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"Neteyam.", setze ich an - unwissend, was ich ihm eigentlich gerade klarmachen möchte. Sofort dreht er seinen Kopf zu mir um. Sein besorgter Blick verrät mir, dass er wirklich alles tun würde, um mir diese schreckliche Last von den Schultern zu nehmen. Nur wissen wir beide ganz genau, dass er das nicht kann. Niemand kann das.

Ich senke meinen Kopf etwas, während ich immer noch folgsam hinter ihm herlaufe. Wie ein kleines Kind, das gerade ein Donnerwetter über sich hat ergehen lassen. Als er realisiert, dass ich meinen Satz wohl nicht zu Ende bringen werde, bleibt er stehen und wartet. Seine Augenbrauen heben sich leicht und ich fühle mich herausgefordert.
"Ich weiß nicht, ob ich das kann.", stammle ich also und deute auf den großen Felsen direkt vor unserer Nase. Wenn ich diese extreme Höhe sehe, wird mir ganz anders. Da sollen wir also hoch?

Dann, ganz plötzlich, spüre ich eine unangenehme Kälte an meinen Fußknöcheln. Entsetzt starre ich an mir herunter und erkenne eine erneute Frostwelle. So als hätte ich Wurzeln geschlagen, bin ich am Waldboden festgefroren.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Y/n, alles gut da unten?", höre ich Neteyam von oben rufen.
Er befindet sich bereits einige Meter über dem Boden, um alles auszukundschaften.
Ich verkneife mir einen sich anbahnenden Heulkrampf und hocke mich erstmal aufs Eis. Mit meinen Fingerspitzen und Nägeln versuche ich vergeblich, das gefrorene Wasser wegzukratzen. Doch je mehr ich versuche, das Eis gewaltvoll zu brechen, desto dicker und stabiler scheint es zu werden. Ich höre knisternde Geräusche und die Temperatur um meine Füße herum kühlt weiter ab.

Verdammt.
ᴺᵉᵗᵉʸᵃᵐ "Was passiert da gerade?"
"Ich weiß nicht.", entgegne ich ihm mit zusammengebissenen Zähnen und versuche, mich ein letztes Mal zusammenzureißen. In mir herrscht ein heftiger Schneesturm, der nicht aufhört zu toben. Alle schlechten Erinnerungen, die ich in letzter Zeit angesammelt habe, brausen und wirbeln in meinem Kopf umher. Ich kann es einfach nicht abstellen.

Bitte, hoffe ich inständig, bitte bleib wo du bist, Neteyam. Versuch erst gar nicht mir wieder helfen zu wollen.
Mir ist es mehr als unangenehm, ständig auf seine Hilfe angewiesen zu sein. Bin ich wirklich so abhängig geworden? Wer hat mich so verflucht, dass ich nicht einmal mehr auf eigenen Beinen stehen kann? Wortwörtlich, denn die beißende Kälte frisst sich bereits zu meinen Knien hoch, sodass ich mich nur schwer auf den Beinen halten kann.

Mir ist längst klar geworden, dass dieses eisige Phänomen mit meinem Gemüt und meinen Gefühlen zusammenhängt. Erst die Sache mit Lo'ak, dann die Angst an der Klippe und jetzt das Gefühl völliger Überforderung... Ich scheine das nach außen zu tragen, was mich tief im Innersten bewegt. Wenn ich meinen Gemütszustand nicht unter Kontrolle habe, gilt für meinen Körper wohl das gleiche Schicksal.

Ich nehme einen tiefen Atemzug.

Dann, ganz unüberlegt, treffe ich eine Entscheidung: Ich zwinge mich selbst, an eine intensive Erinnerungen zu denken.
Irgendetwas, was mich aufkochen lässt.
Irgendetwas, was meine Kräfte reaktiviert.
Mir kommen sofort wieder Lo'ak und Tsireya in den Sinn und wie er sie...
Ich spüre bereits, wie sich mein ganzer Körper beim blanken Gedanken daran schon anspannt. Ich richte meine Hände in Richtung meiner eingefrorenen Füße und hoffe das Beste. Vielleicht kann ich so das Eis zerschießen?

Plötzlich passiert es - das genaue Gegenteil von dem, was ich eigentlich erzielen wollte.
Natürlich, was auch sonst.
In Lichtgeschwindigkeit breiten sich die eisigen Blumen über den ganzen Waldboden aus und erweitern das Gebiet nur noch weiter. Aus den hellgrünen Wildpflanzen werden schwarze, verdorrte Zweige - umhüllt von einer dicken, eiskalten Schicht Wasser.
Zu meinem Erschrecken muss ich feststellen, dass es auch vor Bergen und Hügeln keinen Halt macht.
Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck sehe ich mit an, wie die Eisschicht zu Neteyam hochschießt. Dieser wirft mir einen komplett entgeisterten Blick zu und klettert hektisch nach oben.

Ein verzweifeltes, markdurchdringendes "NEIN!" verlässt meine Kehle und ich sinke zu Boden, als ich mitansehen muss, wie ihn das Eis in null Komma nichts erreicht.
Wie von Blitz getroffen erstarrt er von Rumpf bis zum Kopf und droht, jeden Moment abzustürzen. Ich befinde mich in einer kompletten Schockstarre und nehme nur noch meinen warmen Atem war, der sichtbar vor mir verdunstet.

Um mich herum wird es auf einmal ganz leise. Das Einzige, was ich hören kann, ist der Herzschlag in meinen Ohren.

Im nächsten Moment glaube ich, ein leichtes Knacken wahrzunehmen, das aus Neteyams Richtung ertönt.
Ich reiße erschrocken meine Augen auf.
Mein Körper regt sich wieder. Ganz reflexhaft kämpft er sich mit aller Kraft aus den eisigen Fesseln und befördert mich hin zum Felsen. Das fühlt sich komplett surreal an, so als hätte etwas Besitz von mir ergriffen.

Als das Knacken ein zweites Mal ertönt, fällt Neteyams lebloser Körper in die dunkle Tiefe. Wie fremdgesteuert fängt ihn mein bereits durchgefrorener Körper auf und ich werde dank seines Gewichts zu ihm herunter auf den Boden gezogen. Ich stütze mich schnell ab und beuge mich über seinen Körper.
"Neteyam!"

Keine Reaktion.

"Neteyam! Sag doch was!"
Ich rüttle gewaltsam an seinen steifen Schultern. Doch alles, was ich seinerseits vernehmen kann, ist sein vermeintlich letzter, stockender Atemzug. Gequält zieht er Luft durch die Zähne und verzieht ein paar Gesichtsmuskeln.

Hektisch versuche ich, ihn irgendwie warmzukriegen - jedoch vergeblich. Auch mein eigener Körper verfügt nicht mehr über eine gesunde Körpertemperatur und ich spüre, wie meine Fingerspitzen durch die eisige Kälte versteifen.
Ich fluche leise.
Dann fluche ich laut.

"Verdammt nochmal, wieso passiert sowas immer nur mir? Ich habe das einfach nicht verdient!", rufe ich hoch zum Himmel und lege meinen Kopf in den Nacken. Mir kullert eine kleine Träne die Wange herunter und gefriert kurz darauf.
"мα єуωα. мα єуωα.", wimmere ich nun leiser und lege meinen Kopf langsam auf Neteyams Brust, während ich komplett loslasse. Die vereiste Träne auf meiner Wange taut wieder auf, als sie von einem Schwarm warmer, schmerzvoller Tränen überrollt wird.

Und so sitze ich da, vollkommen gebrochen, und schluchze mir die Seele aus dem Leib. Mit dem zitternden Neteyam in den Armen bete ich zu Eywa - meine letzte Hoffnung. Nur die große Mutter kann uns jetzt noch retten.
Während die Tränen immer noch kullern, drehe ich mein Gesicht endlich zu Neteyam hin. Ich habe es bisher nicht gewagt, ihm direkt ins leblose Gesicht zu schauen. Der Tod verängstigt mich mehr als alles andere auf diesem gottverlassenen Planeten.

Sein Gesicht ist allerdings alles andere als ein Schock für mich. Seine Augen sind geschlossen und er wirkt, als würde er Winterschlaf halten. Seine bildschönen Gesichtszüge sind noch sichtbar und lassen ihn fast wieder lebendig wirken.
Ich senke meinen Kopf wieder auf seine kalte Brust herab und lasse die verbliebenen Tränen durch Schwerkraft von meiner Wange auf seinen Körper rollen.

Wie wir da so liegen und die Welt um uns verstummt, legt sich plötzlich auch der Sturm in mir und ich schließe meine Augen.

Dann, völlig aus dem Nichts, fühle ich etwas Schweres auf meinem Hinterkopf. Sofort schrecke ich auf.
Ungläubig betrachte ich Neteyams Körper, der wieder aufzutauen scheint. Die Stelle auf seiner Brust, die von meinen Tränen getränkt wurde, leuchtet leicht auf und breitet sich langsam aus.

Ich traue meinen Augen kaum. Kann das wirklich sein?

Neteyam hat doch tatsächlich seine Hand auf meinen Kopf gelegt. Aufgeregt packe ich seine Hand und schaue ihm ungeduldig in die noch verschlossenen Augen.

"Komm schon, Neteyam.", flüstere ich hoffnungsvoll. "Du packst das." ✘





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So...
Ich habe jetzt eine ziiiiiiemlich lange Pause eingelegt, weil mein Leben in letzter Zeit sehr stressig war. Das war definitiv nicht geplant.

Aber jetzt bin ich auf jeden Fall wieder mit frischer Motivation dabei und hoffe, ihr freut euch trotzdem über die (etwas) verspätete Fortsetzung. <3

P.S.: Ich habe auch eine Ao'nung Fanfiktion angefangen, falls ihr mal reinschauen möchtet (ෆ˙ᵕ˙ෆ)

𝔦𝔠𝔢 𝔠𝔬𝔩𝔡 ⟜ Neteyam / Lo'ak FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt