, zu. „Also, echt. Pizza machen kannst du.", lobte Paddy das gute Essen. Hannah grinste breit zum Dank und stopfte sich ein großes Stück Pizza in den Mund. Sie beobachtete Paddy beim Essen und freute sich tierisch, dass es ihm schmeckte, als ihr das Lederarmband an seinem Handgelenk auffiel. Ohne mit der Wimper zu Zucken Griff sie nach seinem Arm. Paddy war sichtlich verwirrt, als Hannah sein Armband genauer unter die Lupe nahm. „Sag mal, ist es das, wofür ich es halte?" „Was meinst du", fragte Paddy, obwohl er ahnte, auf was sie hinaus wollte. Er selbst hatte ganz vergessen, dass er das Armband, seitdem er in seinen alten Sachen gewühlt hatte, an seinem Handgelenk trug und versuchte schnell seine Hand aus Hannahs Griff zu lösen. „Ist das nicht das Armband, das ich dir mal zum Geburtstag geschenkt habe?" Er griff nach seinem Handgelenk. „Ehm...nein?" Hannah schaute skeptisch und musterte Paddy von oben bis unten. „Zeig nochmal her." Widerwillig und wie ein kleines Kind, das bei einer Lüge ertappt wurde, hielt er seine Hand über den Tisch, damit Hannah das Armband näher betrachten konnte. „Doch natürlich! Wem willst du denn hier etwas vor machen?" Als Paddy gerade für eine Erklärung ansetzte, fiel ihm Hannah ins Wort: „Und ich dachte, ich wäre so ein Messi und würde alles behalten. Ich habe mein Lederarmband auch noch. Es ist nur leider schon so dünn, dass ich Angst habe, es geht kaputt, wenn ich es trage." Paddy grinste. „Ich hab es gefunden, als ich meine Bilder durch geschaut habe." Erleichtert über Hannahs gelassene Reaktion, aß Paddy vergnügt weiter und unterhielt sich prächtig mit Hannah. So redeten sie auch über alte Zeiten und auch über Musik.

„Und wann hast du wieder angefangen mit dem Gitarre spielen?", fragte Hannah, nachdem Paddy erzählte, dass er im Kloster anfangs überhaupt nicht den Drang verspürte Musik zu machen. „Puh, das kam eher schleichend. Zuerst habe ich mich dagegen gewehrt, dann wurde ich hier mal gefragt, ob ich nicht die Messe musikalisch begleiten will oder ob ich dort nicht noch singen will und nach und nach fing ich wieder an für mich Texte zu schreiben und zu komponieren." „Ich muss gestehen, du ohne Musik...das geht auch irgendwie nicht." „Offensichtlich.", erwiderte Paddy und ging rüber zur Stereoanlage, um eine neue CD einzulegen. „Ich hatte vor kurzen auch mal wieder eine Gitarre in der Hand, aber mehr als ein paar Akkorde kommen da nicht immer bei rum. Bei mir ist das ja doch mehr Geschrammel. Vielleicht sollte ich doch mal Unterricht nehmen.", überlegte Hannah laut vor sich hin. „Du kannst, wann immer du willst, vorbei kommen. Ich helfe dir gerne dabei.", bot Paddy an und entschied sich für eine Bruce Springsteen CD. Er ging wieder zurück zum Tisch und wollte sich gerade wieder setzen, als er bemerkte, dass aus den Lautsprechern ihm sehr vertraute Töne erklangen, jedoch gehörten sie nicht zu Springsteen. Hannah riss die Augen weit auf und stoppte in ihrer Bewegung, als auch sie begriff, welches da Lied gerade lief.

Was wäre wenn?Where stories live. Discover now