11 - Curses

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Leise knistert das Lagerfeuer vor ihr, welches den beiden Licht und Wärme zugleich spendet.
Im Hinblick auf die letzten Ereignisse kamen beide zu dem Entschluss, dass es nicht verkehrt wäre auf dieser Insel noch eine Rast einzulegen und sich zu erholen. Dabei ließ Schocker es sich nicht nehmen – nachdem der erste Schock über den Stofffetzen mit seinem Bild verdaut war – für das Abendessen ein paar Fische zu fangen. Mit ruhigem Gewissen konnte er seiner Jagd nachgehen, nachdem er sich vorher natürlich nochmal versichert hat, dass auf dieser Insel wirklich keine Gefahr für seine Reiterin lauert.
Und seine Reiterin selbst wiederum wollte sich sogar gar nicht mal wirklich wegbewegen. Anscheinend schienen die Fundstücke sie doch mehr zu beschäftigen, als er angenommen hatte. Aber ist es denn so seltsam, dass auf einem Stück Stoff ein Bild von ihm abgebildet ist? Oder auf dem Metallstück, welches sie aus dieser Holzkiste von diesem Grodan bekam?
Manchmal wird er aus diesen Menschen wirklich nicht schlau. Aber seine Verbundenheit zu diesem Menschenkind würde er sich andererseits niemals nehmen lassen! So viel ist sicher.

Während die Sonne immer mehr vom Nachthimmel verschluckt wird, haben Drache und Mensch es sich auf dem Vorplatz dieses Ortes gemütlich gemacht. Auch Hunger und Durst konnte gestillt werden, nur die Neugier bleibt. Neugier und verdammt viele Fragen.
Unmerklich lächelnd sieht Violene noch einmal zu Schocker, welcher sich schon längst zusammenrollte. Und doch ist er wachsam, falls plötzlich etwas passieren sollte. Sie selbst hat sich an ihn gelehnt, in der einen Hand noch immer den Stofffetzen. So sehr sie es auch versucht, es will ihr einfach keine Ruhe lassen. Erst auf dem Metall mit ihrem Namen und nun auch noch auf diesem Stoff. Aber auf einer ihr völlig unbekannten Insel, mit einer Zivilisation, die es wohl schon seit mehreren Jahren nicht mehr zu geben scheint. Was ist hier nur passiert...?
Nur bleibt es nicht bei dem Stoff und den Ruinen, die schon unzählige Fragen aufwerfen. Gerade auch die Bücher und die zahlreichen losen Zettel, die sie bergen konnte, tun ihr Übriges dazu. Leise seufzend lässt sie ihren Blick über den beginnenden Nachthimmel schweifen, über die endlose Weite noch immer nur staunen können.
Wäre sie im Dorf geblieben... niemals hätte sie diese Schönheit kennenlernen können. Dieses Wunder der Natur, wenn die unzähligen Sterne sich über den weiten Himmel erstrecken, welcher weder Anfang noch Ende zu haben scheint. Egal wie weit sie mit Schocker fliegen würde, den Anfang und das Ende würden sie wohl nie erreichen können.
Zuhause... Der kurze Anflug von Heimweh versetzt ihr einen schmerzhaften Stich im Herzen. Aus Reflex beißt sie sich auf die Unterlippe, die Augen vor Angst rasch zusammengekniffen. Ein Wort, welches für sie so widersprüchliche Bedeutungen hat.

Die anderen Kinder im Dorf würden Zuhause bestimmt als etwas Schönes beschreiben. Für die würde es Familie bedeuten. Geborgenheit, Geschwister, Eltern, die einen lieb haben. Ein Bett in einem warmen Haus.
Ob das stimmen würde? So stellte Violene es sich regelmäßig vor, wenn sie die Kinder im Dorf sah. Wie sie lachten, Spaß hatten, sich freuten. Ja, bestimmt würden die anderen Kinder so das Wort Zuhause beschreiben.
Sie selbst spürt nur eine tiefe Sehnsucht in ihrem Herzen danach. Nach all diesen Dingen. Nach Eltern, die einen lieb haben, Geschwister, mit denen man spielen kann und vor allem... ein sorgenfreies Leben, wo man nicht als verflucht bezeichnet wird und jederzeit mit Gewalt zu rechnen hat.
Sie kennt dieses Zuhause nicht. Sie kennt nur ihren Onkel, wobei sie auch daran langsam immer mehr Zweifel bekommt. Ob er überhaupt ihr Onkel ist...? Ob er überhaupt mit ihren Eltern verwandt ist? Da war keine Mutter, die ihr Trost schenkte, wenn sie Angst hatte. Kein Vater, der ihr abends spannende Geschichten erzählte. Nicht wie bei den anderen Kindern im Dorf, wenn sie von außen lauschte, weil alles andere besser war, als zuhause zu sein.

Eine stumme Träne bahnt sich ihren Weg über ihre Wange, während ihr Blick sich in den Sternen verloren hat. Zuhause... das ist mein Wunsch. Eines Tages einen Ort zu finden, wo ich zu Hause bin.
Im selben Moment fliegt eine Sternschnuppe über den Nachthimmel und kreuzt ihren Blick.


* * * * * * * * *


Raschelndes Papier reißt Schocker im nächsten Moment aus seinem gemütlichen Schlaf.
Grummelnd öffnet er sein Maul einmal weit, um zu gähnen, bevor er schmatzend der aufgehenden Sonne entgegenblinzelt.
Und würden die warmen Sonnenstrahlen nicht schon ihr übriges tun und ihn mehr und mehr wecken, so tut es der Anblick seiner Reiterin. Diese hat sämtliche Fundstücke vom vergangenen Tag vor sich ausgebreitet und scheint diese schon länger zu studieren. Denn einen müden Eindruck macht Violene auf ihn definitiv nicht.

Behutsam legt sie die losen Blätter nebeneinander auf den Boden und sortiert diese gegebenenfalls noch einmal, um ja nichts zu übersehen. Der Stoff mit seinem Bild und dieses linsenartige Ding wiederum wurde am Rand abgelegt, daneben wiederum liegen die zwei anderen Bücher.
Neugierig geworden streckt der hellblaue Drache sich nun ganz, um sich dann von der anderen Seite diesem Sammelsurium zu nähern. Vorsichtig schnaubend betrachtet er die Zettel, welche voll sind von diesen Wikingerzeichne, welche er schon ein paar Mal sehen konnte.
Zufrieden betrachtet Violene ihr Werk. Dabei hatte sie die einzelnen Zettel schon ein paar Mal überflogen. Meist ging es dabei um andere Stämme von Wikingern, die es irgendwo da draußen noch geben soll. Ob das wirklich sein kann...? Durch die Expeditionen mit den Männern aus dem Dorf sind sie schon ein paar Mal anderen Wikingern begegnet, aber dass es da wirklich feste Stämme und vor allem so viele geben soll?
Einigermaßen zufrieden mit den sortierten Fundstücken setzt sie sich wieder vor diese hin und lässt ihren Blick darüber schweifen. Über den Stofffetzen und die Linse wurde sie dabei nicht schlauer. Weder, was diese Sachen bedeuten, noch woher sie kommen. Dafür geben ihr die Zettel mehr Hoffnung. Auch wenn die meisten schon deutlich vergilbt sind und teils die Texte darauf ebenso wenig erkennbar, so ließen sich einige wenige Informationen daraus sammeln.
Wiederholte Male wurde ein Treffen erwähnt, dann, das die Bewohner von hier daran nicht mehr teilnehmen durften, weil sie sich bei irgendetwas anscheinend weigerten. Und vor allem ein Name, obwohl er nur so kurz ist, begegnete ihr bei den losen Zetteln immer wieder: Berk.

Was oder wer ist Berk?

Unmerklich den Kopf schüttelnd geht sie die restlichen Zettel durch, in der Hoffnung darauf eine Antwort zu finden. Stattdessen beinhalten die Zettel nur noch weitere Informationen über Drachen, wie sie heißen, wie sie aussehen und ein paar grundlegende Fakten jeweils zu diesen Drachen. Auch wenn sie über diesen oder dieses Berk nichts mehr finden konnte, die Infos über weitere Drachen sind eine Menge wert! So lässt sie sich die Chance nicht nehmen, dies so gut es nur geht, zu verinnerlichen. Unter den wachsamen Augen eines Leuchtenden Fluchs, der seine Reiterin neugierig dabei beobachtet.
Ein Schmunzeln huscht über ihre Lippen, als Violene den wachsamen und doch neugierig abwartenden Blick ihres Drachen wahrnimmt. Wenn man Drachen von dieser Seite kennenlernt, sind sie längst nicht mehr so furchteinflößend, wie sie es früher immer dachte. Und dieser hier, Schocker, ist wohl das besonderste von allen Exemplaren!
So lässt sie es sich nicht nehmen, ihm von ihren Entdeckungen auf diesen Papieren zu erzählen. Wobei ihre Gedanken und auch ihr Blick immer wieder mal über die Ruinen dieses Dorfes schweifen, mit der immerwährenden Frage: Was ist hier nur passiert...?

Nur die beiden Bücher sollten noch größere Überraschungen beinhalten.
Denn die Schrift in diesen Büchern ist nicht in den typischen Wikingerrunen gehalten, sondern hat eine ganz eigene seltsame Form der Schriftzeichen und Bedeutungen. Und obwohl der Anblick davon in Violene etwas Vertrautes weckt und sie das Gefühl nicht ganz abschütteln kann, diese schon einmal irgendwo gesehen zu haben, so kommt sie einfach nicht darauf. Egal wie sehr sie versucht, sich zu erinnern, egal wie sehr sie sich dazu auch anstrengt. Es will ihr weder eine Erinnerung noch ein Bild dazu kommen.

Nach einigen weiteren Versuchen dann doch aufgebend, hat Violene sämtliche Fundstücke am Sattel von Schocker verstaut. Nur die Linse und der Stofffetzen, die beiden Sachen sind tief in ihrer eigenen Tasche verschwunden. So dass niemand Ungebetenes diese Sachen leichtfertig entdecken und ihr wegnehmen könnte. Denn sie kann das Gefühl nicht abschütteln, das diese beiden Sachen wertvoller sind als gedacht. Und die Angst, dass ihr Onkel oder jemand anderes... nein, daran darf sie einfach nicht denken.
Während Schocker sich von den Gedanken seiner Reiterin nicht stören lässt und seinen letzten Fisch verschlingt, um für den anstehenden Flug gestärkt zu sein, schwingt Violene sich schlussendlich in den Sattel. Ein letztes Mal fällt ihr Blick zurück auf das Dorf. Besser gesagt, auf das, was davon übrigblieb. Ob früher hier mal glückliche Leute gelebt haben...? Ich würde so gerne verstehen, was damals hier passiert sein muss.
Ein letztes Mal den Blick abwendend gibt sie Schocker ein Zeichen loszufliegen.

Dies lässt der hellblaue Drache sich auch nicht zweimal sagen. Obwohl er Gefallen gefunden hat an dieser ruhigen Insel. Jedenfalls gehört dieser Platz zu den wenigsten Orten, wo sie beide gefahrlos schlafen und einfach sein können. Ohne Angriffe befürchten oder auf anderweitige Gefahren achten zu müssen.
Auf der anderen Seite ist ihm bewusst, dass sie wohl nicht für immer an solchen Orten bleiben können. Vor allem, solange dieser komische Grodan ihr immer wieder Befehle gibt. Im selben Moment verzieht er kurz die Schnauze, als seine Erinnerungen zurück an jenen Abend wieder aufkommen. Wie Violene ihm befahl, sich nicht zu bewegen, und Grodan... wenn er könnte, würde dieser Grodan schon längst nicht mehr leben! Aber Violene zuliebe... doch sollte er es noch einmal wagen, so kann Schocker Violene gegenüber nichts versprechen. Und vielleicht, nur vielleicht, will er das auch gar nicht. Jedenfalls nicht in dem Fall.
Langsam steigt die Sonne immer höher und lässt das ruhige Meer unter ihnen fast schon glitzern. Heute scheint ein friedlicher Tag zu werden, jedenfalls weht kein bedrohlicher Wind und es sind nur vereinzelt immer wieder größere Wolken am Himmel zu entdecken. Noch nicht einmal solche Drachenjäger sind in Sicht, was ja eigentlich auch nicht mal schlimm ist.
Eine Entdeckung auf dem Meer lässt Violene innehalten und sich mehr auf Schockers Rücken aufrichten, die Augen zusammenkneifend, um sicherzugehen, dass sie sich eben nicht verguckt hatte. Das darf doch nicht wahr sein! Anscheinend reicht schon ein Gedanke, um Drachenjägerschiffe heraufzubeschwören.... Aber... irgendetwas stimmt da nicht-

(DS) „Schocker? Ab in die Wolken."







Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅

Schatten der Vergangenheit (Httyd)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt