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Meinetwegen hätten wir noch für eine längere Zeit so verweilen können, allerdings stört ein Erdbeben-ähnliches Phänomen dann den Moment.
Ich schrecke auf, als der Waldboden anfängt zu vibrieren und zu rumoren.
Neteyams Kopf schnellt sofort nach oben und während er angespannt den ganzen Wald scannt, bewegen sich seine Ohren ruckhaft und schnell von links nach rechts.

Zu meinem Entsetzen tut sich - lächerliche zehn Meter von uns entfernt - eine Kluft im Waldboden auf. Der Riss wandert von Sekunde zu Sekunde näher zu uns.
Neteyam braucht nur Sekundenbruchteile, um zu reagieren. Hastig erhebt er sich von mir und packt meinen linken Arm.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Verdammt.", höre ich ihn leise fluchen. "Komm jetzt. Hauen wir ab!"

Im nächsten Moment legt er ein Wahnsinns-Tempo vor. Ich stolpere natürlich erst einmal in hohem Bogen über den nächstbesten Stein und reiße mir etwas Haut auf.
"Au.", zische ich durch meine Zähne, schüttele mich von seinem festen Griff los und halte mir verzweifelt mein linkes Bein.

Er läuft unverzüglich zu mir zurück und packt diesmal wortlos an meine Taille, zieht mich vom Waldboden hoch und schlingt dann gekonnt seinen Arm um meinen Bauch. Mit einem schnellen Handgriff platziert er mich seitlich neben ihm. Mit dem anderen Arm schnappt er sich meinen Arm und legt ihn über seine Schulter.
Die Konstellation wird auf keinen Fall klappen. Das weiß ich jetzt schon. Ein echtes Himmelfahrtskommando.

Nach einigen Metern wird das dann auch Neteyam klar. Wir sind einfach viel zu langsam, ich bin überhaupt nicht an meine neue Gestalt gewöhnt und außerdem komplett außer Atem. Nicht zu vergessen, dass es mich gerade eben richtig ordentlich auf die Schnauze gepackt hat.
Neteyam seufzt schwer.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Das mit deiner Ausdauer müssen wir auch noch in den Griff kriegen."

Seine Standpauke wird allerdings unterbrochen, als ein weiteres Knacken in unserer Richtung ertönt. Der Riss bahnt sich seinen Weg immer näher zu uns, so als ob er uns verfolgen würde.
Ich fass es nicht. Warum muss das immer mir passieren? Habe ich nicht schon genug ertragen müssen?
Als wir an dem großen Baum mit den abertausend verzweigten Ästen Halt machen, zieht er mich in sein Sichtfeld und wirft mir einen ernsten Blick zu.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Du musst mir jetzt vertrauen, ja? Machst du das für mich?"
Ich nicke stumm.

Ehe ich mich versehe, befördert mich Neteyam auf seinen Rücken, sodass ich mich Huckepack-mäßig an ihn klammern kann. Ich umschlinge ihn so fest wie ich auch nur kann, während er leichtfüßig und wendig den Baum raufklettert. Ein paar Äste müssen dran glauben, jedoch bleiben wir beide bis auf Weiteres unversehrt.
Ich schließe die Augen, als wir uns fünf Meter über dem Waldboden befinden. Scheint so, als wäre ich nicht ganz schwindelbefreit. Meine ganze Umgebung dreht sich um mich und ich fühle mich, als hätte ich eine Gehirnerschütterung frisch überstanden.
Mein Herz pocht mir bis zum Hals und ich spüre, wie auch Neteyams Puls höher schlägt, je weiter wir uns vom Boden entfernen.

Ich habe definitiv keine Ahnung von seinem Plan. Aber das möchte ich gerade auch nicht. Es tut so unglaublich gut, jemandem sein Leben komplett zu überlassen. Sich einfach tragen zu lassen, sich ausnahmsweise keine Sorgen um gar nichts zu machen. Es fühlt sich alles wie ein surrealer, wunderschöner Traum an, der sich aus einem furchtbaren Albtraum entwickelt hat. Ich lächle erleichtert in Neteyams Rücken rein, Augen immer noch vollständig geschlossen.
Ich spüre, wie der Wind um mich weht, wie immer mehr Lichter mich umgeben. Als mich die Sonne durch meine geschlossenen Augenlider verdächtig hell blendet, öffne ich sie.

Faszinierend.
Total überwältigend.

Ich blicke um mich herum, wir haben schon längst die Baumkrone erreicht, die sich bestimmt mindestens 15 Meter über dem Waldboden befindet. Man kann über den ganzen prächtigen Wald blicken und am Horizont ist sogar das Ufer erkennbar.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Bist du wohl auf?", möchte er sich versichern - seine Stimme immer noch etwas zittrig von der Aufregung und dem Adrenalin.
"J-ja.", bringe ich ergriffen hervor. "Ich schulde dir jetzt aber echt einen Haufen Rettungen."
Er senkt seinen Kopf - wahrscheinlich, um in sich reinzuschmunzeln.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Kannst es mir ja gern zurückzahlen. Ich lass mir was einfallen."
Ich schüttle lächelnd den Kopf. Dieser Typ ist echt unglaublich.

Wir vernehmen beide ein lautes Kreischen, dass von irgendwo über uns ertönt. Da fliegt plötzlich ein ausgewachsener... Dinosaurier (?) auf uns zu.
Ich staune nicht schlecht.

ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Hey, ruhig bleiben. Das ist nur mein Ikran.", versichert er mir einfühlsam, als er meine Anspannung auf seinem Rücken spürt.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Der tut dir nichts. Außer natürlich, wenn ich ihn darum bitte."
"Ich weiß nicht, ob mir gerade so zum Scherzen zumute ist..."
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Schon gut, 𝒽𝑜𝓃𝒶 [=süß, niedlich, hübsch].", entgegnet er mir abwinkend und lockt den Ikran zu uns her. Ganz behutsam streicht er ihm über die Schnauze, als dieser sich ebenfalls flügelschwingend auf der Baumkrone niederlässt.

Ich sehe, wie er ihm etwas einflüstert. Mein Na'vi ist allerdings genauso lächerlich wie meine zahllosen Versuche, in mein altes Leben zurückzukehren. Deshalb verstehe ich natürlich kein einziges Wort.
Wie ich es in dem Handbuch der Na'vi gelernt habe, greift Neteyam dann zu seinem geflochtenen, langen Zopf und verbindet ihn behutsam mit dem Ikran.
Seelenverbindung nennt man das wohl.
Für mich sieht das immer etwas merkwürdig aus, aber vielleicht sind wir Menschen einfach zu zweideutig und prüde unterwegs. Schließlich sind wir nun einmal in einer komplett anderen Kultur aufgewachsen.

ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Halt dich gut fest, hörst du? Ich kann nicht immer deinen Retter spielen - auch wenn dir das so gut zu gefallen scheint.", gibt er mir zu verstehen und schwingt sich dann mit einem Mal auf den Rücken seines Ikrans. Das Tier gibt ein kurzes Geräusch von sich, dann beginnt es sich erst langsam, dann immer schneller zu erheben und hebt letztendlich ab in die Luft.

Ich sitze etwas unbequem auf dem Ikran und habe das Gefühl, jeden Moment abrutschen zu können. Etwas verängstigt festige ich meinen Griff um Neteyam.
Der scheint überhaupt kein Problem mit der Höhe zu haben, ganz im Gegenteil. Total gelassen lenkt er uns durch die Lüfte, angetrieben von meiner Angst, die ihn meiner Meinung nach etwas zu sehr amüsiert.
Immer dann, wenn er meine Panik im Nacken spürt, lässt er den Ikran absichtlich in die Tiefe stürzen, um einen hysterischen Schrei meinerseits zu provozieren.

"Bitte...", keuche ich nach einer Weile panisch, meine Hände an seinen Körper gekrallt. "Bitte langsamer."
Er dreht sich kurz zu mir um, die Schadenfreude steht ihm wieder einmal ins Gesicht geschrieben. So ein kleiner Angeber.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Langsamer kenn' ich nicht."

ᴸᵒᵃᵏ "Bro und ob du das kennst. Niemand fliegt so lahm wie du."
"Lo'ak?!"
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Wo bist du denn abgeblieben. Wir warten schon seit Ewigkeiten auf euch, ѕкχαωηg [=Idiot]."
ᴸᵒᵃᵏ "Da ist was dazwischengekommen. Erkläre ich dir später.", ruft er zu uns rüber und nickt uns zu.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Dann mal los."
ᴸᵒᵃᵏ "Wer als letztes ankommt muss Dads Aufstand ertragen."
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Wir wissen beide, dass ich das sowieso immer muss."

𝔦𝔠𝔢 𝔠𝔬𝔩𝔡 ⟜ Neteyam / Lo'ak FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt