19 - Death Tribute

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Gebannt beobachten die Männer das Schauspiel, welches sich vor ihnen erstreckt. Nicht nur, dass sie noch immer darüber staunen wie dieses Mädchen es schaffte, das die Drachen auf sie hören. Sondern vor allem, dass sie tatsächlich den Befehl ausführt.
„Er hätte uns doch gar nicht schicken müssen. Diese vielen Tage hinterherfahren mit unserem Schiff hätten wir uns doch echt sparen können. Ihr seht doch selbst, dass sie genau das tut, was er wollte. Ich verstehe echt nicht, warum er ihr da so misstraut", genervt wendet der eine sich von dem Schauspiel ab, als würde er eine schlechte Theateraufführung nicht mehr ertragen können.
„Vielleicht genau deswegen!", erwidert ein anderer missmutig und drückt ihm ein Fernglas in die Hand. „Niemand wird getötet, nichts wird zerstört und auch diese Drachenreiterspinner sind nicht da. Wenn es sie tatsächlich gegeben hat. Die kleine Ratte hat bestimmt alles verraten!"

„Also erstatten wir Ihm schnellstmöglich Bericht und machen uns auf den Rückweg. Wir haben genug gesehen."
Unbemerkt verschwindet das Schiff vom Geschehen.

Etwas abseits von allem beobachtet Violene das Spektakel in Berk. Wie heillos verwirrte Bewohner versuchen, diese aufmüpfigen Drachen zu verjagen und ihre Sachen wiederzubekommen. Wie der Häuptling so gar nicht glücklich über die Situation verschiedene Befehle schreit, selbst für Ordnung sorgen will.
Und doch bringt es nichts. Kann keiner von ihnen die Drachen dazu bewegen abzuhauen. Diese sinnlosen Aktionen zu unterlassen. Nein, das ist ihre Macht. Diese Macht hat allein sie.
Ein Pfeifen durchdringt das Chaos innerhalb des Dorfes, ein Drachenbrüllen folgt dem. Ein neuer Befehl lässt die wilden Drachen aufhören, die Schnauzen gen Himmel recken, bevor sie in den Himmel aufsteigen und Berk verlassen. Zurücklassen.
Schweigend, vielleicht auch gepaart mit Gleichgültigkeit, wendet Violene sich vom Ergebnis ab. Schwingt sich in den Sattel und bedeutet Schocker, den wilden Drachen zu folgen.

Das wäre ihre Chance gewesen.
Hiermit hat sie diese Chance ein für alle Mal begraben.
Die Verwunderung der Wikinger ignorierend kehrt sie Berk den Rücken zu.

„Ich... bin froh, dass du dich umentschieden hast, Violene."
(DS) „Ich... ich will einfach nur nicht so werden wie mein Onkel. Oder was auch immer er ist! Ich... noch mehr Blut an meinen Händen pack ich einfach nicht, Schocker..."
Mit einem Grummeln versucht Schocker ihr Zustimmung zu signalisieren. Zu zeigen, dass er ihre Gedanken versteht. Wenige Stunden sind seit ihrer Aktion auf Berk vergangen. Wenige Stunden, seitdem sie diese Insel und auch die Dracheninsel verlassen haben.
Und auch wenige Stunden, seitdem sie die wilden Drachen zurück in ihre natürliche Freiheit entließen.
Seitdem befinden sie sich auf dem Weg zurück zur Tiefseespalter-Insel. Zurück nach Hause. Oder wie auch immer sie diesen Ort nun nennen würde.
Bereit, ihrem Onkel Bericht zu erstatten und noch vielmehr bereit, ihm eine klare Lüge aufzutischen. Grodan von der genialen Vernichtung dieses Stammes, dieser Insel und all jenen Drachenreitern zu erzählen. Ihm Honig um den Mund zu schmieren.
Aber auch ist sie bereit zu verschwinden. Ihren letzten Dienst hiermit abzuschließen und dann ihm und der Insel auf Nimmerwiedersehen den Rücken zu kehren. Sie wird niemals zurück nach Berk kommen können, erst recht nicht um sich dort als Reiterin zu offenbaren.

Die Aufzeichnungen logen nicht.
Auf irgendeine Art und Weise hat dieser Stamm, dessen Wappen sie überall hin verfolgt etwas mit Berk zu tun. Und sie kann das dumpfe Gefühl nicht abschütteln, das es sich dabei keineswegs um etwas Gutes handelt. Das würde ihr noch fehlen, wenn die Berkianer sie als schlechtes Omen der Götter ansehen würden.
Nein, sie kann nicht zurück nach Berk. Aber vielleicht kann sie zurück zu Rukis Dorf. Bei denen unterkommen und ihnen mit Schocker im Alltag helfen. Wenigstens so lang, bis sie einen Plan hat, wo sie hingehören. Was ihre wahre Herkunft ist und zu welchem Stamm dieses Wappen schlussendlich wirklich gehört.


* * * * * * * * * * *

Dadurch, das sich Reiter und Drache für die diesmalige Rückkehr viel mehr Zeit lassen, konnte das Schiff problemlos vor den beiden wieder ankommen.
Eine Tatsache, worüber weder die Besatzung noch ihr Stammesoberhaupt traurig sind. Vielmehr aber jenem Duo zum Verhängnis werden soll.

„Wir sind zurück, Chef."
„Bericht." Es ist nur ein einziges Wort, welches er ausspricht. Dabei hebt er nicht einmal den Blick, signalisiert er ihnen deutlich, welchen Stellenwert sie vor ihm haben. Und doch ist seine Stimme schneidend, kalt, fast schon gierig darauf zu erfahren, ob sein Verdacht sich bestätigt.
„Sie hat euch betrogen. Sogenannte Drachenreiter waren nicht vor Ort, auch wurden weder Menschen getötet, geschweige denn verletzt. Selbst die Insel und das Dorf blieben weitgehend unbehelligt."
„Ihr könnt abtreten."

Er wusste es.
Er hatte es all die Monate schon gewusst, das sie ihn verraten würde. Das sie nicht stark genug sein würde, um seine Befehle korrekt auszuführen. Und auf der anderen Seite zu willensstark wäre, um ihm wirklich zu gehorchen. Dem Zweck zu dienen, zu welchem er sie bestimmt hatte.
Aber es wird Folgen haben. Er wird die Konsequenzen für sich sprechen lassen, die er für solche Fälle bestimmt hat. Und diesmal wird er keine Gnade mehr walten lassen. Gnädig war er schon viel zu viel mit ihr gewesen. Man sieht ja, wohin diese Gnade sie brachte. Nein, Gnade bringt nichts.
Von nun an wird er die Strafen für ihre Taten sprechen lassen.


* * * * * * * * * * *

Mit jeder Etappe, welcher sie sich der Insel nähern, werden die Bauchschmerzen stärker. Und die Übelkeit steigt.
Ihr ist es bewusst, dass diese Schmerzen nicht davon kommen, weil sie etwas Schlechtes gegessen hätte, sondern vielmehr auf der wachsenden Panik vor Grodan basieren. Angst davor, ob er ihre Lüge ihr abkaufen wird. Angst davor, ob es Rikke noch gut geht. Angst davor, ob der geplante Fluchtversuch für kommende Nacht funktioniert.
Und wenn auch nur eine Kleinigkeit scheitert, ob er es bei Prügel belässt oder es sogar wagt, Schocker etwas anzutun. Alles Gedanken, die ihr schon die letzten Tage und Nächte weder einen erholsamen Schlaf, noch Flug bescherten.
Und egal wie viele Etappenpausen sie einlegen, wie oft sie lieber einmal mehr auf einer Insel eine Rast einlegen, es will alles nicht helfen.

Erinnerungen holen sie ein, als sie wie schon so oft vor dem Nebel dieser Insel sind.
Erinnerungen an ihren ersten gemeinsamen Ausflug, von welchem Grodan nichts wusste und welchen sie dann schmerzhaft bezahlen durfte. Zum Glück kam Schocker aus dieser Geschichte unversehrt wieder raus. Aber... die Wucht des Schlages wird sie wohl nie gänzlich vergessen können.
(DS) „Lande bitte direkt auf dem Marktplatz. Dann können wir das so schnell wie möglich hinter uns bringen..."

Leider gibt es einige Dinge, die dann schlussendlich leichter gesagt als getan sind. Rückblickend gesehen würde Violene diesen Gedanken gerne mit dazu zählen.
Mit Ruhe, aber auch wachsam durchquert Schocker den Nebel, welcher die Insel umgibt. Und achtet zugleich fest darauf, ob das Meer unter ihnen sich ruhig verhält oder was auch immer da ist, was das Meer aufwühlt. Er wird das ungute Gefühl nicht los, das auch ein Drache in der Luft diesem Etwas schutzlos ausgeliefert sein könnte.
Wider Erwarten ist der Marktplatz nicht so leer, wie Violene es sich eigentlich erhofft hatte. Unabhängig von den verschiedenen Dorfbewohnern, welche sich selbst jetzt noch immer das Recht zum Gaffen und hinter vorgehaltener Hand tuscheln rausnehmen. Die Blicke so gut es geht ausblendend, landet Schocker und bezieht neben seiner Reiterin Position.
Diese hat den Blick fest auf Grodan gerichtet, welcher selbst anscheinend schon länger auf dem Marktplatz steht. Ungerührt steht er da, seine Hände wie zur Begrüßung ausgestreckt, ein leichtes Lächeln auf den Lippen: „Seht an, seht an, unsere Heldin ist zurückgekehrt. Meine Nichte, die einen ganzen Wikingerstamm vernichtet hat. Oder sollte ich viel eher nicht doch sagen: Verräterin?"
Kaum haben diese Worte seinen Mund verlassen, greifen zwei stämmige Männer nach ihren Armen und drehen diese unsanft auf den Rücken. Erschrocken darüber und über den plötzlichen Schmerz zischt Violene auf, sich aus den Griffen befreien wollend.

Knurrend beobachtet Schocker, wie die Männer seiner Reiterin wehtun, und fletscht die Zähne. Genug ist genug! Dieser Grodan hat hiermit eindeutig eine Grenze überschritten!
Nebel beginnt seine Schnauze zu verlassen und hinterlässt wabernde Spuren auf dem Boden, als mehrere weitere Männer sich auf ihn stürzen und einen Maulkorb überziehen. Ihn wehrlos machen, unschädlich.
„Nun, meine liebe Nichte. Oder sollte ich dich nicht doch viel lieber die Verfluchte nennen? Schlussendlich bist du nicht mehr als ein verfluchtes Kind, eine Missgeburt wie deine restliche Familie."
„Wag es nicht...", mit brüchiger Stimme kommen ihr diese Worte über die Lippen, angestrengt versuchend das letzte bisschen Fassung beizubehalten.
„Ich weiß von deinem Plan, den du vorhattest", ungeniert redet Grodan weiter, ignoriert ihren Einwand geflissentlich, „Du hattest meinen Befehl nicht korrekt ausgeführt und bist doch zurückgekehrt um mir gegenüber genau das zu behaupten. Das du alle getötet hättest, das Dorf zerstört und den gesamten Stamm vernichtet. Aber das hast du nicht. Und nicht nur, das du zu schwach bist um diesen Befehl auszuführen – du bist auch noch so feige und besitzt zugleich die Frechheit zurückzukehren und mir eine Lüge erzählen zu wollen! Spar dir deine Einwände und spar dir sämtliche weiteren Lügengeschichten. Denn ich weiß alles."

Kein Wort mehr rauskriegend starrt Violene ihn entsetzt an.
In ihrem Kopf fängt es an zu rattern, spielen sich verschiedene Szenarios ab, muss sie an all die Expeditionen und Berichte denken, die er jedes Mal von ihr verlangte. Bei wie vielen weiß er, das sie gelogen sind? Oder blufft er gerade nur? Will sie reinlegen, damit sie ihm bei allem brav die ganze Wahrheit erzählt? Nein, Nein, Nein...

„Deine Spielchen sind hiermit vorbei. Verabschiede dich von deinem Leben, Violene. Und von diesem nutzlosen Reptil. Denn du wirst beides verlieren. Sperrt sie allesamt ein."
Kalt, schneiden und ruhig. Viel zu ruhig hatte er diese Worte gesagt, ihr dabei tief in die Augen geschaut und keine Miene verzogen.
Warum kann er sie nicht schlagen, sie anschreien, sie verprügeln? So, wie er es sonst immer wieder tat?! Warum verhält er sich bei ihrem größten Fehler so anders, so surreal...?

Angst beginnt ihre Glieder hochzukriechen, ihre Kleidung zu durchdringen und jede einzelne Faser ihres Körpers zu durchdringen. Einzunehmen. Zu zerfressen, fast schon zu verschlingen.
Alles in ihr schreit, will sich bewegen, will sich wehren. Doch der Körper reagiert auf nichts, kann keinen Befehl ausführen, keinen Muskel anspannen.
Wehrlos muss sie beobachten, wie sie in einen dunklen modrigen Gang geführt wird.

Dann ist alles schwarz...







Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅

Schatten der Vergangenheit (Httyd)Where stories live. Discover now